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  • 16.07.2018 · IWW-Abrufnummer 202357

    Oberlandesgericht München: Beschluss vom 19.02.2018 – 33 UF 1152/17

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Tenor:

        1.

        Auf die Beschwerde des Annehmenden wird der Beschluss des Amtsgerichts München vom 20.2.2017 wie folgt abgeändert:

        Der Anzunehmende E. O., geboren am ... 2014 in ..., wird von dem Annehmenden J. O., geboren am ...1974 als Kind angenommen. Der Anzunehmende erlangt durch die Annahme die rechtliche Stellung eines gemeinschaftlichen Kindes des Annehmenden und des Ehepartners des Annehmenden P. O., geboren am ...1970. Das Kind behält den Geburtsnamen "O. ".
        2.

        Das Verfahren 1. und 2. Instanz ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten der Beteiligten werden nicht erstattet.

    Gründe

    I.

    Der Annehmende und der Vater des Anzunehmenden stellten in der Ukraine Kontakt zur Mutter des Anzunehmenden, Frau Y. R., geboren ...1982, her und vereinbarten mit ihr, dass diese für Herrn P. O. ein Kind austragen solle. Die Schwangerschaft wurde im Wege der künstlichen Befruchtung unter Verwendung von Samenzellen des Vaters und Eizellen einer Spenderin, die durch eine Kinderwunschklinik vermittelt wurden, herbeigeführt. Die Eizellspenderin ist dem Vater und dem Annehmenden nicht bekannt, die Klinik besitzt jedoch die Personendaten der Eizellspenderin, welche vom Kind nach Erreichen des 18. Lebensjahres angefordert werden können.

    Am ...2014 wurde E. in C. / Ukraine als Kind des P. O. und der Y. R. geboren. Am 10.9.2014 erkannte P. O. die Vaterschaft vor den ukrainischen Behörden an. Am gleichen Tag erklärte die Mutter zur Urkunde der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Kiew die Zustimmung zur Vaterschaftsanerkennung sowie ihr Einverständnis, dass das Kind die deutsche Staatsbürgerschaft annimmt, und erteilte dem Vater umfassende Vollmacht zur elterlichen Sorge.

    Sogleich nach der Geburt des Kindes übernahmen der Vater und der Annehmende die Betreuung und Versorgung des Kindes und leben mit ihm seit ihrer Rückkehr nach Deutschland in einem gemeinsamen Haushalt in M.

    Am 10.10.2014 haben der Annehmende und der Vater von E. vor dem Standesamt G. die Lebenspartnerschaft begründet, am 05.01.2018 schlossen sie vor dem Standesamt G. die Ehe.

    Mit notarieller Urkunde des Notars Dr. G. in M. vom 29.4.2015 (UrNr. G ...15/15) hat der Annehmende beantragt, die Annahme des Kindes durch ihn auszusprechen.

    Am 7. August 2017 erklärte die Mutter des Kindes ihre Einwilligung zur Adoption.

    Das Jugendamt der Stadt M. hat sich am 5.10.2015 gegen die Adoption ausgesprochen. Die Adoption sei zwar dem Kindeswohl dienlich. Hier sei aber § 1741 Abs. 1 S. 2 BGB anwendbar und aufgrund der Möglichkeit eines " kleinen Sorgerechts" gemäß § 1687 Abs. 1 S. 3 BGB sei die Adoption für das Kindeswohl nicht erforderlich. Das Landesjugendamt schloss sich dem am 26.10.2016 an.

    Das Amtsgericht München hat den Antrag am 20.2.2017 abgelehnt, weil zum Zeitpunkt der amtsgerichtlichen Entscheidung keine Einwilligung der Mutter in die Adoption vorlag und diese auch nicht gemäß § 1747 Abs. 4 BGB entbehrlich sei. Ob die Voraussetzungen einer Ersetzung der Einwilligung gemäß § 1748 BGB vorlägen, könne dahinstehen, da § 1741 Abs. 1 S. 2 BGB anzuwenden und die Adoption nicht erforderlich für das Kindeswohl sei.

