07.05.2025 · IWW-Abrufnummer 247982
Oberlandesgericht Oldenburg: Beschluss vom 24.03.2024 – 3 UF 108/23
Der Ausgleich einer Privatvorsorge wegen Invalidität/ private Berufsunfähigkeitsversicherung bei Ehescheidung findet in Fällen grober Unbilligkeit nicht statt. Das kann der Fall sein, wenn der andere Ehegatte ebenfalls eine Invaliditätsversorgung erhält, die jedoch - wie beispielsweise eine gesetzliche Unfallversicherung - nicht unter den Versorgungsausgleich fällt.
Oberlandesgericht Oldenburg, Beschluss vom 24.03.2025, Az. 3 UF 108/23
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den am 04.07.2023 verkündeten Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Leer (5c F 4057/22) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 1) bis 5), welche ihre außergerichtlichen Kosten selber tragen.
Der Beschwerdewert wird auf 1.050 EUR festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin hat in der Sache keinen Erfolg. Insofern wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den im Nachgang nicht angegriffenen Hinweisbeschluss des Senats vom 26.02.2025 verwiesen. Dort wurde wie folgt ausgeführt:
"I.
Die Antragsgegnerin begehrt die Teilhabe an einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung des Antragstellers im Rahmen des mit der Ehescheidung durchgeführten Versorgungsausgleichs.
Der Antragsteller und die Antragsgegnerin schlossen am 01.11.2002 die Ehe. Seit dem 01.02.2019 bezieht der Antragsteller eine bei der Beteiligten zu 1) bestehende Berufsunfähigkeitsrente. Seit September 2020 leben die vormaligen Ehegatten getrennt voneinander. Der Antrag auf Ehescheidung ist der Antragsgegnerin am 11.03.2022 zugestellt worden.
Mit dem am 04.07.2023 verkündeten Beschluss, auf welchen zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, hat das Familiengericht die Ehe geschieden und den Versorgungsausgleich durchgeführt. Das Anrecht des Antragstellers bei der Beteiligten zu 1) hat das Familiengericht nicht geteilt. Es hat im Wesentlichen ausgeführt, es handele sich um ein Anrecht zur privaten Absicherung der Invalidität welches nach § 28 VersAusglG nur dann auszugleichen sei, wenn auch der andere Ehegatte zum Ende der Ehezeit ein laufendes Anrecht wegen Invalidität beziehe oder die gesundheitlichen Voraussetzungen hierfür erfülle. Das sei nicht der Fall.
Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit der form- und fristgerecht erhobenen Beschwerde und behauptet, dass sie zum Ende der Ehezeit ebenfalls erwerbsunfähig gewesen sei. Sie habe daher bei dem Gemeinde-Unfallversicherungsverband Hannover (GUVH) einen Antrag auf eine Erwerbsminderungsrente gestellt.
Mit Bescheid vom 20.01.2025 hat die GUVH der Antragsgegnerin eine Erwerbsminderungsrente seit dem 05.03.2020 bis heute zugesprochen. Hiernach schwankt der Grad der Erwerbsminderung zwischen 30% und 100 %. Die monatliche Rente liegt entsprechend dem jeweiligen Grad der Erwerbsminderung zwischen 382,20 EUR und 1.342,16 EUR monatlich. Der Bescheid ist noch nicht bestandskräftig.
Der Antragsgegner erhält aus der Berufsunfähigkeitsversicherung bei der Beteiligten zu 1) monatlich ca. 580 EUR. Die Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente ist nach Auskunft der Beteiligten zu 1) bis zum 28.02.2029 begrenzt. Sozialversicherungsbeiträge auf die Berufsunfähigkeitsrente zahlt der Antragsteller nach eigenen Angaben nicht.
II.
Die zulässige, und auf den Ausgleich der bei der Beteiligten zu 1) bestehenden Berufsunfähigkeitsrente beschränkte Beschwerde, hat in der Sache keinen Erfolg. Der Ausgleich wäre grob unbillig und ist daher nicht durchzuführen (§ 27 VersAusglG).
