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  • 01.09.2025 · IWW-Abrufnummer 249939

    Oberlandesgericht Saarbrücken: Beschluss vom 26.07.2024 – 6 UF 46/24

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Oberlandesgericht Saarbrücken, Beschluss vom 26.07.2024, Az. 6 UF 46/24

    Tenor:

    1. Die Beschwerden der Antragsgegnerin gegen die Beschlüsse des Amtsgerichts - Familiengericht - in Merzig vom 19. März 2024 - 9 F 4/23 SO - und vom 25. März 2024 - 9 F 6/23 SO - werden nach Maßgabe folgender - beide Erkenntnisse zusammenführender - Neufassung zurückgewiesen:

    Unter Zurückweisung des Gegenantrags der Antragsgegnerin werden dem Antragsteller das Aufenthaltsbestimmungsrecht, die Gesundheitsfürsorge, das Recht zur Regelung von Schul- und Kinderbetreuungsangelegenheiten sowie der Antragstellung nach den Büchern des Sozialgesetzbuchs für die beteiligten Kinder allein übertragen.

    2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerderechtszugs unter Ausnahme der im Rechtsmittelverfahren angefallenen Gerichtsgebühren, welche nicht erhoben werden. Für die erste Instanz bewendet es bei der Kostenentscheidung des Familiengerichts.

    Gründe
    I.

    1
    Aus der am 21. Juli 2012 geschlossenen Ehe des im August 1977 geborenen, derzeit 46 Jahre alten Antragstellers (fortan: Vater) und der im Oktober 1978 geborenen, aktuell 45-jährigen Antragsgegnerin (Mutter), beide Deutsche, gingen die beiden zurzeit 10 bzw. 8 Jahre alten beteiligten Söhne - ..., geboren am 5. November 2013, und ..., geboren am 25. November 2015 (im Weiteren: Kinder) -, hervor. Der Vater ist außerdem aus einer vorangegangenen geschiedenen Ehe Vater des am 8. Juni 2006 geborenen ....

    2
    Die Eltern trennten sich am 21. Juni 2020; während der Vater mit ... im ehelichen Hausanwesen, das in seinem Alleineigentum steht, verblieb, zog die Mutter mit beiden Kindern in eine andere Wohnung um. Beide Kinder leben bis heute bei ihr.

    3
    Die Ehe der Eltern wurde im Jahre 2021 durch das Amtsgericht - Familiengericht - in Saarlouis im Verfahren 22 F 164/21 S geschieden. Beide Elternteile haben neue Lebensgefährten; während der Vater und die seinige - die 48 Jahre alte ... - getrennte Haushalte führen, lebt die Mutter seit August 2022 mit dem ihrigen - dem 53 Jahre alten ...- zusammen. Im Haushalt der Mutter war bereits im Mai 2021 eine Familienhilfe installiert worden, außerdem nahmen die Eltern Gespräche bei der Lebensberatung ... wahr. Die Mutter nimmt seit Jahren - nach Bedarf - Psychotherapietermine bei ... in Anspruch; in 2023 fanden dort etwa 6 Sitzungen statt.

    4
    Beide Eltern sind selbständig erwerbstätig; der Vater unterhält eine Versicherungsagentur, die Mutter betreibt seit Januar 2021 eine Hausverwaltung mit 25 Mitarbeitern.

    5
    ... besucht die ... - private staatlich anerkannte Förderschule emotionale und soziale Entwicklung - in ... er ist zum nächsten Schuljahr in die 4. Klasse versetzt worden. Seit der Trennung der Eltern ist er verhaltensauffällig, einschließlich selbstgefährdender Tendenzen und suizidaler Gedanken sowie mehrfacher dahingehender Drohungen. Er hat erhebliche Schulprobleme, deretwegen ihm zeitweise eine Integrationshilfe zur Seite gestellt wurde. Das ... diagnostizierte ihn betreffend im Dezember 2022 Anpassungsstörungen nach ICD F43.2G. Seit November 2023 nimmt er - etwa alle zwei Wochen - Therapiegespräche bei ... wahr. Hiervon erfuhr der Vater erstmals durch eine E-Mail der Mutter vom 26. Januar 2024. ... steht derzeit auf der Warteliste der psychologischen Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin ....

    6
    ... geht auf die ..., ab dem neuen Schuljahr in die 3, Klasse. Er wird logopädisch therapiert; die Behandlung steht kurz vor ihrem Ende.

    7
    In ihrer Freizeit sind ... in der Jugendfeuerwehr ... und einer Thaiboxschule sowie ... in einem Fußball- und einem Turnverein aktiv.

    8
    Im Verfahren 22 F 173/21 UG des Amtsgerichts - Familiengericht - in Saarlouis, das der Vater eingeleitet hatte, nachdem die Mutter im Juni 2021 seinen bis dahin ausgeübten Umgang mit ... und ... ausgesetzt hatte, behauptete die Mutter u.a., seitens des Vaters Gewalt erlitten zu haben. Sie erstattete gegen den Vater mehrere Strafanzeigen; sämtliche Ermittlungsverfahren wurden eingestellt. Das Jugendamt berichtete bereits damals von massiver Manipulation und Instrumentalisierung der Kinder durch beide Eltern. Der Verfahrensbeistand empfahl u.a. die Unterbringung beider Kinder in einer pädagogischen Fünf-Tagesgruppe. Durch gerichtlich gebilligten Vergleich vom 19. Juli 2021 verpflichteten sich die Eltern zu den diesbezüglich erforderlichen Mitwirkungshandlungen und regelten den Umgang des Vaters mit den Kindern sowie - für die Zeit ab Beginn der Unterbringung - denjenigen beider Eltern.

    9
    Diese Unterbringung begann sodann im September 2021. ... kehrte im Februar 2022 - im elterlichen Einvernehmen - in den Haushalt der Mutter zurück; ... wurde von der Mutter später - am 4. März 2022 - eigenmächtig aus der Wohngruppe heraus- und zu sich genommen, was der Vater nachfolgend hinnahm.

