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  • 08.01.2010

    Finanzgericht Hamburg: Gerichtsbescheid vom 04.02.2005 – I 239/04

    Gegen den Rückforderungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO kann eine Weiterleitung des Kindergeldes an den Berechtigten selbst dann nicht geltend gemacht werden, wenn die tatsächliche Weiterleitung zwar feststeht, der Berechtigte sich aber weigert, eine entsprechende Erklärung des nach der DA-FamEStG vorgesehenen Inhalts gegenüber der Familienkasse abzugeben.


    Tatbestand

    Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Rückforderung des Kindergeldes der Monate Februar bis einschließlich Juni 2003 für die drei Kinder der Klägerin (-Kl-).

    Zugunsten der Kl war seitens der Beklagten (-Bekl-) aufgrund einvernehmlichen Antrags beider Elternteile - zuletzt vom 22.01.1997 - laufend Kindergeld für die drei Kinder festgesetzt. Die Zahlung wurde mit Wirkung ab Juli 2003 zunächst unterbrochen, da der Kindesvater im Juni 2003 Festsetzung und Auszahlung des Kindergeldes an sich beantragte.

    Die Kinder lebten seit dem 03.01.2003 bei dem Kindesvater. Seit dem 19.12.2003 leben die Kinder wieder bei der Kl. Zugunsten des Kindesvaters wurde - bislang - Kindergeld für den Zeitraum von Juli 2003 bis Januar 2004 festgesetzt. Ab Februar 2004 ist das Kindergeld wieder zugunsten der Kl festgesetzt.

    Mit Schreiben vom 29.07.2003 wies die Bekl die Kl darauf hin, dass sie für die Monate Februar bis Juni 2003 Kindergeld in Höhe von EUR 2.310 erhalten habe, obwohl kein Anspruch bestand. Da die Kinder beim Vater lebten, habe dieser ab Februar 2003 den vorrangigen Anspruch. Die Bekl sei gemäß § 70 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (-EStG-) gehalten, die Kindergeldfestsetzung aufzuheben. Das zuviel gezahlte Geld sei nach § 37 Abs. 2 Abgabenordnung (-AO-) zu erstatten. Vor abschließender Entscheidung über die Erstattungsverpflichtung wurde die Kl auf die Prüfung einer möglichen Weiterleitung des Kindergeldes an den Kindesvater hingewiesen. Die Kl wurde darauf hingewiesen, dass hierzu zum einen ihre dahingehende Erklärung erforderlich sei; zum anderen die Kl eine schriftliche Bestätigung des Kindesvaters - auf amtlichem Vordruck und von ihm ausgefüllt - vorlegen müsse, dass sie das Kindergeld für den besagten Zeitraum in voller Höhe an den Kindesvater weitergeleitet habe.

    Die Kl trug durch ihre Bevollmächtigte mit Schreiben vom 15.08.2003 vor, der Kindesvater weigere sich, eine solche Bestätigung zu erteilen. Durch Bescheid vom 15.01.2004 hob die Bekl daraufhin die Festsetzung des Kindergeldes für die drei Kinder gegenüber der Kl ab Februar 2003 auf und forderte diese zur Erstattung des Kindergeldes von Februar bis Juni 2003 in Höhe von EUR 2.310 auf.

    Hiergegen wandte sich die Kl mit Einspruch vom 03.02.2004 (Eingang 05.02.2004). Zur Begründung verwies die Kl unter Benennung von Zeugen darauf, sie habe das Kindergeld jeweils in bar - zum Teil sogar im Rahmen eines amtsgerichtlichen Termins im Beisein des zuständigen Richters und der Bevollmächtigten - an den Kindesvater übergeben. Die Bekl wandte sich hierauf - nach vergeblicher Aufforderung vom 27.10.2003 - nochmals an den Kindesvater und forderte diesen mit Schreiben vom 22.02.2004 unter Hinweis auf seine Mitwirkungspflichten auf, bis zum 20.03.2004 zu erklären, ob die Weiterleitung des Kindergeldes an ihn erfolgt sei. Nachdem der Kindesvater sich hierauf nicht meldete, erging unter dem 25.06.2004 eine ablehnende Einspruchsentscheidung. Die Bekl verwies darauf, dass es sich bei dem Verzicht auf die Durchsetzung des Erstattungsanspruches um eine verwaltungsinterne Billigkeitsmaßnahme handele, die u.a. die Vorlage einer schriftlichen Bestätigung des eigentlich berechtigten Elternteils über die Weiterleitung auf dem dafür vorgesehenen amtlichen Vordruck voraussetze. Damit erkläre dieser den Erhalt des Geldes und, dass er insoweit seinen eigenen Auszahlungsanspruch gegen die Familienkasse als erfüllt ansehe. Im Streitfall habe der Kindesvater den Erhalt des Kindergeldes nicht bestätigt.

