13.12.2024 · IWW-Abrufnummer 245419
Oberlandesgericht Frankfurt a. M.: Beschuss vom 21.11.2024 – 3 U 103/24
Maßgebend für die Höhe der Hinterbliebenenentschädigung nach § 844 Abs. 3 BGB sind im Wesentlichen die Intensität und Dauer des erlittenen seelischen Leids und der Grad des Verschuldens des Schädigers.
OLG Frankfurt 3. Zivilsenat
Tenor
Dem Kläger wird für den zweiten Rechtszug Prozesskostenhilfe bewilligt, soweit er mit der beabsichtigten Berufung eine Abänderung des Urteils der 2. Zivilkammer des Landgerichts Gießen vom 30. September 2024 und die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von € 10.000,- nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an den Kläger begehrt.
Dem Kläger wird Rechtsanwalt A, Stadt1, beigeordnet.
Die Beiordnung erfolgt zu den kostenrechtlichen Bedingungen einer Rechtsanwältin oder eines Rechtsanwaltes mit Niederlassung im Bezirk des Prozessgerichts.
Im Übrigen wird der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen.
Gründe
Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 25.10.2024 Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren gegen das Urteil des Landgerichts vom 30.09.2024, zugestellt am 01.10.2024, beantragt und einen Entwurf für eine Berufungsbegründung (Anlage A 3) beigefügt.
Der Kläger wurde mit dem als Anlage KI beigefügten Beschluss des Amtsgerichts Stadt2 vom 01.08.2023 zum Insolvenzverwalter über das Vermögen von Herrn B (Insolvenzschuldner) bestellt.
Der Kläger verfolgt mit der beabsichtigten Berufung einen bereits erstinstanzlich geltend gemachten Anspruch des Insolvenzschuldners auf Zahlung einer angemessenen Entscheidung in Geld für das durch die gewaltsame Tötung seiner Mutter durch den Beklagten bedingte Leid.
Der Beklagte war der Stiefvater des Insolvenzschuldners und erschoss dessen Mutter im Dezember 2021. Der Beklagte wurde deswegen durch Urteil des Landgerichts Gießen vom 29.03.2023 (Aktenzeichen: …) wegen Mordes in Tateinheit mit der vorsätzlichen Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine Kriegswaffe zu einer Freiheitsstrafe von 12 Jahren verurteilt.
Der Kläger hat behauptet, der Insolvenzschuldner habe durch die gewaltsame Tötung seiner Mutter eine massive Anpassungsstörung erlitten, die länger als sechs Monate angedauert habe. Da sich der Insolvenzschuldner mit dem Beklagten zuvor gut verstanden habe, seien die gesundheitlichen Konsequenzen für ihn wegen des mit der Tat verübten Vertrauensbruchs noch gravierender gewesen als bei einer Tat eines ihm fremden Dritten.
Es habe zwischen dem Insolvenzschuldner und dessen Mutter ein Näheverhältnis bestanden, auch nachdem er aus deren Wohnung ausgezogen sei und ungeachtet vereinzelter Streitigkeiten. Er habe nie den Kontakt zu ihr verloren, welcher gut und grundsätzlich harmonisch gewesen sei. Er habe mit ihr des Öfteren gesprochen und sich getroffen, auch habe er mehrfach bei Streitigkeiten zwischen seiner Mutter und dem Beklagten vermittelt. Der Auszug des Insolvenzschuldners aus der Wohnung seiner Mutter sei erst im Frühjahr 2021, also im Jahr ihres Todes erfolgt.
Die emotionalen Beeinträchtigungen des Insolvenzschuldners seien im Wesentlichen in drei Teilbereiche aufzugliedern, nämlich ohnmächtige Wut, tiefe Trauer und hilflose/irreversible Verzweiflung.
Ferner hat der Kläger sich auf einen eigenen Aktenvermerk über ein Gespräch mit dem Insolvenzschuldner vom 24.01.2024 (Anlage K 3) und ein Schreiben der Klinik1 vom 23.02.2024 mit den beigefügten ärztlichen Stellungnahmen vom 23.10.2023 und 08.03.2023 (Anlage K 4, BI. 110 ff. d. erstinstanzl. A.), die bezüglich der Fortdauer der Unterbringung des Insolvenzschuldners in der Entziehungsanstalt gemäß § 67e StGB erstellt worden waren, bezogen.
Der Beklagte hat behauptet, der Insolvenzschuldner habe gar keine Beziehung zu seiner Mutter gehabt.
Das Landgericht hat nach zweifachem Hinweis auf den aus seiner Sicht unzureichenden Vortrag zu den gesundheitlichen Folgen der Tat des Beklagten für den Insolvenzschuldner die Klage ohne Beweiserhebung abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die zulässige Klage sei unbegründet. Der Kläger habe es trotz deutlicher Hinweise der Kammer nicht vermocht, Beeinträchtigungen des Insolvenzschuldners darzulegen, welche durch dessen Einvernahme oder die weitere Beweisaufnahme, namentlich durch die Vernehmung weiterer Zeugen sowie die Einholung eines Sachverständigengutachtens hätten bewiesen werden können.