    10
    Im Februar 2023 leitete der Vater beim Amtsgericht - Familiengericht - in Merzig das Verfahren 9 F 23/23 EASO ein. Durch Beschluss vom 24. Februar 2023 entzog das Amtsgericht - Familiengericht - in Merzig nach mündlicher Erörterung vom 24. Februar 2023 beiden Eltern vorläufig die Gesundheitssorge und in diesem Rahmen das Aufenthaltsbestimmungsrecht - sowie das Recht zur Regelung schulischer Angelegenheiten und des väterlichen Umgangsrechts und übertrug diese Sorgeteilbereiche dem Kreisjugendamt ... als Ergänzungspfleger. In jenem Erörterungstermin verständigten sich die Eltern darauf, wieder Gespräche bei der Lebensberatung ... aufzunehmen.

    11
    Hintergrund hierfür ist das vorliegende, aufgrund der vom Jugendamt durch die massive Zerstrittenheit der Eltern veranlasste Gefährdungsmitteilung bereits zuvor - unter dem 5. Januar 2023 - eingeleitete Hauptsacheverfahren 9 F 4/23 SO gewesen, in dem die den Kindern bestellte Verfahrensbeiständin erstmals unter dem 14. Februar 2023 dahin berichtet hatte, dass die Einholung eines familienpsychologischen Gutachtens empfohlen werde, zumal der Vater unter dem 11. Januar 2023 das weiter vorliegende Verfahren 9 F 6/23 SO anhängig gemacht hatte, in dem er die alleinige elterliche Sorge - und zuletzt hilfsweise das Aufenthaltsbestimmungsrecht - erstrebt und die Mutter spiegelbildlichen Gegenhaupt- und -hilfsantrag gestellt hat. Das Familiengericht hat in der Folgezeit und bis zum Abschluss der ersten Instanz beide Verfahren parallel geführt und durch Beweisbeschluss vom 24. Februar 2023 die Einholung eines Gutachtens zur Frage der dem Kindeswohl am besten entsprechenden Regelung des Sorgerechts, des Aufenthalts und des Umgangs der Kinder angeordnet sowie die ... zur Sachverständigen bestimmt.

    12
    Während des Laufs der Begutachtung ist ab Mai 2023 erneut eine Unterbrechung des väterlichen Umgangs mit den Kindern eingetreten, wegen welcher der Vater beim Amtsgericht - Familiengericht - in Merzig das Umgangs-Eilverfahren 9 F 75/23 EAUG anhängig gemacht hat. Dieser Umgang ist durch gerichtlich gebilligten Vergleich vom 17. November 2023 - in Abänderung vorangegangener Umgangsregelungen - im Sinne unbegleiteter periodischer Wochenendumgänge sowie von Ferienumgängen geregelt worden.

    13
    Die Sachverständige hat ihr schriftliches Gutachten unter dem 17. Januar 2024 erstattet. Sie hat für beide Kinder die Übertragung des Sorgerechts auf den Vater - sowie deren Aufenthaltnahme in seinem Haushalt - empfohlen und hinsichtlich des künftigen Umgangs der Mutter mit den Kindern die Sicherstellung angemahnt, dass die Mutter anlässlich jener Kontakte die Kinder in Bezug auf den Vater nicht negativ beeinflussen könne; ansonsten werde der Loyalitätskonflikt der Kinder weiter aufrechterhalten, was prognostisch weiter zu hochgradigen Störungen der Kinder führen würde. Ferner müsse sehr schnell eine - dringend notwendige - psychotherapeutische Behandlung für ... in die Wege geleitet werden; auch ... benötige zeitweise professionelle Hilfe.

    14
    Nach Angriffen der Mutter gegen das Gutachten hat das Familiengericht am 29. Februar 2024 beide Kinder persönlich angehört und im Erörterungstermin vom 1. März 2024 das Gutachten ausführlich mündlich erläutern lassen. Die Sachverständige hat ihre Empfehlungen verteidigt und die Einrichtung einer Erziehungsbeistandschaft als sinnvoll bezeichnet.

    15
    Das Jugendamt hat um Schaffung einer Lösung gebeten, die den Aufenthalt beim Vater statt bei der Mutter sichert. Die Verfahrensbeiständin hat keinen Antrag gestellt, aber den Wechsel von ... zum Vater mitgetragen, hinsichtlich ... hat sie dessen außerhäusliche Unterbringung bevorzugt.

    16
    Durch die angefochtenen Beschlüsse, auf welche Bezug genommen wird, hat das Familiengericht

    17
    im Verfahren 9 F 4/23 SO der Mutter die elterliche Sorge für beide Kinder in den Teilbereichen Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge, Regelung von Schul- und Kinderbetreuungsangelegenheiten und Antragstellung nach den Büchern des Sozialgesetzbuchs entzogen und erkannt, dass die elterliche Sorge insoweit dem Vater zusteht, dem es aufgegeben hat, für ... unverzüglich eine Erziehungsbeistandschaft zu beantragen sowie mit dieser zusammenzuarbeiten, ferner

    18
    im Verfahren 9 F 6/23 SO die beiderseitigen Anträge der Eltern - die väterlichen, soweit sie sich nicht durch die Entscheidung in der Parallelsache 9 F 4/23 SO erledigt hätten - zurückgewiesen.

    19
    Mit ihren Beschwerden, welche den Senat veranlasst haben, beide Beschwerdeverfahren durch Beschluss vom 24. April 2024 zur gemeinsamen Behandlung und Entscheidung - unter Führung des Verfahrens 6 UF 46/24 (= 9 F 4/23 SO) - zu verbinden, verfolgt die Mutter - zweitinstanzlich von der Verfahrensbeiständin unterstützt - nur noch ihren erstinstanzlichen Hilfsantrag - diesen allerdings nunmehr als Hauptantrag - weiter.

    20
    Der Vater - der ausdrücklich davon abgesehen hat, die beanstandete Entscheidung vor einer Senatsentscheidung durchzusetzen - bittet um Zurückweisung des Rechtsmittels.

    21
    Der Senat hat die Kinder und die übrigen Beteiligten - sowie die Lebensgefährten beider Elternteile - persönlich angehört und ist in eine erneute mündliche Erläuterung des erstinstanzlich erstatteten Sachverständigengutachtens eingetreten; wegen des Ergebnisses dieser Verfahrensschritte wird auf die Sitzungsniederschrift vom 4. Juli 2024 verwiesen.

    22
    Die Akten 22 F 173/21 UG des Amtsgerichts Saarlouis sowie 9 F 23/23 EASO und 9 F 75/23 EAUG des Amtsgerichts Merzig sind zum Gegenstand des Senatstermins gemacht und bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt worden.

    II.