1)
Die Voraussetzungen für den Ausgleich der privaten Berufsunfähigkeitsversicherung liegen dem Grunde nach vor. Nach § 28 VersAusglG ist ein Anrecht der Privatvorsorge wegen Invalidität dann auszugleichen, wenn bei der ausgleichspflichtigen Person der Versicherungsfall in der Ehezeit eingetreten ist und die ausgleichsberechtigte Person am Ende der Ehezeit eine laufende Versorgung wegen Invalidität bezieht oder die gesundheitlichen Voraussetzungen dafür erfüllt. Trotz der Verweisung in § 28 Abs. 3 VerAusglG auf die Vorschriften des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs ist der Ausgleich von Amts wegen im Verbundverfahren durchzuführen (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 10. September 2020 - 16 UF 53/20 -, juris, Rn. 16; Siede in Grüneberg, BGB, 84. Aufl., 2025, § 28 VersAusglG, Rn. 7).
Der Antragsteller ist Versicherungsnehmer einer privaten Berufsunfähigkeitszusatzversicherung bei der Beteiligten zu 1), wobei der Versicherungsfall bereits während der Ehezeit, nämlich im Februar 2019, eingetreten ist und der Leistungsbezug nach wie vor andauert. Bei der Berufsunfähigeitsversicherung handelt es sich um eine von § 28 VersAusglG umfasste Privatvorsorge wegen Invalidität (vgl. Siede in Grüneberg, aaO, § 28 VersAusglG, Rn. 2)
Für die Antragsgegnerin liegen ebenfalls die Voraussetzungen des § 28 VersAusglG vor. Zum Ende der Ehezeit erfüllte sie auf Grund des Bezugs einer Erwerbsminderungsrente bei der GUVH die gesundheitlichen Voraussetzungen für den Bezug einer Versorgung wegen Invalidität. Hierbei kann es dahingestellt bleiben, ob die Antragsgegnerin auch die Voraussetzungen für den Bezug einer Berufsunfähigkeitsrente nach den Versicherungsbedingungen des zwischen dem Antragsteller und der Beteiligten zu 1) geschlossenen Vertrags erfüllt. Maßgeblich ist nämlich nicht, dass ein Ausgleichsberechtigter die Voraussetzungen des Vertrags erfüllt, dessen Ausgleich er begehrt. Vielmehr kommt es für einen Anspruch nach § 28 VersAusglG lediglich darauf an, dass er wegen einer gesundheitlichen Beeinträchtigung keiner vollschichtigen Erwerbstätigkeit mehr nachgehen kann und die Voraussetzungen eines Versorgungssystems für eine vollständige oder teilweise Invaliditätsversorgung (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 VersAusglG), unter das der Ausgleichsberechtigte fällt, erfüllt sind (vgl. BGH, Beschluss vom 10. August 2022 - XII ZB 83/20 -, juris, Rn. 30; OLG Stuttgart, aaO, Rn. 21; BeckOGK/Fricke, 1.2.2025, VersAusglG § 28 Rn. 83). Bei der GUVH handelt es sich um ein für die Antragsgegnerin maßgebliches Versorgungssystem.
Unbeachtlich ist es, dass die GUVH die Erwerbsminderungsrente erst nach Ehezeitende mit Bescheid vom 20.01.2025 festsetzte. Denn sie stellte mit diesem Bescheid fest, dass die Antragsgegnerin ab dem 05.03.2020 und durchgehend bis heute in ihrer Erwerbsfähigkeit gemindert ist und einen Rentenanspruch hat. Mithin erfüllte die Antragsgegnerin bereits zum Ehezeitende am 28.02.2022 die Voraussetzungen der Invaliditätsversorgung. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen kann vorliegend auch trotz der noch nicht eingetretenen Bestandskraft des Rentenbescheids vom 20.01.2025 angenommen werden. Ein von der Antragsgegnerin angekündigter Widerspruch gegen den Bescheid wird sich nicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen der Erwerbsminderung dem Grunde nach auswirken. Der Widerspruch bezieht sich offenkundig nur auf die Höhe der Erwerbsminderungsrente und nicht auf den Wegfall des Anrechts bezieht. Auf Grund des im Widerspruchsverfahren geltenden Grundsatzes des Verschlechterungsverbots kann der Bescheid im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens nicht zum Nachteil der Antragsgegnerin abgeändert werden. Mit dem Widerspruch wird es daher allenfalls zu einer Veränderung des Grades der Erwerbsunfähigkeit zu Gunsten der Antragsgegnerin kommen. Eine solche Veränderung wirkt sich jedoch nicht auf den hier gegenständlichen Anspruch nach § 28 VersAusglG aus, der "lediglich" das Bestehen einer teilweisen Erwerbsunfähigkeit voraussetzt. Dies erfüllt die Antragsgegnerin in jedem Fall.