Die Klage ergehe sich weitgehend in allgemeinen Ausführungen, welche Empfindungen Kinder in der Situation des Insolvenzschuldners allgemein hätten und worunter sie litten. Es sei zwar behauptet worden, der Insolvenzschuldner habe unter ohnmächtiger Wut, tiefer Trauer und hilfloser/irreversibler Verzweiflung gelitten. Es seien aber keine Auswirkungen beschrieben oder Beschwerden behauptet worden, die den Insolvenzschuldner hierdurch betroffen hätten
Vortrag zu etwaigen Symptomen wie Schlaflosigkeit, Weinattacken, körperlichen Beschwerden wie Appetitlosigkeit, Übelkeit, sozialen Beschwerden wie Rückzug aus und ggf. welchen sozialen Teilhaben fehle trotz Hinweis der Kammer gänzlich. Es sei insofern nicht Aufgabe der Kammer, den Insolvenzschuldner als Zeugen dazu auszufragen, welche Beschwerden er gehabt habe, sondern Aufgabe des Klägers, im Gespräch mit dem Insolvenzschuldner diese Beschwerden herauszufinden und dem Gericht dann als Tatsachenbehauptungen darzulegen. Sodann käme erst eine Beweisaufnahme durch Vernehmung des Insolvenzschuldners und Einholung eines Sachverständigengutachtens in Betracht, denn auch die Aufgabe des gerichtlichen Sachverständigen sei nicht, den Insolvenzschuldner auszufragen und sodann die dabei erhobenen Befunde einem pathologischen Krankheitsbild zuzuordnen und die kausale Verknüpfung zu der Tat des Beklagten zu untersuchen.
Auch die Anlagen zum Schriftsatz vom 29.05.2024 führten zu keinem anderen Ergebnis, da die Bezugnahme auf diese zum einen unzulässig sei, diese aber auch unergiebig seien. Aus dem Gesprächsvermerk des Klägers gingen keine Beschwerden des Insolvenzschuldners hervor, dieser habe danach lediglich geäußert, dass er das Zivilverfahren als durchaus belastend empfinde.
Auch die als Anlage K 4 eingereichten Berichte der Klinik1 enthielten keine konkreten Beschwerden. Dem Bericht vom 23.10.2023 sei insoweit lediglich zu entnehmen, dass der Insolvenzschuldner das Behandlungsteam um Gespräche zur emotionalen Entlastung gebeten habe, dies vor allem im Zusammenhang mit milieutherapeutischen Schwierigkeiten und dem Mordprozess gegen den Beklagten.
Im Schreiben vom 08.03.2023 werde zwar von einer Belastung des Insolvenzschuldners durch vielfältige Faktoren berichtet, darunter auch der erste Todestag seiner Mutter und der Mordprozess gegen den Stiefvater, also den Beklagten. Konkrete Beschwerden, die hierdurch ausgelöst worden seien, seien aber auch diesem Bericht nicht zu entnehmen.
In dem eingereichten Entwurf begründet der Kläger seine Berufung wie folgt:
Es werde auf den gesamten erstinstanzlichen Sach- und Rechtsvortrag Bezug genommen.
Das Landgericht habe sich mit § 844 Abs. 3 BGB und der Entscheidung des OLG Frankfurt am Main vom 19.07.2012, nach der 10.000,- Euro als Richtschnur beim Hinterbliebenengeld anzusehen seien, nicht auseinandergesetzt.
Die Entscheidung werde zudem für unzutreffend, unpraktikabel, unverhältnismäßig und unzumutbar gehalten. Es könne aus emotionalen, tatsächlichen und wirtschaftlichen Gründen nicht die Aufgabe des Kindes eines vorsätzlich getöteten Elternteils sein, Detailumstände zu benennen, die sich aus der Differenz bzw. dem Delta ergäben, dass das Elternteil nicht eines natürlichen Todes gestorben sei.
In diesen Fällen sei es vielmehr Aufgabe der Rechtsprechung, angemessene Beträge herauszuarbeiten und sie den damit befassten Rechtsanwälten an die Hand zu geben. Dies gebiete bereits die Prozessökonomie, eine dahingehende Rechtsfortbildung sei nötig und zulässig.
Es sei auch prozessual unzulässig, den im Termin am 08.07.2024 anwesenden Insolvenzschuldner nicht persönlich als Zeuge anzuhören. Ein Sachverständigengutachten möge falls erforderlich eingeholt werden, wenngleich ihm der dahingehende Beweisantritt zu Lasten der hessischen Staatskasse aufgrund der Relation der Tat des Beklagten einerseits und des ausgesprochen zurückhaltend bemessenen Klagebetrages andererseits widerstrebe.