    Die Kl hat gegen die ablehnende Entscheidung am 19.07.2004 fristgemäß Klage erhoben und die Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt. Das Gericht hat durch Beschluss des Senates vom 16.12.2004 den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht in der Hauptsache abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, dass der angefochtene Bescheid der Bekl nach Würdigung aller erkennbaren Umstände als rechtmäßig anzusehen ist.

    Das Gericht hat die Klägerin nachfolgend mit Verfügung vom 06.01.2005 um Mitteilung bis zum 31.01.2005 gebeten, ob mit Blick auf die Gründe des Prozesskostenhilfebeschlusses des Senates vom 16.12.2004 die Klage aufrecht erhalten und das Verfahren fortgesetzt oder unter Kostengesichtspunkten durch Klagerücknahme beendet werden soll. Die Klägerin hat sich binnen der gesetzten Frist nicht geäußert.

    Gründe

    Das Gericht entscheidet gemäß § 90a Abs. 1 i.V.m. § 79a Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 FGO durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung im Wege des Gerichtsbescheides.

    Die Klage ist - soweit zulässig - jedenfalls unbegründet. Der angefochtene Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid der Bekl vom 15.01.2004 und die Einspruchsentscheidung vom 25.06.2004 sind rechtmäßig und verletzten die Kl nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -).

    Das Gericht lässt es im Streitfall dahinstehen, ob der von der Kl geltend gemachte Billigkeitsgesichtspunkt einer sogenannten Weiterleitung des Kindergeldes an den Kindesvater im Festsetzungsverfahren und/oder Erhebungsverfahren überhaupt zu berücksichtigen und damit die erhobene Klage zulässig ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (-BFH-) ist diese Frage noch nicht abschließend geklärt. Allerdings hat der BFH in einem Verfahren über die Gewährung von Prozesskostenhilfe für eine Klage gegen einen Aufhebungsbescheid und Rückforderungsbescheid getroffenen Entscheidung, der Hauptsache hinreichende Aussicht auf Erfolg zugebilligt, weil der Kläger eine Bestätigung der eigentlich anspruchsberechtigten Person vorlegte, mit der diese ihren Kindergeldanspruch für den streitigen Zeitraum als erfüllt ansah (BFH-Beschluss vom 30. April 2001 - VI B 217/99 - BFH/NV 2001, 1364). Mit Blick hierauf und den Umstand, dass die Frage nach der Zulässigkeit für den Ausgang des Klageverfahrens nicht erheblich ist, entscheidet das Gericht in der Sache.

    Der angefochtene Bescheid vom 15.01.2004 ist nicht zu beanstanden. Zu Recht hat die Bekl darin festgestellt, dass ein Anspruch der Kl auf Kindergeld für die Monate Februar bis Juni 2003 nicht besteht.

    Bei mehreren Berechtigten wird das Kindergeld demjenigen gezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat (§ 64 Abs. 2 Satz 1 EStG). Dies gilt u.a. dann, wenn sich die Eltern trennen und das Kind anschließend nur bei einem der Berechtigten im Haushalt lebt. Haben sich die für die Zahlung des Kindergeldes maßgeblichen Verhältnisse durch einen Haushaltswechsel des Kindes geändert, so ist die - nicht mehr der materiellen Rechtslage entsprechende - Festsetzung des Kindergeldes gemäß § 70 Abs. 2 EStG vom Zeitpunkt der Veränderung der Verhältnisse an aufzuheben (vgl. BFH-Beschlüsse vom 18. Dezember 1998 - VI B 215/98 - BStBl II 1999, 231 und vom 12. April 2000 - VI B 113/99 - BFH/NV 2000, 1192). Einen Entscheidungsspielraum besitzt die Verwaltung insoweit nicht (BFH-Urteil vom 1. Juli 2003 - VIII R 94/01- BFH/NV 2004, 25).

    Im Streitfall haben sich die für die Zahlung des Kindergeldes erheblichen Verhältnisse dadurch geändert, dass die Kinder der Kl ab Mitte Januar 2003 bei dem Kindesvater lebten und in dessen Haushalt aufgenommen waren. Ab diesem Zeitpunkt stand das Kindergeld daher nicht mehr der Kl, sondern dem Kindesvater zu. Die bisherige Festsetzung des Kindergeldes zu Gunsten der Kl war demgemäß vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an aufzuheben. Die Umstände des tatsächlichen Aufenthaltes der Kinder und deren Haushaltszugehörigkeit zum Kindesvater in dem hier streitigen Zeitraum sind zwischen den Beteiligten nicht streitig.

    Soweit der angefochtene Bescheid auch die Rückforderung des streitigen Kindergeldbetrages von der Kl regelt, begegnet er keinen Bedenken. Die Bekl hat die Kl zu Recht als Leistungsempfängerin auf Rückzahlung des Kindergelds in Anspruch genommen.