Die von dem Antragsteller erworbene Berufsunfähigkeitsrente wäre in der Folge nach §§ 28 Abs. 3, 20 Abs. 1, 22 VersAusglG schuldrechtlich auszugleichen. Hierbei würde das Anrecht des Antragstellers nach § 28 Abs. 2 VersAusglG als in vollem Umfang während der Ehezeit als erworben gelten.
Der Anspruch bestände ab dem auf die Rechtskraft der Ehescheidung folgenden Monat und würde mit Ende der Bezugsdauer der Invaliditätsversorgung enden (vgl. BGH, aaO, Rn. 32 ff.; Hartmut Wick in: Wick, Der Versorgungsausgleich, E. Der Wertausgleich bei der Scheidung, Rn. 571). Die Rechtskraft der Ehescheidung trat am 14.09.2023, einen Monat nach Bekanntgabe der Beschwerdeschrift an den Antragsteller, ein (§ 145 Abs. 1 Satz 1 und 2 FamFG). Die Berufsunfähigkeitsrente ist durch die Beteiligte zu 1) vertragsgemäß bis zum 28.02.2029 zu zahlen.
Sozialversicherungsbeiträge oder vergleichbare Aufwendungen, die nach §§ 28 Abs. 3, 20 Abs. 1 Satz 2 VersAusglG grundsätzlich abzuziehen wären, leistet der Antragsteller nach eigenen Angaben nicht auf die Berufsunfähigkeitsrente.
Berechnet würde der Ausgleichanspruch unter Zugrundelegung der tatsächlich gezahlten Rente (hier: ca. 580 EUR/ Monat), wobei sich der Ausgleichsbetrag vorliegend, da keine Sozialversicherungsbeiträge in Abzug zu bringen sind, auf den hälftigen Betrag beläuft (vgl. Götzsche in Götsche/Rehbein/Breuers, Versorgungsausgleichsrecht, 3. Aufl., 2018, § 28 VersAusglG, Rn. 14). Der Antragstellerin hätte mithin einen Anspruch auf eine monatliche Ausgleichszahlung von ca. 290 EUR. Einer weiteren Ermittlung der konkreten Rentenhöhe, die wegen Veränderungen in der Überschussbeteiligung leicht schwankend ist, bedarf es wegen der nachfolgend dargestellten Unbilligkeit des Ausgleichs dieses Anrechts (§ 27 VersAusglG) nicht.
2)
Der grundsätzlich mögliche Ausgleich der privaten Berufsunfähigkeitsversicherung des Antragstellers im Rahmen des Versorgungsausgleichs wäre grob unbillig und ist daher nicht durchzuführen.