Der Kläger beantragt,
ihm Prozesskostenhilfe für den zweiten Rechtszug unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten zu gewähren.
Der Kläger kündigt im beigefügten Entwurf einer Berufungsbegründung für den Fall der Gewährung von Prozesskostenhilfe folgende Berufungsanträge an:
Der Beklagte wird unter Aufhebung der Entscheidung des Landgerichts Gießen vom 30.09.2024, Az.: 2 0 241/23 verurteilt, an den Kläger als Insolvenzverwalter 15.000,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zurückzuweisen.
Il.
Dem Kläger war in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren zu gewähren.
Die Voraussetzungen des § 116 Satz 1 Ziff. 1 ZPO sind glaubhaft gemacht.
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat Aussicht auf Erfolg, soweit sie auf eine angemessene Entschädigung in Geld in Höhe von € 10.000,- nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit gerichtet ist. Im Übrigen hat die Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg.
1. Zwar hat das Landgericht mit Recht einen Anspruch gemäß § 823 Abs. 1 BGB unter dem Aspekt eines sogenannten Schockschadens verneint Der Kläger hat nicht hinreichend dargelegt, dass durch die Handlung des Beklagten bei ihm selbst eine Rechtsgutsverletzung in Form einer krankheitswertigen Gesundheitsbeeinträchtigung (vgl. Grüneberg/Grüneberg, BGB 83. Auflage, vor § 249 Rn. 40) eingetreten ist. Die pauschale Behauptung einer Anpassungsstörung ist hierfür ebenso wenig ausreichend wie die schlagwortartige Benennung von Zuständen wie Trauer und Verzweiflung, welche beim Insolvenzschuldner vorgelegen hätten.
Auch durch die Inbezugnahme der Stellungnahmen aus der Unterbringung des Insolvenzschuldners vom 08.03.2023 und 23.10.2023 ist eine eigene krankheitswertige Beeinträchtigung nicht hinreichend dargelegt. Es ergibt sich ein auf die Tötung der Mutter des Insolvenzschuldners zurückzuführendes Krankheitsbild aus diesen Berichten, da insoweit lediglich von einer allgemein beschriebenen Belastung die Rede ist.
2. Das Landgericht hat sich jedoch, worauf der Kläger mit Recht hinweist, nicht mit einem Anspruch auf Zahlung eines sog. Hinterbliebenengeldes gemäß § 844 Abs. 3 BGB auseinandergesetzt. Ein solcher steht dem Insolvenzschuldner jedoch zu.
Gemäß § 844 Abs. 3 BGB kann der Hinterbliebene, der zu dem Getöteten in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis stand, für das ihm zugefügte seelische Leid eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen.
Dabei knüpft das Hinterbliebenengeld - anders als der Schockschaden - auf der Ebene der Haftungsbegründung an die Verletzung eines fremden Rechtsguts, des in § 823 Abs. 1 BGB explizit genannten Lebens des Versicherten, an und sucht erst auf der Ebene der Haftungsausfüllung den eigenen Gefühlsschaden der Hinterbliebenen zu entschädigen (s. BGH, Urteil vom 08.02.2022 - VI ZR 3/21 BGHZ 233, 1, Rn. 33).
a. Der Anspruch setzt neben der außervertraglichen Haftung des Schädigers für eine Tötung nach den 823 ff. BGB (BeckOGK/Eichelberger, 1.10.2024, § 844 BGB, Rn. 200) lediglich ein Näheverhåltnis voraus, welches allerdings zwischen dem Getöteten u.a. zu - wie hier - einem Kind vermutet wird.
Eine Widerlegung dieser gesetzlichen Vermutung ist nicht erfolgt. So hat der Beklagte zwar eine Beziehung zwischen dem Insolvenzschuldner und dessen Mutter bestritten, insofern aber keinen Beweis angeboten.
b. Das zu zahlende Hinterbliebenengeld ist indes nach Auffassung des Senats lediglich in Höhe von € 10.000,- schlüssig begründet.
Das Hinterbliebenengeld soll einen gewissen Ausgleich für die immateriellen Nachteile, nämlich die seelischen Beeinträchtigungen bieten, die durch den Tod einer geliebten Person eintreten. Daneben soll dem Gedanken Rechnung getragen werden, dass der Schädiger dem Hinterbliebenen für das, was er ihm durch die Herbeiführung des Todes einer geliebten Person angetan hat, Genugtuung schuldet. Vor diesem Hintergrund sind maßgebend für die Höhe der Hinterbliebenenentschädigung im Wesentlichen die Intensität und Dauer des erlittenen seelischen Leids und der Grad des Verschuldens des Schädigers. Dabei lassen sich aus der Art des Näheverhältnisses, der Bedeutung des Verstorbenen für den Anspruchsteller und der Qualität der tatsächlich gelebten Beziehung indizielle Rückschlüsse auf die Intensität des seelischen Leids ableiten (BGH, Urteil vom 23.05.2023 - VI ZR 161/22 NJW 2023, 2878, 2879).
