Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 07.11.2016 · IWW-Abrufnummer 189700

    Oberlandesgericht Bremen: Urteil vom 13.04.2016 – 5 UF 17/16

    Im Rahmen eines Umgangsverfahrens kann der umgangsberechtigte Elternteil keine unmittelbare Beteiligung an den Kosten der Ausübung seines Umgangsrechts von dem betreuenden Elternteil verlangen.


    Tenor:

    Die Beteiligten werden darauf hingewiesen, dass der Senat Zweifel hat, ob - wie im vorliegenden Fall geschehen - im Rahmen eines Umgangsverfahrens (Kindschaftssache) vom umgangsberechtigten Elternteil eine unmittelbare Beteiligung des betreuenden Elternteils an den Kosten der Ausübung des Umgangsrechts verlangt und in der von dem Familiengericht gewählten Weise eine entsprechende Zahlungsverpflichtung ausgesprochen werden kann.

    Eine gesetzliche Regelung der Frage, von wem, in welcher Weise und in welcher Höhe die Umgangskosten zu tragen sind, existiert nicht. Grundsätzlich hat der Umgangsberechtigte die üblichen Kosten des Umgangs selbst zu tragen hat und kann sie weder unmittelbar im Wege einer Erstattung noch mittelbar im Wege einer Einkommensminderung geltend machen (BGH FamRZ 1995, 215). Nach dem vom Familiengericht in der angefochtenen Entscheidung zitierten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 5.2.2002 (FamRZ 2002, 809) müssen die Gerichte in Fällen, in denen die Eltern sich - im Übrigen anders als im vorliegenden Fall - nicht über die Ausübung des Umgangsrechts einigen können, beachten, ob die konkrete Umgangsregelung im Einzelfall dazu führt, dass der Umgang für den nichtsorgeberechtigten Elternteil unzumutbar und damit faktisch vereitelt wird. Hierzu kann es insbesondere dann kommen, wenn der Umgang aufgrund der unterschiedlichen Wohnorte der Eltern nur unter einem erheblichen Zeit- und Kostenaufwand ausgeübt werden kann. In diesen Fällen obliegt es den Gerichten zu prüfen, ob der sorgeberechtigte Elternteil anteilig zur Übernahme des für das Holen und Bringen der Kinder zur Ausübung des Umgangsrechts erforderlichen zeitlichen und organisatorischen Aufwandes zu verpflichten ist, um hierdurch einer faktischen Vereitelung des Umgangsrechts vorzubeugen. In diesem vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall ging es konkret um die Verpflichtung der das Kind betreuenden Kindesmutter, die Kinder zum Flughafen zu bringen und von dort abzuholen.