Eine Beschränkung des Versorgungsausgleichs, die zu einer Abweichung des dem Versorgungsausgleich immanenten Halbteilungsgrundsatzes führt, kommt nur dann in Betracht, wenn die vollständige Durchführung des Versorgungsausgleichs grob unbillig wäre. Eine grobe Unbilligkeit liegt vor, wenn eine rein schematische Durchführung des Versorgungsausgleichs unter den besonderen Gegebenheiten des konkreten Einzelfalles dem Grundgedanken der gesetzlichen Regelung in unerträglicher Weise widerspricht. Grundgedanke der gesetzlichen Regelung des Versorgungsausgleichs ist der Halbteilungsgrundsatz (§ 1 Abs. 1 VersAusglG). Die Härtefallklausel des § 27 VersAusglG hat in diesem Zusammenhang die Funktion eines Gerechtigkeitskorrektivs: Sie soll als Ausnahmeregelung eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Entscheidung in solchen Fällen ermöglichen, in denen die schematische Durchführung des Versorgungsausgleichs zur "Prämierung" einer groben Verletzung der aus der ehelichen Gemeinschaft folgenden Pflichten führen oder gegen die tragenden Prinzipien des Versorgungsausgleichs verstoßen würde. Die Auslegung von § 27 VersAusglG hat sich daher stets an der gesetzlichen Zielsetzung des Versorgungsausgleichs zu orientieren, nämlich eine gleichberechtigte Teilhabe der Ehegatten an dem in der Ehe erworbenen Versorgungsvermögen zu verwirklichen und dem Ehegatten, der in der Ehezeit keine oder nur geringere eigene Versorgungsanwartschaften hat aufbauen können, eine eigene Versorgung zu schaffen. Gleichzeitig hat eine umfassende Gesamtabwägung der wirtschaftlichen, sozialen und persönlichen Verhältnisse beider Ehegatten zu erfolgen (vgl. BGH, Beschluss vom 1. April 2015 - XII ZB 701/13 -, juris, Rn. 14 ff.; BGH, Beschluss vom 16. August 2017 - XII ZB 21/17 -, juris, Rn. 36).
In diesem Rahmen sind auch solche Versorgungsanrechte mit in die Gesamtabwägung einzustellen, die weder durch Arbeit noch durch Vermögen geschaffen wurden und mithin nicht im Rahmen des Versorgungsausgleichs auszugleichen sind (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG). Dies betrifft unter anderem Renten aus der gesetzlichen Unfallversicherung (vgl. MüKoBGB/Weber, 9. Aufl. 2022, VersAusglG § 27 Rn. 11; OLG Celle, Beschluss vom 16.03.1989, 17 UF 160/88, in FamRZ 1989, 1098).
Unter Beachtung dieses Maßstabes ist ein Ausgleich der Berufsunfähigkeitsversicherung des Antragstellers grob unbillig. Beide Ehegatten sind teilweise in ihrer Erwerbsfähigkeit gemindert, wobei die Minderung jeweils in der Ehezeit eintrat, und beide beziehen auf Grund ihrer eingeschränkten Erwerbsfähigkeit eine Versorgung, der Antragsteller eine private Berufsunfähigkeitsversicherung, die Antragsgegnerin eine gesetzliche Unfallversicherung. Im Gegensatz zu der Versorgung des Antragstellers, unterfällt die Versorgung der Antragsgegnerin jedoch nicht dem Versorgungsausgleich. Die von ihr bezogene Unfallversicherung wurde, anders als beispielsweise eine Erwerbsunfähigkeitsrente in der gesetzlichen Rentenversicherung, nicht durch Arbeit geschaffen. Auch wurde sie, anders als beispielsweise eine private Berufsunfähigkeitsversicherung, nicht durch Vermögen geschaffen. Sie ist mithin nicht im Rahmen des Versorgungsausgleichs auszugleichen (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG), sondern steht auch nach der Ehescheidung allein der Antragsgegnerin zu.
Unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse und des Versorgungsbezugs beider beteiligten Ehegatten aus ihren Invaliditätsversorgungen wäre der auf das Anrecht des Antragstellers beschränkte Ausgleich grob unbillig. Während der Antragsteller monatlich ca. 580 EUR bezieht und im Rahmen des Versorgungsausgleichs monatlich den hälftigen Betrag von ca. 290 EUR an die Antragsgegnerin abgeben müsste, würde die Antragsgegnerin die Anrechte aus ihrer Erwerbsminderungsrente, die monatlich zwischen 382,20 EUR und 1.342,16 EUR liegen, ungekürzt behalten dürfen. Für die Zeit zwischen Rechtskraft der Ehescheidung und dem heutigen Tage würde dies bedeuten, dass der Antragsteller Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung von ca. 14.000 EUR erhalten hat, von denen die Hälfte an die Antragsgegnerin ausgeglichen werden müsste, während die Antragsgegnerin die von ihr bezogenen Leistungen aus der Unfallversicherung von ca. 23.500 EUR ungekürzt behalten dürfte. Dies würde zu einem unbilligen Ungleichgewicht in der Versorgung führen, die eine Durchbrechung des Halbteilungsgrundsatzes rechtfertigt.