    23
    Die gemäß 58 ff. FamFG zulässigen Rechtsmittel der Mutter haben in der Sache keinen Erfolg, führen allerdings von Rechts wegen zu der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen - aus den im Verbindungsbeschluss des Senats vom 24. April 2024 dargelegten Gründen notwendigerweise einheitlichen - Sachentscheidung, mit der er auch unter verfahrensrechtlichen Gesichtspunkten nicht weiter zuzuwarten gehalten ist.

    24
    Denn mit dem Ergebnis der Begutachtung und der vom Senat durchgeführten weiteren persönlichen Anhörungen - auch der jeweiligen Lebensgefährten der Eltern - hat der Senat die hier zu Gebote stehenden Aufklärungs- und Prüfungsmöglichkeiten hinsichtlich der entscheidungserheblichen Tatsachen ausgeschöpft und verfügt - unter Beachtung der im vorliegenden Einzelfall maßgeblichen Kindeswohlbelange (BGH FamRZ 2011, 796; 2010, 1060, jeweils m. Anm. Völker) - über eine zuverlässige Grundlage für eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung (siehe zu den insoweit bestehenden Anforderungen im Einzelnen BVerfG FamRZ 2010, 1622; 2009, 291, 399 und 1897; 2007, 105; BGH FF 2012, 67 m. Anm. Völker; BGH FamRZ 2010, 720; Senatsbeschlüsse vom 21. Juni 2023 - 6 UF 37/23 -, vom 18. Februar 2022 - 6 UF 5/22 -, FamRZ 2022, 963, vom 23. Januar 2013 - 6 UF 20/13 -, juris, und vom 3. April 2012 - 6 UF 10/12 -, MDR 2012, 1231, jeweils m.w.N.). Von weiteren Ermittlungen ist ein sachdienliches, die Entscheidung beeinflussendes Ergebnis nicht mehr zu erwarten (BGH FamRZ 2010, 720). Insbesondere hält der Senat - im Bewusstsein der verfassungsrechtlichen Dimension von Art. 6 Abs. 2 GG, welche auch das Verfahrensrecht und seine Handhabung durch den Richter im Kindschaftsverfahren besonders beeinflusst - nach nochmaliger Beratung daran fest, dass er sich trotz der krankheitsbedingten Abwesenheit der Verfahrensbeiständin am Terminstag und somit vor allem bei der dort durchgeführten Kindesanhörung unbeschadet § 159 Abs. 4 S. 3 FamFG nicht gehalten sehen musste, dem - von ihm aus den in der Senatserörterung mitgeteilten Gründen abgelehnten - Vertagungsantrag der Mutter zu entsprechen oder die Kindesanhörung nachträglich im Beisein der Verfahrensbeiständin zu wiederholen. Abgesehen davon, dass die Verfahrensbeiständin selbst einen entsprechenden Antrag weder mit dieser noch mit jener Zielrichtung gestellt hat, bietet - auch - die zweitinstanzliche Kindesanhörung dem Senat eine ausreichend belastbare Grundlage für eine am Kindeswohl ausgerichtete Sachentscheidung, nachdem sie in Anwesenheit der Sachverständigen - und aufgrund von der Mutter angemeldeter Vorbehalte der Kinder gegen deren Person im Beisein auch der vormaligen Ergänzungspflegerin der Kinder - durchgeführt worden ist, zumal der zum Ausdruck gekommene Kindeswille nicht autonom gebildet ist (dazu unten).

    25
    Der Senat hat das schriftliche Gutachten der Sachverständigen - einschließlich seiner mündlichen Erläuterung in beiden Rechtszügen - in diesem und im übrigen Zusammenhang des Einzelfalls - hinsichtlich seiner wissenschaftlichen Begründung, inneren Logik und Schlüssigkeit in alle Richtungen überprüft (BGH FamRZ 2013, 288 und 1648) und, nachdem die Ausführungen der Sachverständigen keine sachfremden Erwägungen erkennen lassen (dazu auch BVerfG FamRZ 2015, 112) und alle Herleitungen nachvollziehbar begründet sind (vgl. Senatsbeschluss vom 4. März 2024 - 6 UF 124/23 -, vom 11. Mai 2015 - 6 UF 18/15 -, juris, und vom 13. Oktober 2011 - 6 UF 108/11 -, juris), zu Beanstandungen keinen Anlass.

    26
    Hiernach hat das Familiengericht dem Vater im Ergebnis zu Recht die im beanstandeten Erkenntnis in der Sache 9 F 4/23 SO benannten Sorgeteilbereiche übertragen; allerdings gründet der Senat diese Entscheidung allein auf § 1671 Abs. 1 S. 1 und S. 2 Nr. 2 BGB, weil ein Rückgriff auf § 1671 Abs. 4 i.V.m. § 1666 Abs. 1 BGB im aktuellen Erkenntnisstand nicht mehr erforderlich ist.

    27
    Das Elternrecht des Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG garantiert Eltern das Recht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder grundsätzlich frei von staatlichen Einflüssen und Eingriffen. Im Verhältnis zum Kind bildet allerdings das Kindeswohl die maßgebliche Richtschnur der elterlichen Pflege und Erziehung (vgl. BVerfGE 162, 378 m.w.N.). Der Schutz des Elternrechts, das dem Vater und der Mutter gleichermaßen zukommt, erstreckt sich auf die wesentlichen Elemente des Sorgerechts, ohne die die Elternverantwortung nicht ausgeübt werden kann (vgl. BVerfGE 84, 168 [BVerfG 07.05.1991 - 1 BvL 32/88]; 107, 150). Die Einbeziehung beider Elternteile in den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 GG bedeutet jedoch nicht, dass diesen jeweils die gleichen Rechte im Verhältnis zum Kind einzuräumen sind, vielmehr bedarf das Elternrecht der am Kindeswohl ausgerichteten Ausgestaltung durch den Gesetzgeber (vgl. BVerfGE 107, 150), die von den Gerichten im Einzelfall umzusetzen ist. Dementsprechend hat der Gesetzgeber in § 1671 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB in verfassungsgemäßer Weise bestimmt, dass die Übertragung der Alleinsorge auf einen Elternteil erfolgt, wenn zu erwarten ist, dass dies dem Wohl des Kindes am besten entspricht (BVerfG FamRZ 2024, 278 m.w.N.).