Als „Orientierungshilfe" ist der in der Gesetzesbegründung zur Kostenabschätzung angeführte Durchschnittsbetrag von € 10.000,- (BT-Drs. 18/11397, 11) anerkannt, von der im Einzelfall sowohl nach unten als auch nach oben abgewichen werden kann (s. BGH, Urteil vom 06.12.2022 - VI ZR 73/21 BGHZ 235, 254, Rn. 18 m. w. N.). Der Betrag soll aber im Regelfall hinter dem zurückbleiben, der ihm zustände, wenn das von ihm erlittene seelische Leid die Qualität einer Gesundheitsverletzung hätte (BGH, a.a.O., Rn. 21).
In der obergerichtlichen Rechtsprechung sind etwa Beträge von € 15.000,- (Verlust eines minderjährigen Kindes durch Unfall mit messbaren Krankheitsfolgen (Anpassungsstörung und leichte Depression, s. OLG Celle, Urteil vom 24.08.2022 - 14 U 22/22 NJW-RR 2022, 1472, 1477), € 12.000,- (Unfalltod des Vaters bei prägender Beziehung und gelebter Hausgemeinschaft, s. OLG Köln, Urteil vom 05.05.2022 - 1-18 U 168/21 -, juris, Rn. 39,) oder auch lediglich € 8.000,- (Tod der Schwiegertochter durch Arbeitsunfall bei elternähnlichem Verhältnis, s. OLG Koblenz, Urteil vom 21.12.2020 12 U 711/20 -, r+S 2021, 115) zuerkannt worden.
aa. Hier ist angesichts der dürftigen Angaben des Klägers zu dem Verhältnis des Insolvenzschuldners zur Getöteten und insbesondere auch zu den seelischen Folgen bei ihm jedenfalls kein Abweichen nach oben geboten. Zwar ergibt sich aus den Stellungnahmen aus dem Verfahren nach § 67e StGB eine auch länger andauernde Belastung durch den Tod seiner Mutter, deren Ausprägung und Intensität jedoch ebenso wenig näher dargelegt sind wie die konkrete Ausgestaltung der persönlichen Beziehung zu seiner Mutter.
bb. Das Verschulden des Beklagten ist andererseits wegen der vorsätzlichen Tötung, die nach dem unwidersprochenen Vortrag des Klägers strafrechtlich sogar als Mord zu qualifizieren war, denkbar hoch. Für die Tötung durch vorsätzliche Gewalttat sind in Einzelfällen z. B. 20.000,- zugesprochen worden (Tötung eines minderjährigen Kindes, LG Dessau-Roßlau, Urteil vom 22.10.2021 - 4 0 220/20 -, juris). Der Senat verkennt insofern nicht, dass aufgrund der erheblichen Unterschiede der Einzelfälle eine schematische Einordnung nicht möglich ist.
Bei der Abwägung der einerseits nur oberflächlich und holzschnittartig dargestellten Leidenssituation des Insolvenzschuldners und des Verschuldensgrades des Beklagten andererseits erscheint nach dem klägerischen Vortrag danach ein Hinterbliebenengeld in Höhe von € 10.000,- angemessen, vor allem da der Komponente des seelischen Leids schon aufgrund ihrer Nennung im gesetzlichen Tatbestand mehr Gewicht zukommt als der Genugtuungsfunktion.
cc. Auch unter dem Aspekt, dass in Schmerzensgeldfällen der Kläger - auch betreffend die Gewährung von Prozesskostenhilfe - einen Betrag verlangen kann, den das Gericht letztlich möglicherweise für überhöht erachtet, jedenfalls solange sich der Antrag des Klägers noch in einem vertretbaren Rahmen bewegt (vgl. etwa OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 04.02.2019- 8 W 48/17 juris, Rn. 30), da schon durch die Antragstellung ein psychologischer „Ankereffekt" beim Gericht eintritt, ist hier keine andere Entscheidung geboten.
Zum einen ist das Hinterbliebenengeld weniger eng mit konkret fassbaren medizinischen Beeinträchtigungen verknüpft als der Anspruch auf Schmerzensgeld, zum anderen hat hier der Kläger das persönliche Verhältnis wie auch das seelische Leid des Insolvenzschuldners so knapp dargelegt, insbesondere keine konkreten Beeinträchtigungen vorgetragen, dass eine abweichende Abwägung einzelner Aspekte im Hauptverfahren fernliegend erscheint.