Eine andere Bewertung ist auch nicht vor dem Hintergrund der Einkommensverhältnisse der Beteiligten geboten. So standen dem Antragsteller zum Ehezeitende ca. 2.000 EUR netto zur Verfügung (ALG I und private Berufsunfähigkeitsversicherung), während die Antragsgegnerin einem sog. Midi-Job nachging und Unterhaltszahlungen erhielt, so dass ihr insgesamt ca. 1.500 EUR zur Verfügung standen. Hinzu kommen bei der Antragsgegnerin dann noch die erst nach Ehezeitende festgesetzten Leistungen aus der Unfallversicherung. Dies wird im Ergebnis dazu führen, dass sie auch ohne die Teilung der privaten Berufsunfähigkeitsversicherung des Antragstellers vergleichbare und teilweise höhere monatliche Einkünfte hat als der Antragsgegner und wirtschaftlich nicht auf die Teilung dieses Anrechts angewiesen ist. Auf Grund des Bezuges einer eigenen gesetzlichen Unfallversicherung in nicht unerheblicher Höhe ist auch nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin auf den Erhalt der geteilten privaten Berufsunfähigkeitsversicherung des Antragstellers dringend angewiesen ist. Darüber hinaus ist nicht ausgeschlossen, dass die Rentenleistungen aus der Unfallversicherung für die Antragsgegnerin weiter ansteigen werden, dies im Falle des Erfolgs ihres angekündigten Widerspruchs gegen die Rentenhöhe.
Der Ausgleich der privaten Berufsunfähigkeitsrente ist daher in der Gesamtschau grob unbillig, womit auch die hierauf gerichtete Beschwerde keinen Erfolg hat."
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 84, 150 Abs. 3 FamFG.
Der Beschwerdewert beruht auf §§ 40, 50 Abs. 1 FamGKG.
Tenor:
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 1) bis 5), welche ihre außergerichtlichen Kosten selber tragen.
Der Beschwerdewert wird auf 1.050 EUR festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin hat in der Sache keinen Erfolg. Insofern wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den im Nachgang nicht angegriffenen Hinweisbeschluss des Senats vom 26.02.2025 verwiesen. Dort wurde wie folgt ausgeführt:
"I.
Die Antragsgegnerin begehrt die Teilhabe an einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung des Antragstellers im Rahmen des mit der Ehescheidung durchgeführten Versorgungsausgleichs.
Der Antragsteller und die Antragsgegnerin schlossen am 01.11.2002 die Ehe. Seit dem 01.02.2019 bezieht der Antragsteller eine bei der Beteiligten zu 1) bestehende Berufsunfähigkeitsrente. Seit September 2020 leben die vormaligen Ehegatten getrennt voneinander. Der Antrag auf Ehescheidung ist der Antragsgegnerin am 11.03.2022 zugestellt worden.
Mit dem am 04.07.2023 verkündeten Beschluss, auf welchen zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, hat das Familiengericht die Ehe geschieden und den Versorgungsausgleich durchgeführt. Das Anrecht des Antragstellers bei der Beteiligten zu 1) hat das Familiengericht nicht geteilt. Es hat im Wesentlichen ausgeführt, es handele sich um ein Anrecht zur privaten Absicherung der Invalidität welches nach § 28 VersAusglG nur dann auszugleichen sei, wenn auch der andere Ehegatte zum Ende der Ehezeit ein laufendes Anrecht wegen Invalidität beziehe oder die gesundheitlichen Voraussetzungen hierfür erfülle. Das sei nicht der Fall.
Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit der form- und fristgerecht erhobenen Beschwerde und behauptet, dass sie zum Ende der Ehezeit ebenfalls erwerbsunfähig gewesen sei. Sie habe daher bei dem Gemeinde-Unfallversicherungsverband Hannover (GUVH) einen Antrag auf eine Erwerbsminderungsrente gestellt.