    Mit Schreiben vom 20.3.2017 legte der Annehmende Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts München ein und begründete dies damit, § 1741 Abs. 1 S. 2 BGB sei nicht anwendbar, weil Gesetzes- oder Sittenwidrigkeit der Adoption nicht vorliege. Auch sei die Adoption zum Wohl des Kindes erforderlich, weil nur dadurch eine verlässliche rechtliche Zuordnung zu beiden Elternteilen verschafft werde und die Zuordnung zu der Frau aufgehoben werde, die nach ukrainischem Recht gar nicht die Mutter und auch weder in der Lage noch Willens zu einer kindschaftsrechtlichen Beziehung zu dem Kind sei.

    II.

    Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Die Voraussetzungen für die beantragte Annahme sind erfüllt.

    1. Die Annahme als Kind ist gemäß § 1741 Abs. 1 BGB zulässig.

    a) Zwischen dem Annehmenden und dem Kind besteht ein Eltern-Kind-Verhältnis im Sinne des § 1741 Abs. 1 S. 1 BGB.

    Der Annehmende nimmt wie der Vater Aufgaben wahr, die normalerweise den natürlichen Eltern obliegen. So hat er E. seit seiner Geburt betreut und versorgt. Er ist in Elternzeit und hat die Eingewöhnung von E. in die Kinderkrippe übernommen. Der fachlichen Äußerung des Jugendamts vom 5.10.2015 ist zu entnehmen, dass E. von beiden Vätern und deren Herkunftsfamilien behütet und geliebt wird. Der Annehmende ist im Leben des Kindes von Beginn an ebenso präsent und wichtig gewesen wie der Vater und hat eine vertrauensvolle und sichere Beziehung zum Kind.

    Es besteht daher kein Zweifel, dass der Annehmende neben dem Vater als Elternteil fungiert und zwischen ihm und dem Anzunehmenden ein Eltern-Kind-Verhältnis besteht und sich weiter verfestigen wird.

    b) Auch unter dem Aspekt des Kindeswohls ist die Annahme zulässig.

    (1) Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Annahme im Sinne des §§ 1741 Abs. 1 S. 2 BGB zum Wohl des Kindes erforderlich ist.

    Die hier vorliegende Konstellation, dass das Kind mit Hilfe einer Leihmutter unter Verwendung einer anonymen Eizellspende im Ausland geboren wurde, führt nicht zur Anwendbarkeit des § 1741 Abs. 1 S. 2 BGB. Bei Zuhilfenahme von Eizellspende und Leihmutterschaft handelt es sich nicht um eine gesetzes- oder sittenwidrige Vermittlung oder Verbringung eines Kindes zum Zwecke der Annahme.

    (a) Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Norm.

    Zwar kann nicht darauf abgestellt werden, dass § 1741 Abs. 1 S. 2 BGB die Vermittlung eines Kindes voraussetzt, während die Beschaffung einer Eizellspende und Beauftragung einer Leihmutter sich im Vorfeld der Geburt abspielt, also zu einem Zeitpunkt, zu dem ein Kind noch nicht entstanden ist (so OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.3.2017 - II-1 UF 10/16, zitiert nach juris Rdn. 18). Es kann keinen Unterschied machen, ob ein Kind bereits geboren ist, um eine gesetzeswidrige Vermittlung im Sinne des § 1741 Abs. 1 S. 2 BGB anzunehmen. Denn denkbar ist auch, dass ein noch ungeborenes Kind bereits über einen Kinderhändler verkauft und an Wunscheltern vermittelt wird, weshalb der Ausschluss der Anwendbarkeit darauf nicht gestützt werden kann (Biermann, NZFam 2017, 407 - 408).

    Allerdings fällt die Mitwirkung an einer im Inland verbotenen, im Ausland jedoch zulässigen Eizellspende und Leihmutterschaft mit anschließender Verbringung des Kindes ins Inland nicht unter § 1741 Abs.1 S. 2 BGB, weil nicht die Verbringung des Kindes, sondern Eizellenspende und Leihmutterschaft gegen inländische Sachrecht verstößt (so auch MüKo/Maurer § 1741 Rdn. 158).

    (b) Auch der Normzweck des § 1741 Abs. 1 S. 2 BGB rechtfertigt keine abweichende Beurteilung.