    28
    Nach § 1671 Abs. 1 S. 1 und S. 2 Nr. 2 BGB setzt der Fortbestand der gemeinsamen elterlichen Sorge voraus, dass zwischen den Eltern eine tragfähige soziale Beziehung und ein Mindestmaß an Übereinstimmung in den wesentlichen Sorgerechtsbereichen besteht (BVerfGE 107, 150; BVerfG FamRZ 2004, 354; BGH FamRZ 2008, 592; 2011, 796). Fehlt es hieran, weil die Eltern zur Kooperation weder bereit noch in der Lage sind und einander ablehnen, kann dies einer gedeihlichen gemeinsamen Sorge im Interesse des Kindes unzuträglich sein, weil nicht gewährleistet ist, dass die Ausübung gemeinsamer elterlicher Sorge hinreichend konfliktfrei verläuft. Tragen die Eltern ihre Uneinigkeit und ihren Zwist auf dem Rücken des Kindes aus, kann das Kind in seiner Beziehungsfähigkeit beeinträchtigt und unter Umständen sogar in seiner Entwicklung gefährdet werden (vgl. BVerfGE 127, 132 [BVerfG 21.07.2010 - 1 BvR 420/09]).

    29
    Maßstab und Ziel einer Auflösung der gemeinsamen elterlichen Sorge ist allerdings nicht der Ausgleich persönlicher Defizite zwischen den Eltern mittels Übertragung der Alleinsorge auf einen Elternteil, sondern allein das Kindeswohl. Eine dem Elternrecht genügende Entscheidung kann nur aufgrund der Abwägung aller Umstände des Einzelfalls getroffen werden, bei der allerdings auch zu berücksichtigen ist, dass die Abwägung nicht an einer Sanktion des Fehlverhaltens eines Elternteils, sondern vorrangig am Kindeswohl zu orientieren ist. Denn Maßstab und Ziel einer Sorgerechtsentscheidung ist nicht der Ausgleich persönlicher Defizite zwischen den Eltern, sondern allein das Kindeswohl (vgl. BVerfG FamRZ 2024, 278 m.w.N.).

    30
    Bei der Beurteilung, ob die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den antragstellenden Elternteil dem Wohl des Kindes am besten entspricht, haben die Richter eine Entscheidung zu treffen, die sowohl die beiderseitigen Grundrechtspositionen der Eltern als auch das Wohl des Kindes und dessen Individualität als Grundrechtsträger berücksichtigt. Die Gerichte müssen sich daher im Einzelfall um eine Konkordanz der verschiedenen Grundrechte bemühen (vgl. BVerfG FF 2018, 247; BVerfG, Beschluss vom 10. März 2010 - 1 BvQ 4/10 - juris, m.w.N.) und insbesondere auch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung tragen (vgl. dazu BVerfG FF 2009, 416; FamRZ 2004, 1015; BGH FamRZ 2005, 1167). Dabei ist es allerdings von Verfassungs wegen nicht geboten, der gemeinsamen Sorge gegenüber der alleinigen Sorge einen Vorrang einzuräumen. Genauso wenig kann vermutet werden, dass die gemeinsame Sorge nach der Trennung der Eltern im Zweifel die für das Kind beste Form der Wahrnehmung elterlicher Verantwortung ist (vgl. BVerfG FamRZ 2018, 266 und 826; BVerfGE 107, 150; BGH FamRZ 2008, 592; 1999, 1646).

    31
    Freilich schließt nicht jede Spannung oder Streitigkeit zwischen den Eltern die gemeinsame Wahrnehmung des Sorgerechts aus; vielmehr kommt es darauf an, welche Auswirkungen eine fehlende Einigung bei einer Gesamtbeurteilung der Verhältnisse auf die Entwicklung und das Wohl des Kindes haben wird. Besteht zwischen den Eltern in den Grundlinien der Erziehung Einvernehmen und streiten sie nur über Nebenfragen, so besteht ebenso wenig Anlass, die gemeinsame Sorge aufzuheben, wie wenn unbeschadet bestehender Meinungsverschiedenheiten eine Kooperation auf der Elternebene noch möglich ist. Denn aufgrund des "ethischen Vorrangs", der dem Idealbild einer von beiden Elternteilen auch nach ihrer Trennung verantwortungsbewusst im Kindesinteresse ausgeübten gemeinschaftlichen elterlichen Sorge einzuräumen ist, ist eine Verpflichtung der Eltern zum Konsens nicht zu bestreiten (BGH FamRZ 2008, 592), zumal es grundsätzlich dem Kindeswohl entspricht, wenn ein Kind in dem Bewusstsein lebt, dass beide Eltern für es Verantwortung tragen, und wenn es seine Eltern in wichtigen Entscheidungen für sein Leben als gleichberechtigt erlebt. Diese Erfahrung ist aufgrund der Vorbildfunktion der Eltern wichtig und für das Kind und seine Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit prägend. Zudem werden in Diskussionen regelmäßig mehr Argumente erwogen als bei Alleinentscheidungen (BGH FamRZ 2016, 1439; KG FamRZ 2011, 1659; BT-Drucks. 17/11048, S. 14 und 17).

