· Nachricht · Betreuungsanspruch von Kindern unter drei Jahren
Wechsel von Betreuung in Kindertagespflege in eine Tageseinrichtung
| Das Wunsch- und Wahlrecht nach § 5 SGB VIII ist auf den in § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII geregelten Anspruch ein- und zweijähriger Kinder auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege uneingeschränkt anwendbar. Deshalb darf ein Kind, das bereits in Kindertagespflege betreut wird, bei der Vergabe freier Plätze in Kindertageseinrichtungen nicht vom Auswahlverfahren ausgeschlossen werden (OVG Lüneburg 6.10.14, 4 ME 216/14). |
Nach § 24 Abs. 2 S. 1 SGB VIII in der seit dem 1.8.13 geltenden Fassung hat ein Kind, das das erste Lebensjahr vollendet hat, bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege. Beide Leistungsformen stehen gleichwertig nebeneinander (OVG NRW NJW 13, 3803). Ein Vorrang der Förderung in einer Tageseinrichtung vor einer Förderung in Kindertagespflege ist anders als in § 24 Abs. 3 SGB VIII für Kinder, die das dritte Lebensjahr vollendet haben, nicht vorgesehen. Die Gleichwertigkeit hat zur Folge, dass der Förderanspruch von ein- und zweijährigen Kindern sowohl durch das Bereithalten von Betreuungsplätzen in Tageseinrichtungen als auch von Kindertagespflegeplätzen erfüllt werden kann. § 22 Abs. 2 S. 1 SGB VIII begründet auch keine unbedingte Gewährleistungspflicht dahingehend, dass der Jugendhilfeträger in jedem Fall freie Plätze für die von den Eltern des Kindes konkret gewünschte Betreuungsform vorhalten und ggf. im Wege einer Kapazitätserweiterung schaffen muss (OVG NRW, a.a.O.; a.A. Rixen, NJW 12, 2839). Gegenteiliges lässt sich auch nicht mit dem Hinweis auf das in § 5 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 1 SGB VIII normierte Wunsch- und Wahlrecht begründen. Denn dieses findet ebenfalls seine Grenze, wenn keine Plätze in der gewünschten Betreuungsform (mehr) vorhanden oder verfügbar sind (OVG NRW, a.a.O.; Luthe in jurisPK-SGB VIII, 1. Aufl. 2014, § 5 Rn. 22).
Die in dem Ablehnungsbescheid vertretene Auffassung, der Antrag der Antragstellerin auf Aufnahme in einer Kindertageseinrichtung sei bei der Vergabe der freien Plätze nicht zu berücksichtigen gewesen, weil sie bereits in Kindertagespflege betreut werde, ist unzutreffend. Die Betreuung der Antragstellerin in der Kindertagespflege hat zwar zur Folge, dass ihr Förderanspruch nach § 24 Abs. 2 S. 1 SGB VIII derzeit erfüllt wird. Sie führt jedoch nicht dazu, dass sie bei der Vergabe freier Plätze in Tageseinrichtungen vom Auswahlverfahren ausgeschlossen werden kann. Sonst wäre das Wunsch- und Wahlrecht in dem Fall, dass ein Kind bereits eine der beiden in § 24 Abs. 2 S. 1 SGB VIII genannten Leistungsformen erhält, anstelle dessen aber eine künftige Förderung in der anderen Leistungsform begehrt, ausgeschlossen. Dafür spricht jedoch nichts. Die Regelung über das Wunsch- und Wahlrecht in § 5 SGB VIII zählt zu den allgemeinen Vorschriften des Kinder- und Jugendhilferechts und gilt somit grundsätzlich für sämtliche kinder- und jugendhilferechtlichen Leistungen. Auch § 24 Abs. 2 S. 1 SGB VIII regelt nichts Abweichendes (OVG NRW NJW 13, 3803). Die in dieser Vorschrift normierte Gleichwertigkeit der Förderung in einer Tageseinrichtung und in Kindertagespflege spricht für die uneingeschränkte Geltung des Wunsch- und Wahlrechts. Denn hätte der Gesetzgeber die Wahl zwischen den beiden Betreuungsformen einschränken wollen, hätte es nahegelegen, ein Vorrang-/Nachrangverhältnis zwischen beiden Leistungsarten zu regeln. Deshalb darf die Antragstellerin bei der künftigen Vergabe von frei werdenden Ganztagesplätzen in Kindertageseinrichtungen nicht weiterhin unter Verweis auf die Betreuung in Kindertagespflege vom Auswahlverfahren ausgeschlossen werden.
Quelle: Niedersächsisches Landesjustizportal: http://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/portal/page/bsndprod.psml?doc.id=MWRE140002728&st=null&showdoccase=1¶mfromHL=true#focuspoint