    Grund für die verschärfte Regelung, statt einer Kindeswohldienlichkeit, wie beim in § 1741 S.1 BGB normierten Regelfall der Adoption, bei einer sitten- oder gesetzeswidrigen Vermittlung die Erforderlichkeit für das Kindeswohl zum Maßstab zu machen, ist der Gedanke, dass die Annahme durch einen am Kinderhandel oder vergleichbaren Praktiken beteiligten Annahmewilligen der Rückführung oder der Pflege des Kindes in einer anderen Familie deutlich vorzuziehen sein muss (MüKo/Maurer § 1741 Rdn. 31). Zumindest in dem Fall, in dem das Kind wenigstens von einem Mitglied des Wunschelternteilpaares genetisch abstammt, ist eine Herauslösung des Kindes aus einem natürlichen Familienverbund jedoch nicht denkbar, wird doch ein solcher Familienverbund im Verhältnis zu der Leihmutter typischerweise von vornherein nicht begründet, sondern werden die familiären Bande sogleich nach der Geburt zu den Wunscheltern geknüpft. Der Sachverhalt bei Leihmutterschaft wird daher vom Gesetzeszweck des § 1741 Abs.1 S.2 BGB, dessen Hintergrund die Abwägung zwischen neuer Familie und Herkunftsfamilie ist, nicht erfasst.

    Das Ziel des Gesetzgebers, Leihmutterschaften zu verhindern, das Ausdruck sowohl im Adoptionsvermittlungsgesetz wie im Embryonenschutzgesetz gefunden hat, kann nicht zu einer anderen Bewertung führen. Zwar wäre der Anreiz, ein Kind mittels Leihmutter im Ausland zur Welt bringen zu lassen, gewiss gemindert, wenn die Adoption des so geborenen Kindes in Deutschland nur unter der erhöhten Anforderung der Erforderlichkeit für das Kindeswohl möglich wäre. Diese Erwägungen können jedoch im Rahmen des § 1741 Abs. 1 BGB nicht berücksichtigt werden. Adressaten der erwähnten Vorschriften sind die Berufsträger und Kliniken, daneben ggf. die Eltern, aber keinesfalls die Kinder, die der Durchführung einer solchen Behandlung ihrer Existenz verdanken. Auf die Vermeidung von Leihmutterschaften gerichtete generalpräventive Erwägungen rechtfertigen keine Maßnahmen, die dem von einer Leihmutter geborenen, nunmehr als Rechtsträger in die Betrachtung einzubeziehenden Kind zum Nachteil gereichen, indem sie seine verlässliche rechtliche Zuordnung zu den Eltern als den Personen, die für sein Wohl und Wehe kontinuierlich Verantwortung übernehmen, erschweren (vgl. BGH, FamRZ 2015, 240,Rdn. 45 ff). Bei der Bewertung des Adoptionsbegehrens kommt es einzig auf das Wohl des Kindes und die Prognose des Entstehens eines Eltern-Kind-Verhältnisses an.

    (c) Auch im Hinblick auf die betroffenen Grundrechte des Kindes ist § 1741 Abs. 1 S. 2 BGB verfassungs- und konventionskonform dahingehend auszulegen, dass die Norm die Adoption eines mithilfe einer Leihmutter zur Welt gebrachten Kindes nicht erfasst. Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 2 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleisten das Recht des Kindes, eine rechtliche Eltern-Kind- Verbindung zu zwei Elternteilen begründen zu können, was durch die im Heimatland der Leihmutter rechtlich nicht wirksame Verwandtschaft zu dieser nicht gegeben ist (BGH FamRZ 2015,240 Rdn. 56). Wird die Adoption versagt, liegt darin daher ein Eingriff in die genannten Rechte des Kindes, der einer besonderen Rechtfertigung bedarf. Ließe man die Adoption des von einer Leihmutter geborenen Kindes nur ausnahmsweise im Einzelfall zu, wenn die Adoption sich als zum Wohl des Kindes erforderlich erweist, würde man dem nicht gerecht (so zutreffend OLG Düsseldorf, aaO Rdn. 22).