Mit Bescheid vom 20.01.2025 hat die GUVH der Antragsgegnerin eine Erwerbsminderungsrente seit dem 05.03.2020 bis heute zugesprochen. Hiernach schwankt der Grad der Erwerbsminderung zwischen 30% und 100 %. Die monatliche Rente liegt entsprechend dem jeweiligen Grad der Erwerbsminderung zwischen 382,20 EUR und 1.342,16 EUR monatlich. Der Bescheid ist noch nicht bestandskräftig.
Der Antragsgegner erhält aus der Berufsunfähigkeitsversicherung bei der Beteiligten zu 1) monatlich ca. 580 EUR. Die Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente ist nach Auskunft der Beteiligten zu 1) bis zum 28.02.2029 begrenzt. Sozialversicherungsbeiträge auf die Berufsunfähigkeitsrente zahlt der Antragsteller nach eigenen Angaben nicht.
II.
Die zulässige, und auf den Ausgleich der bei der Beteiligten zu 1) bestehenden Berufsunfähigkeitsrente beschränkte Beschwerde, hat in der Sache keinen Erfolg. Der Ausgleich wäre grob unbillig und ist daher nicht durchzuführen (§ 27 VersAusglG).
1)
Die Voraussetzungen für den Ausgleich der privaten Berufsunfähigkeitsversicherung liegen dem Grunde nach vor. Nach § 28 VersAusglG ist ein Anrecht der Privatvorsorge wegen Invalidität dann auszugleichen, wenn bei der ausgleichspflichtigen Person der Versicherungsfall in der Ehezeit eingetreten ist und die ausgleichsberechtigte Person am Ende der Ehezeit eine laufende Versorgung wegen Invalidität bezieht oder die gesundheitlichen Voraussetzungen dafür erfüllt. Trotz der Verweisung in § 28 Abs. 3 VerAusglG auf die Vorschriften des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs ist der Ausgleich von Amts wegen im Verbundverfahren durchzuführen (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 10. September 2020 - 16 UF 53/20 -, juris, Rn. 16; Siede in Grüneberg, BGB, 84. Aufl., 2025, § 28 VersAusglG, Rn. 7).
Der Antragsteller ist Versicherungsnehmer einer privaten Berufsunfähigkeitszusatzversicherung bei der Beteiligten zu 1), wobei der Versicherungsfall bereits während der Ehezeit, nämlich im Februar 2019, eingetreten ist und der Leistungsbezug nach wie vor andauert. Bei der Berufsunfähigeitsversicherung handelt es sich um eine von § 28 VersAusglG umfasste Privatvorsorge wegen Invalidität (vgl. Siede in Grüneberg, aaO, § 28 VersAusglG, Rn. 2)
Für die Antragsgegnerin liegen ebenfalls die Voraussetzungen des § 28 VersAusglG vor. Zum Ende der Ehezeit erfüllte sie auf Grund des Bezugs einer Erwerbsminderungsrente bei der GUVH die gesundheitlichen Voraussetzungen für den Bezug einer Versorgung wegen Invalidität. Hierbei kann es dahingestellt bleiben, ob die Antragsgegnerin auch die Voraussetzungen für den Bezug einer Berufsunfähigkeitsrente nach den Versicherungsbedingungen des zwischen dem Antragsteller und der Beteiligten zu 1) geschlossenen Vertrags erfüllt. Maßgeblich ist nämlich nicht, dass ein Ausgleichsberechtigter die Voraussetzungen des Vertrags erfüllt, dessen Ausgleich er begehrt. Vielmehr kommt es für einen Anspruch nach § 28 VersAusglG lediglich darauf an, dass er wegen einer gesundheitlichen Beeinträchtigung keiner vollschichtigen Erwerbstätigkeit mehr nachgehen kann und die Voraussetzungen eines Versorgungssystems für eine vollständige oder teilweise Invaliditätsversorgung (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 VersAusglG), unter das der Ausgleichsberechtigte fällt, erfüllt sind (vgl. BGH, Beschluss vom 10. August 2022 - XII ZB 83/20 -, juris, Rn. 30; OLG Stuttgart, aaO, Rn. 21; BeckOGK/Fricke, 1.2.2025, VersAusglG § 28 Rn. 83). Bei der GUVH handelt es sich um ein für die Antragsgegnerin maßgebliches Versorgungssystem.