Die Kosten des zweiten Rechtszugs können auch aus der verwalteten Vermögensmasse nicht aufgebracht werden. Ebenso wenig ist es den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten zuzumuten, die Kosten aufzubringen.
21.11.2024
Tenor
Dem Kläger wird für den zweiten Rechtszug Prozesskostenhilfe bewilligt, soweit er mit der beabsichtigten Berufung eine Abänderung des Urteils der 2. Zivilkammer des Landgerichts Gießen vom 30. September 2024 und die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von € 10.000,- nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an den Kläger begehrt.
Dem Kläger wird Rechtsanwalt A, Stadt1, beigeordnet.
Die Beiordnung erfolgt zu den kostenrechtlichen Bedingungen einer Rechtsanwältin oder eines Rechtsanwaltes mit Niederlassung im Bezirk des Prozessgerichts.
Zahlungsraten werden nicht festgesetzt.
Im Übrigen wird der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen.
Gründe
Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 25.10.2024 Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren gegen das Urteil des Landgerichts vom 30.09.2024, zugestellt am 01.10.2024, beantragt und einen Entwurf für eine Berufungsbegründung (Anlage A 3) beigefügt.
Der Kläger wurde mit dem als Anlage KI beigefügten Beschluss des Amtsgerichts Stadt2 vom 01.08.2023 zum Insolvenzverwalter über das Vermögen von Herrn B (Insolvenzschuldner) bestellt.
Der Kläger verfolgt mit der beabsichtigten Berufung einen bereits erstinstanzlich geltend gemachten Anspruch des Insolvenzschuldners auf Zahlung einer angemessenen Entscheidung in Geld für das durch die gewaltsame Tötung seiner Mutter durch den Beklagten bedingte Leid.
Der Beklagte war der Stiefvater des Insolvenzschuldners und erschoss dessen Mutter im Dezember 2021. Der Beklagte wurde deswegen durch Urteil des Landgerichts Gießen vom 29.03.2023 (Aktenzeichen: …) wegen Mordes in Tateinheit mit der vorsätzlichen Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine Kriegswaffe zu einer Freiheitsstrafe von 12 Jahren verurteilt.
Der Kläger hat behauptet, der Insolvenzschuldner habe durch die gewaltsame Tötung seiner Mutter eine massive Anpassungsstörung erlitten, die länger als sechs Monate angedauert habe. Da sich der Insolvenzschuldner mit dem Beklagten zuvor gut verstanden habe, seien die gesundheitlichen Konsequenzen für ihn wegen des mit der Tat verübten Vertrauensbruchs noch gravierender gewesen als bei einer Tat eines ihm fremden Dritten.
Es habe zwischen dem Insolvenzschuldner und dessen Mutter ein Näheverhältnis bestanden, auch nachdem er aus deren Wohnung ausgezogen sei und ungeachtet vereinzelter Streitigkeiten. Er habe nie den Kontakt zu ihr verloren, welcher gut und grundsätzlich harmonisch gewesen sei. Er habe mit ihr des Öfteren gesprochen und sich getroffen, auch habe er mehrfach bei Streitigkeiten zwischen seiner Mutter und dem Beklagten vermittelt. Der Auszug des Insolvenzschuldners aus der Wohnung seiner Mutter sei erst im Frühjahr 2021, also im Jahr ihres Todes erfolgt.
Die emotionalen Beeinträchtigungen des Insolvenzschuldners seien im Wesentlichen in drei Teilbereiche aufzugliedern, nämlich ohnmächtige Wut, tiefe Trauer und hilflose/irreversible Verzweiflung.
Ferner hat der Kläger sich auf einen eigenen Aktenvermerk über ein Gespräch mit dem Insolvenzschuldner vom 24.01.2024 (Anlage K 3) und ein Schreiben der Klinik1 vom 23.02.2024 mit den beigefügten ärztlichen Stellungnahmen vom 23.10.2023 und 08.03.2023 (Anlage K 4, BI. 110 ff. d. erstinstanzl. A.), die bezüglich der Fortdauer der Unterbringung des Insolvenzschuldners in der Entziehungsanstalt gemäß § 67e StGB erstellt worden waren, bezogen.
Der Beklagte hat behauptet, der Insolvenzschuldner habe gar keine Beziehung zu seiner Mutter gehabt.
Das Landgericht hat nach zweifachem Hinweis auf den aus seiner Sicht unzureichenden Vortrag zu den gesundheitlichen Folgen der Tat des Beklagten für den Insolvenzschuldner die Klage ohne Beweiserhebung abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die zulässige Klage sei unbegründet. Der Kläger habe es trotz deutlicher Hinweise der Kammer nicht vermocht, Beeinträchtigungen des Insolvenzschuldners darzulegen, welche durch dessen Einvernahme oder die weitere Beweisaufnahme, namentlich durch die Vernehmung weiterer Zeugen sowie die Einholung eines Sachverständigengutachtens hätten bewiesen werden können.