    32
    Die bloße Pflicht zur Konsensfindung vermag indessen eine tatsächlich nicht bestehende Verständigungsmöglichkeit nicht zu ersetzen. Denn nicht schon das Bestehen der Pflicht allein ist dem Kindeswohl dienlich, sondern erst die tatsächliche Pflichterfüllung, die sich in der Realität eben nicht verordnen lässt. Wenn angesichts der Entwicklungen in der Vergangenheit die begründete Besorgnis besteht, dass die Eltern auch in Zukunft nicht in der Lage sein werden, ihre Streitigkeiten in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge konstruktiv und ohne gerichtliche Auseinandersetzungen beizulegen, ist die erzwungene Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge dem Kindeswohl nicht zuträglich (BVerfGE 127, 132; BGH FamRZ 2008, 592; vgl. zum Ganzen auch Senatsbeschlüsse vom 29. März 2019 - 6 UF 20/19 -, vom 26. August 2009 - 6 UF 68/09 -, FamRZ 2010, 385, vom 30. Juli 2010 - 6 UF 52/10 -, ZKJ 2010, 452, und vom 1. April 2011 - 6 UF 6/11 -, FF 2011, 326, jeweils m.w.N.). Dies gilt unabhängig davon, welcher Elternteil für die fehlende Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit (überwiegend) verantwortlich ist (vgl. BVerfG FamRZ 2010, 1403; BGH FamRZ 2008, 592; Senatsbeschlüsse vom 27. Februar 2020 - 6 UF 4/20 -, vom 29. März 2019 - 6 UF 20/19 -, vom 8. September 2014 - 6 UF 70/14 -, NJW-Spezial 2015, 38; Beschlüsse des 9. Zivilsenats des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 25. August 2014 - 9 UF 39/14 - und vom 27. Juni 2012 - 9 UF 42/12 -). Letztlich kommt es entscheidend darauf an, welche Auswirkungen die mangelnde Einigungsfähigkeit der Eltern bei einer Gesamtbeurteilung der Verhältnisse auf die Entwicklung und das Wohl des Kindes haben wird (vgl. - zu § 1626 a Abs. 2 BGB - BGH FamRZ 2016, 1439), ob also die Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge voraussichtlich nachteiligere Folgen für das Kind hat als ihre Aufhebung (BVerfG FF 2009, 416; BGH FamRZ 1999, 1646; Senatsbeschluss vom 1. April 2011 - 6 UF 6/11 -, FF 2011, 326; vgl. zum Ganzen auch BGH FamRZ 2016, 1439; Senatsbeschluss vom 27. April 2016 - 6 UF 22/16 -, FamRZ 2016, 1858).

    33
    Zu den wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge, für die ein Mindestmaß an Verständigungsmöglichkeiten gefordert werden muss, gehören alle nach § 1687 Abs. 1 S. 1 BGB gemeinsam zu treffenden Entscheidungen, zu denen auch die Grundentscheidungen über den persönlichen Umgang des Kindes mit dem nicht betreuenden Elternteil zählen (BGH FamRZ 2008, 592), aber auch die Frage, wie Eltern sich bei anstehenden Fragen der medizinischen Behandlung eines Kindes oder der Wahl einer weiterführenden Schule auseinandersetzen und in der Lage sind, eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung zu finden. Die Art und Weise, wie die Eltern insoweit in der Lage zu gemeinsamen Entscheidungen sind, kann bei der Gesamtabwägung nicht unberücksichtigt bleiben (vgl. BGH FamRZ 2016, 1439; siehe zum Ganzen auch Senatsbeschluss vom 15. Dezember 2023 - 6 UF 115/23 -, NJW-Spezial 2024, 198).

    34
    An diesen verfassungs- und einfachrechtlichen Maßstäben gemessen, ist in dem Sachstand, wie er sich dem Senat aus den Akten und dem Inbegriff der Senatsanhörungen und -erörterung darbietet, eine Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge für beide Kinder weiterhin - jedenfalls - in allen vom Familiengericht dem Vater zugewiesenen - und von diesem zweitinstanzlich verteidigten - Teilbereichen veranlasst; dies ist nicht nur verhältnismäßig, sondern benachteiligt die Mutter vielmehr auch nicht.

    35
    Dies gilt - wie von den Eltern übereinstimmend angenommen - hinsichtlich des Aufenthaltsbestimmungsrechts bereits aufgrund ihrer diametral entgegengesetzten Vorstellungen vom zukünftigen gewöhnlichen Aufenthalt der Kinder; diese Frage bedarf aus Gründen des Kindeswohls zwingend einer Entscheidung.

    36
    Aber auch in den übrigen Teilbereichen kommt die Wiederherstellung der vom Familiengericht insoweit aufgehobenen gemeinsamen elterlichen Sorge in Ansehung des zwischen den Eltern seit Jahren - auch mehrfach gerichtlich - ausgetragenen Streits um die Belange ihrer Kinder nicht in Betracht.

    37
    Soweit die Mutter in der Beschwerdeinstanz eine Verbesserung der elterlichen Kooperation - insbesondere hinsichtlich der Umgangskontakte des Vaters - feststellen will, ist der Senat - auch vor dem Hintergrund des persönlichen Eindrucks, den er von den Beteiligten im Erörterungstermin gewonnen hat - der Überzeugung, dass dies maßgeblich auf den Druck zurückführen ist, unter den die teilweise Sorgerechtsübertragung auf den Vater im angegriffenen Erkenntnis und das laufende Beschwerdeverfahren die Mutter gestellt haben, und nicht auf eine maßgebliche Verbesserung ihrer Bindungstoleranz, zumal die Mutter noch im Jahr 2023 den Umgang des Vaters mit den Kindern - über lange Monate - nicht ins Werk gesetzt hat. Der Senat tritt der überzeugend begründeten Prognose der Sachverständigen bei, dass sich die Mutter insoweit nicht stabil verhalten werde, während der Vater immer noch eine deutlich höhere Gewähr dafür biete, dass der Umgang mit der Mutter funktionieren werde, wenn die Kinder bei ihm leben. Dies gilt umso mehr, als der Vater seine erhebliche Bindungstoleranz ergänzend dadurch unter Beweis gestellt hat, dass er von einer Umsetzung des inkriminierten Beschlusses einstweilen Abstand genommen hat, um den Kindern einen Schulwechsel während des Schuljahres zu ersparen, obwohl er dadurch hat gewärtigen müssen, dass die Mutter die Kinder weiterhin weit überwiegend betreut hat und hierdurch erheblichen Einfluss auf die Kinder - und insbesondere auf deren Willensbildung - nehmen konnte. Im Lichte dessen findet die Wertung der Sachverständigen im Senatstermin - dies belege, dass der Vater die Interessen der Kinder im Blick hat - vorbehaltlos die Billigung des Senats. Soweit die Mutter insoweit von einer vernünftigen "gemeinsamen" Entscheidung der Eltern spricht, gleichzeitig aber das Engagement des Vaters in schulischen Belangen der Kinder als "wenig hilfreich" bezeichnet, trifft dies beim Senat nicht auf Verständnis. Der Vater hat in völlig angemessenem Ton - siehe die von der Mutter vorgelegten E-Mails des Vaters vom 12, und 15. April 2024 - lediglich die Maßnahmen getroffen, die der durch den angegangenen Beschluss hergestellten Sorgerechtslage entsprochen haben. Hierzu ist er nicht nur berechtigt, sondern von Gesetzes wegen auch verpflichtet gewesen.