    Ist eine Steuervergütung wie das Kindergeld (§ 31 Satz 3 EStG) ohne rechtlichen Grund gezahlt worden, so hat derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, nach § 37 Abs. 2 AO 1977 gegenüber dem Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten Betrages. Diese Rechtsfolge tritt auch dann ein, wenn der rechtliche Grund für die Zahlung später wegfällt (§ 37 Abs. 2 Satz 2 AO 1977). Durch die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung ist der rechtliche Grund für die Zahlung des Kindergeldes an die Kl ab Februar 2003 weggefallen.

    Die Kl kann gegenüber dem Rückforderungsanspruch der Bekl gemäß § 37 Abs. 2 AO 1977 auch nicht geltend machen, sie habe das Kindergeld an den Kindesvater als vorrangig Berechtigten weitergeleitet. Gemäß 64.4 Abs. 4 bis 8 und Anhang 14 zu 64.4 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 der Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes - DA FamEStG - (Stand August 2004, BStBl I 2004, 743 ff) kann ein Erstattungsschuldner geltend machen, den Erstattungsanspruch durch Weiterleitung erfüllt zu haben, wenn er u.a. die schriftliche Bestätigung des vorrangig Berechtigten beibringt, dass dieser das Kindergeld erhalten hat und seinen Anspruch als erfüllt ansieht.

    Ob der Kindesvater das Kindergeld für Februar bis Juni 2003 - wie die Kl wiederholt unter Beweisantritt vorträgt - tatsächlich und in voller Höhe erhalten hat, bedarf im Streitfall keiner Aufklärung (vgl. BFH-Urteil vom 9. Dezember 2002 - VIII R 80/01 - BFH/NV 2003, 606, m.w.N.). Die Kl hat der in DA-FamEStG 64.4 Abs. 4 bis 8 vorgesehenen Form im Verwaltungsverfahren nicht Genüge getan. Weder hat sie die erforderliche schriftliche Bestätigung des Kindesvaters als vorrangig Berechtigtem auf dem vorgeschriebenen amtlichen Vordruck vorgelegt, noch hat dieser die Weiterleitung des vollen Kindergeldes bestätigt und insbesondere nicht deutlich gemacht, seinen eigenen Anspruch auf Kindergeld als erfüllt anzusehen. Die Entscheidung der Bekl ist daher nicht zu beanstanden; sie beruht zutreffend darauf, dass die Weiterleitung die Rückforderung nicht von Gesetzes wegen ausschließt, sondern lediglich aus Vereinfachungsgründen von der Familienkasse als Erfüllung des Rückforderungsanspruchs im verkürzten Zahlungswege berücksichtigt werden kann (vgl. BFH-Urteile vom 1. Juli 2003 - VIII R 94/01 - BFH/NV 2004, 25 und vom 16. März 2004 - VIII R 48/03 - BFH/NV 2004, 1218).

    Ob die Kl das hier streitige Kindergeld vollen Umfangs an den Kindesvater gezahlt hat, ist letztlich für das vorliegende Klageverfahren ohne Belang. Denn wie der BFH bereits mit Urteil vom 14. Mai 2002 - VIII R 64/00 - BFH/NV 2002, 1425 - dargelegt hat, ist es im sog. Weiterleitungsverfahren nicht Aufgabe der Familienkasse, Unterhaltsvereinbarungen bzw. -zahlungen unter verschiedenen Kindergeldberechtigten (Ehegatten) zu berücksichtigen, zu überprüfen und zivilrechtlich zu beurteilen (s.a. BFH-Beschluss vom 12. Januar 2000 - VI B 206/99 - BFH/NV 2000, 835). Bei Wechsel der Anspruchsberechtigung ist es vielmehr Sache der Kindergeldberechtigten, ihre privatrechtlichen Vereinbarungen der Gesetzeslage anzupassen oder bei verspäteter Anpassung mögliche Überzahlungen auf privatrechtlichem Wege auszugleichen (vgl. BFH-Beschluss vom 19. Mai 1999 - VI B 39/99 - juris). Es ist insoweit auch nicht sachwidrig, von einer Rückforderung des Kindergeldes nur bei Vorlage einer Erklärung des vorrangig kindergeldberechtigten Elternteils nach Maßgabe der oben angeführten Verfügungen des Bundesamtes für Finanzen (DA FamEStG) abzusehen. Denn ohne eine derartige Erklärung würde sich die Bekl dem Risiko einer doppelten Inanspruchnahme aussetzen (vgl. BFH-Beschluss vom 29. Mai 1999 - VI B 39/99 - juris und Urteil vom 1. Juli 2003 - VIII R 94/01 - BFH/NV 2004, 25).

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

    VorschriftenAO § 37 Abs. 2