Die Klage ergehe sich weitgehend in allgemeinen Ausführungen, welche Empfindungen Kinder in der Situation des Insolvenzschuldners allgemein hätten und worunter sie litten. Es sei zwar behauptet worden, der Insolvenzschuldner habe unter ohnmächtiger Wut, tiefer Trauer und hilfloser/irreversibler Verzweiflung gelitten. Es seien aber keine Auswirkungen beschrieben oder Beschwerden behauptet worden, die den Insolvenzschuldner hierdurch betroffen hätten
Vortrag zu etwaigen Symptomen wie Schlaflosigkeit, Weinattacken, körperlichen Beschwerden wie Appetitlosigkeit, Übelkeit, sozialen Beschwerden wie Rückzug aus und ggf. welchen sozialen Teilhaben fehle trotz Hinweis der Kammer gänzlich. Es sei insofern nicht Aufgabe der Kammer, den Insolvenzschuldner als Zeugen dazu auszufragen, welche Beschwerden er gehabt habe, sondern Aufgabe des Klägers, im Gespräch mit dem Insolvenzschuldner diese Beschwerden herauszufinden und dem Gericht dann als Tatsachenbehauptungen darzulegen. Sodann käme erst eine Beweisaufnahme durch Vernehmung des Insolvenzschuldners und Einholung eines Sachverständigengutachtens in Betracht, denn auch die Aufgabe des gerichtlichen Sachverständigen sei nicht, den Insolvenzschuldner auszufragen und sodann die dabei erhobenen Befunde einem pathologischen Krankheitsbild zuzuordnen und die kausale Verknüpfung zu der Tat des Beklagten zu untersuchen.
Auch die Anlagen zum Schriftsatz vom 29.05.2024 führten zu keinem anderen Ergebnis, da die Bezugnahme auf diese zum einen unzulässig sei, diese aber auch unergiebig seien. Aus dem Gesprächsvermerk des Klägers gingen keine Beschwerden des Insolvenzschuldners hervor, dieser habe danach lediglich geäußert, dass er das Zivilverfahren als durchaus belastend empfinde.
Auch die als Anlage K 4 eingereichten Berichte der Klinik1 enthielten keine konkreten Beschwerden. Dem Bericht vom 23.10.2023 sei insoweit lediglich zu entnehmen, dass der Insolvenzschuldner das Behandlungsteam um Gespräche zur emotionalen Entlastung gebeten habe, dies vor allem im Zusammenhang mit milieutherapeutischen Schwierigkeiten und dem Mordprozess gegen den Beklagten.
Im Schreiben vom 08.03.2023 werde zwar von einer Belastung des Insolvenzschuldners durch vielfältige Faktoren berichtet, darunter auch der erste Todestag seiner Mutter und der Mordprozess gegen den Stiefvater, also den Beklagten. Konkrete Beschwerden, die hierdurch ausgelöst worden seien, seien aber auch diesem Bericht nicht zu entnehmen.
In dem eingereichten Entwurf begründet der Kläger seine Berufung wie folgt:
Es werde auf den gesamten erstinstanzlichen Sach- und Rechtsvortrag Bezug genommen.
Das Landgericht habe sich mit § 844 Abs. 3 BGB und der Entscheidung des OLG Frankfurt am Main vom 19.07.2012, nach der 10.000,- Euro als Richtschnur beim Hinterbliebenengeld anzusehen seien, nicht auseinandergesetzt.
Die Entscheidung werde zudem für unzutreffend, unpraktikabel, unverhältnismäßig und unzumutbar gehalten. Es könne aus emotionalen, tatsächlichen und wirtschaftlichen Gründen nicht die Aufgabe des Kindes eines vorsätzlich getöteten Elternteils sein, Detailumstände zu benennen, die sich aus der Differenz bzw. dem Delta ergäben, dass das Elternteil nicht eines natürlichen Todes gestorben sei.
In diesen Fällen sei es vielmehr Aufgabe der Rechtsprechung, angemessene Beträge herauszuarbeiten und sie den damit befassten Rechtsanwälten an die Hand zu geben. Dies gebiete bereits die Prozessökonomie, eine dahingehende Rechtsfortbildung sei nötig und zulässig.
Es sei auch prozessual unzulässig, den im Termin am 08.07.2024 anwesenden Insolvenzschuldner nicht persönlich als Zeuge anzuhören. Ein Sachverständigengutachten möge falls erforderlich eingeholt werden, wenngleich ihm der dahingehende Beweisantritt zu Lasten der hessischen Staatskasse aufgrund der Relation der Tat des Beklagten einerseits und des ausgesprochen zurückhaltend bemessenen Klagebetrages andererseits widerstrebe.
Der Kläger beantragt,
ihm Prozesskostenhilfe für den zweiten Rechtszug unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten zu gewähren.