    38
    Dass die Eltern - so die Mutter - gemeinsam die Kommunionsfeierlichkeiten für ... wahrgenommen haben, rechtfertigt ebenfalls nicht die Annahme einer ausreichenden Kooperationsfähigkeit; vielmehr sind sich die Eltern ausweislich ihres - erneut - von der Mutter vorgelegten E-Mail-Wechsels in zahlreichen Punkten erkennbar uneins geblieben. Hinzu kommen die - sehr präsenten - greifbar unterschiedlichen Auffassungen der Eltern im Zusammenhang mit dem Feuerwehrcamp in L. und dem gleichzeitig vom Vater geplanten Zelturlaub am ersten Juniwochenende 2024, welche der Vater in der Beschwerdeerwiderung - im Kern unwidersprochen - anschaulich geschildert und belegt hat. Die jüngsten - nach dem Senatstermin (!) eingetretenen - Auseinandersetzungen der Eltern wegen der Sommerferienabsprachen runden dieses Bild eindrücklich und greifbar aktuell ab.

    39
    Hinzu kommt - zentral die Gesundheitsfürsorge betreffend, aber aufgrund des Gesamtverhaltens der Mutter zugleich auf die weiteren erstinstanzlich dem Vater übertragenden Sorgeteilbereiche ausstrahlend - das Handeln der Mutter anlässlich des Paukenergusses ... Obwohl in diesem Zeitpunkt der Vater bereits die alleinige Gesundheitsfürsorge innehatte, hat die Mutter ihn von der - nach ihrer Darstellung "lebensgefährlichen" - Erkrankung ..., die sie im Laufe des Donnerstags festgestellt hat, erst am Freitagabend - per E-Mail - in Kenntnis gesetzt. Deutlicher als hierdurch konnte sie kaum zu erkennen geben, dass sie an einer gelingenden elterlichen Kommunikation nicht intrinsisch interessiert ist.

    40
    Spiegel dessen ist, dass die Mutter während des Bestehens der gemeinsamen Sorge der Eltern ... am 4. März 2022 eigenmächtig aus der Wohngruppe heraus- und zu sich genommen hatte, und - während der Zeit, als Ergänzungspflegschaft angeordnet gewesen war - im November 2023 eine (systemische) Therapie... bei ... eingeleitet und den Vater erstmals am 26. Januar hiervon in Kenntnis gesetzt hat, als sich Fragen der Kostenübernahme durch die Krankenversicherung des Kindes gestellt haben. Ein kooperationsbereiter Elternteil in der Lage der Mutter hätte in dieser Situation gleich zu Beginn dieser wichtigen Weichenstellung von sich aus den anderen Elternteil informiert. Dann hätte auch die Aussicht bestanden, ... früher eine - nach der leicht nachvollziehbaren Einschätzung der Sachverständigen - besser geeignete Verhaltenstherapie bei einem entsprechend ausgebildeten Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten zuteil werden zu lassen, statt die - systemische - Therapie bei ... fortzuführen, welche die Sachverständige - ebenfalls gesteigert sinnfällig - eher als dysfunktional bewertet.

    41
    Bezieht man schließlich die Ausführungen der Gutachterin im Senatstermin mit in die Betrachtung ein - derzufolge die Eltern noch nicht verstanden hätten, dass ihre Kommunikation untereinander nur mit professioneller Hilfe wiederaufgebaut werden könne, was bisher noch nicht bewerkstelligt worden sei - so teilt der Senat die Beurteilung des Familiengerichts, dass - jedenfalls - in den genannten Teilbereichen eine gemeinsame Wahrnehmung der Elternverantwortung aller Voraussicht nach zu greifbaren Nachteilen für die Kinder führen würde.

    42
    Dem steht auch nicht das von den Kindern jeweils als gut beschriebene Verhältnis zu den jeweiligen neuen Lebensgefährten ihrer Eltern entgegen, welche der Senat in der mündlichen Erörterung persönlich angehört hat; denn ausweislich des Ergebnisses der Kindesanhörung sind die Kinder trotz deren Vorhandenseins im - hier leider erkennbar exazerbierten - Loyalitätskonflikt (s.u.) gefangen - und das Elternverhältnis weiterhin von tiefem gegenseitigen Misstrauen geprägt - geblieben.

    43
    Ist hiernach die gemeinsame elterliche Sorge in den erwähnten Teilbereichen aufzuheben, so sind diese - im Ergebnis mit dem Familiengericht - auf der zweiten Prüfungsebene des § 1671 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB (vgl. dazu BGH FamRZ 2008, 592) - dem Vater zu übertragen.

    44
    Hinsichtlich der anderen Teilbereiche als des Aufenthaltsbestimmungsrechts fehlt es insoweit bereits an einem Antrag der Mutter als materiell-rechtliche Voraussetzung (siehe dazu Senatsbeschlüsse vom 1. April 2011 - 6 UF 6/11 -, FF 2011, 326, und vom 30. Juli 2010 - 6 UF 52/10 -, ZKJ 2010, 452; Beschluss des 9. Zivilsenats des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 5. Dezember 2011 - 9 UF 135/11 -, FamRZ 2012, 1064 [Ls.; Volltext in juris], jeweils m.w.N.); dessen unbeschadet wären allerdings - selbständig tragend - auch diese dem Vater zu überantworten.