    Soweit aus dieser Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der sich aus § 1684 Abs. 2 BGB ergebenden Wohlverhaltenspflicht der Eltern das OLG Brandenburg in seiner Entscheidung vom 15.10.2009 (Gesch.-Nr.: 9 UF 61/09, juris = NJW-RR 2010, 148 [OLG Brandenburg 15.10.2009 - 9 UF 61/09]), der das Familiengericht den zweiten und dritten Absatz der Gründe der angefochtenen Entscheidung entnommen hat, ohne dies zu kennzeichnen, die Verpflichtung des betreuenden Elternteils zur unmittelbaren anteiligen Übernahme der Umgangskosten herleitet (ähnlich OLG Nürnberg FamRZ 2014, 858: Bezahlung jedes dritten Fluges durch den betreuenden Elternteil), bestehen dagegen aus Sicht des Senats Bedenken. Die sich aus § 1684 Abs. 3 S. 1 und 2 BGB ergebende Regelungsbefugnis des Familiengerichts betreffend das Umgangsrecht schließt dem Wortlaut der Vorschrift nach die Frage der Kostentragung ersichtlich nicht ein. Das Bundesverfassungsgericht hat in der Entscheidung vom 5.2.2002 auch lediglich eine Beteiligung des betreuenden Elternteils am zeitlichen und organisatorischen - nicht: finanziellen - Aufwand in Betracht gezogen. Lediglich um eine derartige Beteiligung ging es im Übrigen auch in den vom OLG Brandenburg in der o. g. Entscheidung zitierten Entscheidungen des OLG Schleswig vom 3.2.2006 (FamRZ 2006, 881), des OLG Dresden vom 7.2.2005 (FamRZ 2005, 927), des OLG Brandenburg vom 22.5.2008 (FamRZ 2009, 131) sowie des Kammergerichts vom 28.10.2005 (FamRZ 2006, 878). Zwar beinhaltet auch die Beteiligung des betreuenden Elternteils am zeitlichen und organisatorischen Aufwand in den meisten Fällen mittelbar zugleich eine Beteiligung am finanziellen Aufwand für die Durchführung der Umgangskontakte. Denn auch das Bringen und Abholen des Kindes, etwa zum Ort der Durchführung des begleiteten Umgangs, ist regelmäßig mit Fahrtkosten verbunden, was von der Kindesmutter auf Seite 6 der Beschwerdebegründung vom 28.12.2016 ja auch geltend gemacht wird. Gleichwohl stellt die Anordnung einer entsprechenden Beteiligung des betreuenden Elternteils am zeitlichen und organisatorischen Aufwand mit mittelbaren finanziellen Auswirkungen etwas anderes dar als die unmittelbare Verpflichtung, Kostenbeiträge an den Umgangsberechtigten zu leisten.

    Für einen Anspruch auf unmittelbare Erstattung der Kosten des Umgangs vom anderen Elternteil fehlt eine gesetzliche Grundlage (Johannsen/Henrich/Jaeger, Familienrecht, 6. Aufl., § 1684 BGB Rn. 30). Ob sich dessen ungeachtet (etwa aus § 242 BGB) ein derartiger Anspruch begründen ließe, kann hier dahinstehen. Denn wenn dies der Fall wäre, könnte der Anspruch jedenfalls nicht im Rahmen eines Umgangsverfahrens geltend gemacht werden. Vielmehr dürfte es sich dann um einen aus dem Umgangsrecht herrührenden Anspruch i. S. des § 266 Abs. 1 Nr. 5 FamFG und damit um eine sonstige Familiensache (Familienstreitsache) handeln, für die völlig andere verfahrensrechtliche Regeln gelten (vgl. Prütting/Helms/Heiter, FamFG, 3. Aufl., § 266 Rn. 59). Dies gilt zumindest dann, wenn die Kosten nicht unterhaltsrechtlich berücksichtigt werden sollen (vgl. Heiß, FPR 2011, 96, 99).

    Grundsätzlich handelt es sich aber nach Auffassung des Senats bei der Frage der Tragung von Aufwendungen für die Ausübung des Umgangsrechts um eine Frage von unterhaltsrechtlicher Relevanz, die dort primär auf der Ebene der Leistungsfähigkeit zu prüfen ist. Entsprechende Aspekte sind daher im Unterhaltsverfahren und dort gegebenenfalls in einem Abänderungsverfahren nach §§ 238 ff. FamFG zu prüfen (vgl. Völker/Clausius, FamRMandat - Sorge und Umgangsrecht, § 2 Rn. 149). Dies gilt unabhängig von der Frage, ob die Kosten des Umgangs als Bedarf des Kindes (so etwa Theurer, FamRZ 2004, 1619, 1621) oder als Bedarf des Umgangsberechtigten (so etwa MAH Familienrecht/Rakete-Dombek/Kretzschmar, 4. Aufl., § 14 Rn. 57) einzuordnen sind. Nach der Rechtsprechung des BGH sind angemessene Umgangskosten im Interesse des Kindes zu berücksichtigen, wenn und soweit sie nicht anderweitig, insbesondere aus dem dem unterhaltspflichtigen Elternteil verbleibenden Kindergeldanteil bestritten werden können, wobei die Berücksichtigung entweder durch eine angemessene Minderung des unterhaltsrelevanten Einkommens oder durch eine angemessene Erhöhung des Selbstbehalts des Umgangsberechtigten erfolgen kann (vgl. m. zahlreichen Rspr.-Nachweisen: Liceni-Kierstein, FamRB 2012, 346, 348; s. auch OLG Bremen FamRZ 2008, 1274).