Der Kläger kündigt im beigefügten Entwurf einer Berufungsbegründung für den Fall der Gewährung von Prozesskostenhilfe folgende Berufungsanträge an:
Der Beklagte wird unter Aufhebung der Entscheidung des Landgerichts Gießen vom 30.09.2024, Az.: 2 0 241/23 verurteilt, an den Kläger als Insolvenzverwalter 15.000,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zurückzuweisen.
Il.
Dem Kläger war in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren zu gewähren.
Die Voraussetzungen des § 116 Satz 1 Ziff. 1 ZPO sind glaubhaft gemacht.
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat Aussicht auf Erfolg, soweit sie auf eine angemessene Entschädigung in Geld in Höhe von € 10.000,- nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit gerichtet ist. Im Übrigen hat die Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg.
1. Zwar hat das Landgericht mit Recht einen Anspruch gemäß § 823 Abs. 1 BGB unter dem Aspekt eines sogenannten Schockschadens verneint Der Kläger hat nicht hinreichend dargelegt, dass durch die Handlung des Beklagten bei ihm selbst eine Rechtsgutsverletzung in Form einer krankheitswertigen Gesundheitsbeeinträchtigung (vgl. Grüneberg/Grüneberg, BGB 83. Auflage, vor § 249 Rn. 40) eingetreten ist. Die pauschale Behauptung einer Anpassungsstörung ist hierfür ebenso wenig ausreichend wie die schlagwortartige Benennung von Zuständen wie Trauer und Verzweiflung, welche beim Insolvenzschuldner vorgelegen hätten.
Auch durch die Inbezugnahme der Stellungnahmen aus der Unterbringung des Insolvenzschuldners vom 08.03.2023 und 23.10.2023 ist eine eigene krankheitswertige Beeinträchtigung nicht hinreichend dargelegt. Es ergibt sich ein auf die Tötung der Mutter des Insolvenzschuldners zurückzuführendes Krankheitsbild aus diesen Berichten, da insoweit lediglich von einer allgemein beschriebenen Belastung die Rede ist.
2. Das Landgericht hat sich jedoch, worauf der Kläger mit Recht hinweist, nicht mit einem Anspruch auf Zahlung eines sog. Hinterbliebenengeldes gemäß § 844 Abs. 3 BGB auseinandergesetzt. Ein solcher steht dem Insolvenzschuldner jedoch zu.
Gemäß § 844 Abs. 3 BGB kann der Hinterbliebene, der zu dem Getöteten in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis stand, für das ihm zugefügte seelische Leid eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen.
Dabei knüpft das Hinterbliebenengeld - anders als der Schockschaden - auf der Ebene der Haftungsbegründung an die Verletzung eines fremden Rechtsguts, des in § 823 Abs. 1 BGB explizit genannten Lebens des Versicherten, an und sucht erst auf der Ebene der Haftungsausfüllung den eigenen Gefühlsschaden der Hinterbliebenen zu entschädigen (s. BGH, Urteil vom 08.02.2022 - VI ZR 3/21 BGHZ 233, 1, Rn. 33).
a. Der Anspruch setzt neben der außervertraglichen Haftung des Schädigers für eine Tötung nach den 823 ff. BGB (BeckOGK/Eichelberger, 1.10.2024, § 844 BGB, Rn. 200) lediglich ein Näheverhåltnis voraus, welches allerdings zwischen dem Getöteten u.a. zu - wie hier - einem Kind vermutet wird.
Eine Widerlegung dieser gesetzlichen Vermutung ist nicht erfolgt. So hat der Beklagte zwar eine Beziehung zwischen dem Insolvenzschuldner und dessen Mutter bestritten, insofern aber keinen Beweis angeboten.
b. Das zu zahlende Hinterbliebenengeld ist indes nach Auffassung des Senats lediglich in Höhe von € 10.000,- schlüssig begründet.
Das Hinterbliebenengeld soll einen gewissen Ausgleich für die immateriellen Nachteile, nämlich die seelischen Beeinträchtigungen bieten, die durch den Tod einer geliebten Person eintreten. Daneben soll dem Gedanken Rechnung getragen werden, dass der Schädiger dem Hinterbliebenen für das, was er ihm durch die Herbeiführung des Todes einer geliebten Person angetan hat, Genugtuung schuldet. Vor diesem Hintergrund sind maßgebend für die Höhe der Hinterbliebenenentschädigung im Wesentlichen die Intensität und Dauer des erlittenen seelischen Leids und der Grad des Verschuldens des Schädigers. Dabei lassen sich aus der Art des Näheverhältnisses, der Bedeutung des Verstorbenen für den Anspruchsteller und der Qualität der tatsächlich gelebten Beziehung indizielle Rückschlüsse auf die Intensität des seelischen Leids ableiten (BGH, Urteil vom 23.05.2023 - VI ZR 161/22 NJW 2023, 2878, 2879).