    45
    Bei der Beantwortung der allein am Kindeswohl auszurichtenden Frage, welchem der beiden Elternteile ganz oder teilweise das Sorgerecht zu übertragen ist, sind die hierzu höchstrichterlich aufgestellten und vom Senat in ständiger Rechtsprechung geteilten Maßstäbe zugrunde zu legen. Danach sind die Erziehungseignung der Eltern - einschließlich ihrer Bindungstoleranz -, die Bindungen des Kindes - insbesondere an seine Eltern und ggf. Geschwister -, die Prinzipien der Förderung und der Kontinuität sowie der Kindeswille als gewichtige Kriterien zu berücksichtigen. Außer diesen Aspekten sind je nach den Begleitumständen des Falles weitere Gesichtspunkte wie Erziehungsbereitschaft, häusliche Verhältnisse und soziales Umfeld sowie ggf. der Grundsatz einzubeziehen, dass Geschwister nicht voneinander getrennt werden sollten. Diese Kriterien stehen aber letztlich nicht wie Tatbestandsmerkmale kumulativ nebeneinander, sondern jedes von ihnen kann im Einzelfall mehr oder weniger bedeutsam für die Beurteilung sein, was dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Denn sie stehen über den allüberstrahlenden und letztentscheidenden Begriff des Kindeswohls in innerer Beziehung zueinander und können sich gegenseitig verstärken oder aufheben. Daraus folgt auch, dass im Einzelfall bereits ein Kindeswohlkriterium eine solch überragende Bedeutung gewinnen kann, dass es für sich genommen der Übertragung auf einen Elternteil entgegensteht (vgl. zum Ganzen BVerfGE 56, 363; BVerfG FuR 2008, 338; BGH FamRZ 2011, 796; 2010, 1060 jeweils m. Anm. Völker; 2008, 592; 1990, 392; 1985, 169; Senatsbeschlüsse vom 15. Januar 2021 - 6 UF 153/20 -, vom 27. Dezember 2013 - 6 UF 120/23 -, vom 15. Dezember 2023 - 6 UF 115/23 -, NJW-Spezial 2024, 198, vom 16. November 2011 - 6 UF 126/11 -, FamRZ 2012, 884, und vom 20. Januar 2011 - 6 UF 106/10 -, FamRZ 2011, 1153, jeweils m.w.N.; zum Kindeswillen siehe insbesondere BVerfG FamRZ 2009, 1389; BGH FamRZ 2020, 252).

    46
    Auf dem Boden dieser Kindeswohlkriterien ist vorliegend dem Vater als Inhaber des Aufenthaltsbestimmungsrechts und der benannten weiteren Sorgeteilbereiche der Vorzug zu geben.

    47
    Der Senat folgt auch insoweit vorbehaltlos den schriftlichen - und mündlich erst wie auch aktuell zweitinstanzlich bestätigten - Empfehlungen der Sachverständigen.

    48
    Diese hat ihre Beurteilung im Kern auf greifbare Defizite in der Bindungstoleranz der Mutter - bei ausreichend gegebener solcher beim Vater -, auf eine höhere Belastung der Mutter ("sehr stark belastet") in Bezug auf kindeswohlgefährdendes Verhalten als der Vater ("belastet") bei gleichzeitig besseren psychischen Ressourcen des Vaters für den Umgang mit Belastungen und grundsätzlich sicherer Bindung der Kinder zum Vater - im Vergleich zur mittlerweile unsicher-ambivalenten Bindung und Beziehung zur Mutter - gegründet, zu dem sie eine sehr gute Beziehung hätten und mit dem sie gerne zusammen seien.

    49
    Der Senat hat dabei den für die Mutter streitenden Kontinuitätsgrundsatz gewogen. Dieser vermag sich indes bei den vorliegenden Einzelfallgegebenheiten nicht dagegen durchzusetzen, dass der Vater die Kinder aller Voraussicht nach in ihrer emotionalen Entwicklung besser fördern können wird als die Mutter, weil er über eine höhere Bindungstoleranz als die Mutter verfügt - was insbesondere bei, wie hier, stark einem Loyalitätskonflikt ausgesetzten Kindern hohe Bedeutung hat -, und die Art der - sicheren - Bindung der Kinder zum Vater diesen seelisch zuträglicher ist als ihre Bindung zur Mutter, welche zu einer unsicher-vermeidenden Bindung - zumindest - tendiert. Insbesondere die von der Mutter für die jüngere Vergangenheit ins Feld geführte - und teilweise belegte, aber insbesondere ausweislich der Schreibe ... Klassenlehrerin an die Eltern vom 26. April und 7. Mai 2024 und unbeschadet seines von der Verfahrensbeiständin mit Stellungnahme vom 16. Juli 2024 vorgelegten Jahreszeugnisses eher überschaubare - Verbesserung des schulischen und sozialen Verhaltens ... rechtfertigt keine andere Sicht, ohne dass in diesem Bezugsrahmen der Vorfall in der Schule, anlässlich dessen ... mit einer Schere in der Hand konfrontativ einem Mitschüler gegenübergestanden hat, der Vertiefung bedarf, wenngleich jedenfalls feststeht, dass ... anschließend einen Stuhl durchs Klassenzimmer geworfen hat.

    50
    Soweit die Kinder in ihrer Anhörung zu erkennen gegeben haben, (eher) bei der Mutter wohnen bleiben zu wollen, misst der Senat dem - auch in der gebotenen Gesamtschau aller Kindeswohlgesichtspunkte - keinesfalls ein Gewicht bei, das es rechtfertigen würde, die Kinder in deren Obhut zu belassen. Die Sachverständige - die bei der Kinderanhörung anwesend gewesen ist und daher einen aktuellen und unmittelbaren Eindruck von den Kindern und den Umständen ihrer Schilderungen hat gewinnen können - hat im Senatstermin hierzu festgestellt, dass der Kindeswille hier nicht autonom gebildet ist. Der Senat tritt dem - nach eigener Kindesanhörung - bei. Insbesondere der Vorfall um die "Wasserschlacht" stellt sich zur Überzeugung des Senats viel harmloser dar, als ... dies in der Anhörung angedeutet hat; der Senat folgt hierzu zwangslos der diesbezüglichen und glaubhaften Beschreibung des Vaters im Rahmen seiner persönlichen Anhörung im Senatstermin, zumal die Sachverständige hierzu einleuchtend darauf verwiesen hat, dass ... - als unmittelbar Betroffener - dies in seiner Anhörung gar nicht erwähnt hat. Der Bekundung ... der Papa habe zu ihm gesagt, wenn er nicht für ihn aussage, hänge er sich an einem Baum auf, schenkt der Senat keinen Glauben; bezeichnender Weise hat ... das auch gleich wieder dahin relativiert, dass man dies "in der Aufnahme nicht so gut [höre]".

    51
    In diesem Kontext bemerkt der Senat allerdings, dass - wie im Senatstermin angesprochen und mit der Folge eines Beweisverwertungsverbots - durchgreifende Bedenken gegen eine Verwertung dieser von ... angesprochenen Audioaufnahme (Transkript: Bl. 83 bis 87 d.A.), auf welche die Verfahrensbeiständin und die Mutter - zuletzt mit Schriftsätzen vom 16. bzw. 25. Juli 2024 - abgehoben haben, bestehen.