    Dafür, dass eine unmittelbare Beteiligung des betreuenden Elternteils an den Umgangskosten jedenfalls nicht in einem Umgangsverfahren geltend gemacht bzw. zugesprochen werden kann, sprechen im Übrigen unter anderem auch das Beschleunigungsgebot (§ 155 Abs. 1 FamFG), mit dem es nicht vereinbar erscheint, vor Anordnung einer Umgangsregelung zunächst - ähnlich wie in einem Unterhaltsverfahren - eine Prüfung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit beider Elternteile vorzunehmen, der in Umgangsverfahren fehlende Anwaltszwang sowie die Beteiligung des Jugendamts und des Verfahrensbeistands, deren Aufgabe nicht die Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Kindeseltern ist.

    Vor diesem Hintergrund neigt der Senat für den Fall, dass den Kindeseltern keine Einigung im vorliegenden Beschwerdeverfahren gelingt, derzeit dazu, auf die Beschwerde der Kindesmutter den erstinstanzlichen Beschluss mit Ausnahme der darin enthaltenen Kostenentscheidung und Wertfestsetzung aufzuheben. Ein solches Ergebnis würde den Kindeseltern nach Einschätzung des Senats aber nicht weiterhelfen und insbesondere nicht dem im Umgangsverfahren im Mittelpunkt aller Überlegungen stehenden Kindeswohl dienen. Vielmehr würde es im vorliegenden Beschwerdeverfahren zunächst zu einem Obsiegen der Kindesmutter führen und zugleich neuen - mit nicht unerheblichen Aufregungen und Kostenrisiken verbundenen - Konfliktstoff bergen, etwa im Hinblick auf die denkbare Geltendmachung von Umgangskosten in einem Unterhaltsabänderungsverfahren. Es erscheint dem Senat naheliegend, dass dies einer dringend erforderlich erscheinenden Annäherung der Kindeseltern auf der Elternebene nicht zuträglich wäre. Es sollte aber mit Rücksicht auf das Wohl der gemeinsamen Tochter [...] im Interesse beider Kindeseltern liegen, zwischen ihnen bestehende Konflikte möglichst umfassend beizulegen, damit sich der nunmehr behutsam begonnene begleitete Umgang positiv entwickeln kann. Aus diesem Grunde regt der Senat dringend an, dass die Kindeseltern dieses Beschwerdeverfahren beenden, indem sie sich - ohne dass im vorliegenden Verfahren eine abschließende Überprüfung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse erfolgt (ohne die allerdings nach Auffassung des Senats unabhängig von der vorstehend dargestellten Rechtsauffassung des Senats das Familiengericht die angefochtene Entscheidung nicht hätte treffen dürfen) - wenigstens bis zu einer Stabilisierung der Umgangskontakte vorläufig auf eine Regelung hinsichtlich der Kosten des Umgangs verständigen. Dem Senat fällt es allerdings gegenwärtig schwer, einen konkreten Vorschlag zu unterbreiten. Die Kindeseltern werden daher zunächst gebeten, ihrerseits zu prüfen, ob und ggf. in welcher Weise sie unter Berücksichtigung des Inhalts dieses Beschlusses bereit sind, sich in dieser Frage zumindest übergangsweise (z. B. für das Jahr 2016) entgegenzukommen, dem Senat bis zum 6.5.2016 mitzuteilen ob sie einen vermittelnden Vorschlag des Senats in dieser Frage wünschen, und ggf. auch im Übrigen zum Inhalt dieses Beschlusses Stellung zu nehmen. Die Anberaumung eines Erörterungstermins erscheint dem Senat aus Kostengründen derzeit wenig sinnvoll.