Als „Orientierungshilfe" ist der in der Gesetzesbegründung zur Kostenabschätzung angeführte Durchschnittsbetrag von € 10.000,- (BT-Drs. 18/11397, 11) anerkannt, von der im Einzelfall sowohl nach unten als auch nach oben abgewichen werden kann (s. BGH, Urteil vom 06.12.2022 - VI ZR 73/21 BGHZ 235, 254, Rn. 18 m. w. N.). Der Betrag soll aber im Regelfall hinter dem zurückbleiben, der ihm zustände, wenn das von ihm erlittene seelische Leid die Qualität einer Gesundheitsverletzung hätte (BGH, a.a.O., Rn. 21).
In der obergerichtlichen Rechtsprechung sind etwa Beträge von € 15.000,- (Verlust eines minderjährigen Kindes durch Unfall mit messbaren Krankheitsfolgen (Anpassungsstörung und leichte Depression, s. OLG Celle, Urteil vom 24.08.2022 - 14 U 22/22 NJW-RR 2022, 1472, 1477), € 12.000,- (Unfalltod des Vaters bei prägender Beziehung und gelebter Hausgemeinschaft, s. OLG Köln, Urteil vom 05.05.2022 - 1-18 U 168/21 -, juris, Rn. 39,) oder auch lediglich € 8.000,- (Tod der Schwiegertochter durch Arbeitsunfall bei elternähnlichem Verhältnis, s. OLG Koblenz, Urteil vom 21.12.2020 12 U 711/20 -, r+S 2021, 115) zuerkannt worden.
aa. Hier ist angesichts der dürftigen Angaben des Klägers zu dem Verhältnis des Insolvenzschuldners zur Getöteten und insbesondere auch zu den seelischen Folgen bei ihm jedenfalls kein Abweichen nach oben geboten. Zwar ergibt sich aus den Stellungnahmen aus dem Verfahren nach § 67e StGB eine auch länger andauernde Belastung durch den Tod seiner Mutter, deren Ausprägung und Intensität jedoch ebenso wenig näher dargelegt sind wie die konkrete Ausgestaltung der persönlichen Beziehung zu seiner Mutter.
bb. Das Verschulden des Beklagten ist andererseits wegen der vorsätzlichen Tötung, die nach dem unwidersprochenen Vortrag des Klägers strafrechtlich sogar als Mord zu qualifizieren war, denkbar hoch. Für die Tötung durch vorsätzliche Gewalttat sind in Einzelfällen z. B. 20.000,- zugesprochen worden (Tötung eines minderjährigen Kindes, LG Dessau-Roßlau, Urteil vom 22.10.2021 - 4 0 220/20 -, juris). Der Senat verkennt insofern nicht, dass aufgrund der erheblichen Unterschiede der Einzelfälle eine schematische Einordnung nicht möglich ist.
Bei der Abwägung der einerseits nur oberflächlich und holzschnittartig dargestellten Leidenssituation des Insolvenzschuldners und des Verschuldensgrades des Beklagten andererseits erscheint nach dem klägerischen Vortrag danach ein Hinterbliebenengeld in Höhe von € 10.000,- angemessen, vor allem da der Komponente des seelischen Leids schon aufgrund ihrer Nennung im gesetzlichen Tatbestand mehr Gewicht zukommt als der Genugtuungsfunktion.
cc. Auch unter dem Aspekt, dass in Schmerzensgeldfällen der Kläger - auch betreffend die Gewährung von Prozesskostenhilfe - einen Betrag verlangen kann, den das Gericht letztlich möglicherweise für überhöht erachtet, jedenfalls solange sich der Antrag des Klägers noch in einem vertretbaren Rahmen bewegt (vgl. etwa OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 04.02.2019- 8 W 48/17 juris, Rn. 30), da schon durch die Antragstellung ein psychologischer „Ankereffekt" beim Gericht eintritt, ist hier keine andere Entscheidung geboten.
Zum einen ist das Hinterbliebenengeld weniger eng mit konkret fassbaren medizinischen Beeinträchtigungen verknüpft als der Anspruch auf Schmerzensgeld, zum anderen hat hier der Kläger das persönliche Verhältnis wie auch das seelische Leid des Insolvenzschuldners so knapp dargelegt, insbesondere keine konkreten Beeinträchtigungen vorgetragen, dass eine abweichende Abwägung einzelner Aspekte im Hauptverfahren fernliegend erscheint.
Die Kosten des zweiten Rechtszugs können auch aus der verwalteten Vermögensmasse nicht aufgebracht werden. Ebenso wenig ist es den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten zuzumuten, die Kosten aufzubringen.
RechtsgebietBGBVorschriften§ 844 Abs 3 BGB