    52
    Bei heimlich erstellten - hier - Tonaufnahmen ist zwecks Beantwortung der Frage, ob sie in einem gerichtlichen Verfahren zu Beweiszwecken verwertet werden können, eine Abwägung zwischen den Interessen, die durch Tonaufnahmen geschützt werden sollen, und der Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorzunehmen (siehe - spezifisch zum Kindschaftsrecht - OLG München FamRZ 2021, 1716 [dort: Kindesmisshandlung] unter Bezugnahme auf OLG Brandenburg FamRZ 2020, 1833 [Gewaltschutz]; allgemein BVerfG FamRZ 2003, 21; BGH MDR 2010, 689; 2003, 767).

    53
    Der Senat hat sich im Wesentlichen davon leiten lassen, dass es sich vorliegend um ein Gespräch zwischen einem Elternteil und seinem Kind in teilweiser Anwesenheit des anderen Elternteils gehandelt hat, mithin zwar nicht um der Intimsphäre zuzuordnende Unterhaltungen, aber um solche in einem besonders geschützten - und zu schützenden - Bereich privatester Lebensgestaltung. Hinzu kommt, dass die Vorfälle nunmehr bereits rund anderthalb Jahre zurückliegen, was gerade in Kindschaftssachen aufgrund der ihnen eigenen Dynamik bedeutsam ist. Anders als in der Konstellation, die der Entscheidung des OLG München (a.a.O.) zugrunde gelegen hat, steht vorliegend auch keine bloße Videoaufnahme - wegen des Verdachts körperlicher Kindesmisshandlungen -, sondern eine Tonaufnahme in Rede, um eine - vermutete - psychische Beeinträchtigung durch Beeinflussung aufzudecken, die zudem nicht der betreuende, sondern der Elternteil verübt haben soll, der seine Kinder damals nur im Rahmen von - unregelmäßigen - Umgangskontakten gesehen hat. Hinzu kommt, dass die Mutter die Kinder zu den Aufnahmen veranlasst hat, was seinerseits - wie die Gutachterin im Rahmen ihrer erstinstanzlichen mündlichen Erläuterung dazu treffend bemerkt hat - "sehr problematisch" ist und von einer Beeinflussung ... [gemeint: durch die Mutter] dahin zeugt, "eine Beweislast gegen den Vater zu erzeugen". Unbeschadet des hohen Gewichts, das der Gesetzgeber dem Kindesschutz selbstredend auch vor seelischen Schäden beimisst, hält der Senat es daher hier - gesamtabwägend - nicht für statthaft, die Audioaufnahme in dieser Situation zu verwerten, zumal die gegenteilige Sicht zur - greifbar kindeswohlwidrigen - Folge haben könnte, dass Kinder vermehrt durch den sich in Beweisnot wähnenden Elternteil dazu angehalten werden, den anderen Elternteil auf solche Weise auszuspionieren und dies auch noch vor diesem geheim halten zu müssen.

    54
    Davon unabhängig entkräftet nach Überzeugung des Senats der Inhalt der Aufnahmen - unter erneuter Berücksichtigung des zwischenzeitlichen Zeitablaufs - nicht die von der Sachverständigen in der Senatserörterung erneut bestätigte Einschätzung einer besseren Bindungstoleranz des Vaters, zumal der Sachverständigen der Inhalt der heimlich aufgenommenen Gespräche bekannt gewesen ist und sie dennoch unter Einbeziehung auch aller weiteren für die Bewertung der Bindungstoleranz jedes Elternteils relevanten Feststellungen - einschließlich der Veranlassung der Audioaufnahme durch die Mutter - bei ihrer fachlichen Beurteilung geblieben ist.

    55
    Die Sachverständige hat schließlich auch überzeugend prognostiziert, dass die - senatsbekannt - mit einem Wechsel zum anderen Elternteil einhergehende Belastung durch begleitende Maßnahmen mittelfristig bewältigt werden kann. Hierzu wird auch - siehe unten - die sozialpädagogische Familienhilfe beitragen, deren Beantragung der Vater zugesagt hat.

    56
    Der Senat schließt sich daher uneingeschränkt der abschließenden Einschätzung der Sachverständigen an, dass ein Obhutswechsel der Kinder zum jetzigen Zeitpunkt auch aus deren Sicht - allemal mittelfristig - die bessere Lösung als ein Fortschreiben der gegenwärtigen Situation darstellt, und appelliert an dieser Stelle an die Mutter, diesen Wechsel im wohlverstandenen Interesse der Kinder unverzüglich mit dem Vater umzusetzen und nach besten Kräften zu unterstützen.

    57
    Mit Blick auf die überzeugende Darstellung der Sachverständigen und des Jugendamts im Senatstermin - welche nachfolgend auch die Billigung der Verfahrensbeiständin gefunden hat -, dass statt einer Erziehungsbeistandschaft für ... die Einrichtung einer sozialpädagogischen Familienhilfe im Obhutshaushalt der Kinder zielführender sei, zumal die Leistungen ersterer Hilfe im Rahmen letzterer praktisch miterbracht werden, und im Lichte der daraufhin von beiden Eltern jeweils - für den Senat glaubhaft - erklärten Bereitschaft, für den Fall der Fortdauer bzw. Übernahme der Obhut der Kinder einen entsprechenden Antrag zu stellen, bedarf es im derzeitigen Sachstand keiner entsprechenden, ansonsten nunmehr an den Vater zu richtenden Auflage nach §§ 1671 Abs. 4, 1666 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1 BGB.

    58
    Nach alledem haben die Beschwerden im Resultat keinen Erfolg; sie führen lediglich zu einer einheitlichen Sachentscheidung.

    59
    Die zweitinstanzliche Kostenentscheidung folgt für die Gerichtsgebühren aus § 20 FamGKG - insoweit aus den im Senatsbeschluss vom 24. April 2024 mitgeteilten Erwägungen -, für die gerichtlichen Auslagen sowie die notwendigen Anwendungen der Beteiligten hingegen aus § 84 FamFG. Denn ausreichende Gründe, die es im Lichte des erfolglosen Rechtsmittels der Mutter rechtfertigen könnten, von ihrer in dieser Norm regelhaft vorgeschriebenen Kostenbelastung abzuweichen, sind weder belastbar dargetan noch ersichtlich.

    60
    Die Kostenverteilung für den ersten Rechtszug beruht auf § 81 FamFG.

    61
    Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht veranlasst (§ 70 FamFG).

    Vorschriften§ 1671 Abs. 1 BGB, § 1671 Abs. 4 BGB, § 1666 Abs. 1 BGB