    (d) Letztlich entscheidend ist aus Sicht des Senats, dass die gesetzlichen Regelungen der Adoptionsvermittlung am Kindeswohlprinzip ausgerichtet sind, wie es in § 1697 a BGB normiert ist. Danach ist diejenige Entscheidung zu treffen, die dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Eine Entscheidung, die dem Wohl des Kindes am besten entspricht, muss nicht zwingend auch erforderlich für das Kindeswohl sein. Der insoweit systemwidrige strengere Maßstab der Erforderlichkeit für das Kindeswohl statt der Kindeswohldienlichkeit in § 1741 Abs.1 S.2 BGB muss in diesem Lichte als Ausnahmevorschrift restriktiv angewandt werden.

    Generalpräventive Erwägungen, wie das Ziel der Verhinderung von Leihmutterschaft und Eizellspende, dürfen im Rahmen des § 1741 Abs.1 BGB nicht zum Tragen kommen.

    2) Voraussetzung für ihre Zulässigkeit ist daher lediglich, dass die Adoption dem Kindeswohl dient, § 1741 Abs. 1 S. 1 BGB.

    Dies ist gegeben, wenn die Annahme die Lebensbedingungen des Kindes so ändert, dass eine merklich bessere Entwicklung seiner Persönlichkeit zu erwarten ist (vgl. Staudinger/Frank § 1741 Rdn. 27). Der Kindeswohldienlichkeit steht nicht entgegen, dass die Kinder von einer Leihmutter geboren wurden. In einem solchen Fall gehört es vielmehr zum Kindeswohl, dass die Kinder auch dem zweiten Wunschelternteil verlässlich rechtlich zugeordnet werden (vgl. BGH, FamRZ 2015, 240 Rdn. 54 ff).

    Danach ist die beantragte Annahme kindeswohldienlich. Eine merklich bessere Entwicklung der Persönlichkeit des Kindes durch die Annahme ist zu erwarten, da seine Aufnahme in den Familienverbund mit dem Vater und dem Annehmenden abgesichert und unter den Schutz des Familienrechts gestellt wird. Dem Kind wird damit ein beständiges verlässliches Zuhause verschafft. Die für die seelische Entwicklung des Kindes wichtige Stabilität der rechtlichen Beziehungen besteht damit nicht nur zu einem, sondern zu zwei Elternteilen, was insbesondere bei Ausfall des ansonsten einzigen zur Verfügung stehenden Elternteils bedeutsam wird.

    2. Die erforderlichen Einwilligungen zur Annahme liegen vor.

    a) Das Kind hat, vertreten durch den Vater, mit Erklärung gegenüber dem Notar Dr. G. vom 29.4.2015 gemäß § 1746 Abs. 1 S. 2 BGB wirksam in die Annahme eingewilligt. Der Vater war zur Vertretung des Kindes befugt, nachdem er am 10.9.2014 die Vaterschaft anerkannt hatte und die Mutter am gleichen Tag die Zustimmung zur Vaterschaftsanerkennung erklärte, sowie dem Vater umfassende Vollmacht zur elterlichen Sorge erteilte.

    b) Der Vater hat durch Erklärung gegenüber dem Notar Dr. G. vom 29.4.2015, die Mutter durch Erklärung vom 7.8.2017 gegenüber dem Stadtnotariat in C. / Ukraine gemäß § 1747 Abs. 1 S. 1 BGB wirksam in die Adoption eingewilligt.

    c) Der Vater hat mit Erklärung gegenüber dem Notar Dr. G. vom 29.4.2015 als Lebenspartner des Annehmenden gemäß § 9 Abs. 6 S. 1 LPartG wirksam in die Annahme eingewilligt.

    3. Das Kind erhält durch diesen Beschluss die rechtliche Stellung eines gemeinschaftlichen Kindes des Vaters und des Annehmenden, § 1754 Abs. 1 BGB. Die elterliche Sorge steht den Ehepartnern gemeinsam zu § 1754 Abs. 3 BGB.

    4. Das Kind behält seinen Geburtsnamen O. .Dies ist auch der Familienname des Annehmenden, § 1757 Abs.1 S.1 BGB.

    III.

    Die Kostenentscheidung beruht auf Anmerkung 1.3.2 Abs.1 FamGKG-KV, § 81 Abs.1 S.1 FamFG.

    Vorschriften§ 1741 Abs. 1 S. 1 BGB § 1741 Abs. 1 S. 2 BGB