Unbeachtlich ist es, dass die GUVH die Erwerbsminderungsrente erst nach Ehezeitende mit Bescheid vom 20.01.2025 festsetzte. Denn sie stellte mit diesem Bescheid fest, dass die Antragsgegnerin ab dem 05.03.2020 und durchgehend bis heute in ihrer Erwerbsfähigkeit gemindert ist und einen Rentenanspruch hat. Mithin erfüllte die Antragsgegnerin bereits zum Ehezeitende am 28.02.2022 die Voraussetzungen der Invaliditätsversorgung. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen kann vorliegend auch trotz der noch nicht eingetretenen Bestandskraft des Rentenbescheids vom 20.01.2025 angenommen werden. Ein von der Antragsgegnerin angekündigter Widerspruch gegen den Bescheid wird sich nicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen der Erwerbsminderung dem Grunde nach auswirken. Der Widerspruch bezieht sich offenkundig nur auf die Höhe der Erwerbsminderungsrente und nicht auf den Wegfall des Anrechts bezieht. Auf Grund des im Widerspruchsverfahren geltenden Grundsatzes des Verschlechterungsverbots kann der Bescheid im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens nicht zum Nachteil der Antragsgegnerin abgeändert werden. Mit dem Widerspruch wird es daher allenfalls zu einer Veränderung des Grades der Erwerbsunfähigkeit zu Gunsten der Antragsgegnerin kommen. Eine solche Veränderung wirkt sich jedoch nicht auf den hier gegenständlichen Anspruch nach § 28 VersAusglG aus, der "lediglich" das Bestehen einer teilweisen Erwerbsunfähigkeit voraussetzt. Dies erfüllt die Antragsgegnerin in jedem Fall.
Die von dem Antragsteller erworbene Berufsunfähigkeitsrente wäre in der Folge nach §§ 28 Abs. 3, 20 Abs. 1, 22 VersAusglG schuldrechtlich auszugleichen. Hierbei würde das Anrecht des Antragstellers nach § 28 Abs. 2 VersAusglG als in vollem Umfang während der Ehezeit als erworben gelten.
Der Anspruch bestände ab dem auf die Rechtskraft der Ehescheidung folgenden Monat und würde mit Ende der Bezugsdauer der Invaliditätsversorgung enden (vgl. BGH, aaO, Rn. 32 ff.; Hartmut Wick in: Wick, Der Versorgungsausgleich, E. Der Wertausgleich bei der Scheidung, Rn. 571). Die Rechtskraft der Ehescheidung trat am 14.09.2023, einen Monat nach Bekanntgabe der Beschwerdeschrift an den Antragsteller, ein (§ 145 Abs. 1 Satz 1 und 2 FamFG). Die Berufsunfähigkeitsrente ist durch die Beteiligte zu 1) vertragsgemäß bis zum 28.02.2029 zu zahlen.
Sozialversicherungsbeiträge oder vergleichbare Aufwendungen, die nach §§ 28 Abs. 3, 20 Abs. 1 Satz 2 VersAusglG grundsätzlich abzuziehen wären, leistet der Antragsteller nach eigenen Angaben nicht auf die Berufsunfähigkeitsrente.
Berechnet würde der Ausgleichanspruch unter Zugrundelegung der tatsächlich gezahlten Rente (hier: ca. 580 EUR/ Monat), wobei sich der Ausgleichsbetrag vorliegend, da keine Sozialversicherungsbeiträge in Abzug zu bringen sind, auf den hälftigen Betrag beläuft (vgl. Götzsche in Götsche/Rehbein/Breuers, Versorgungsausgleichsrecht, 3. Aufl., 2018, § 28 VersAusglG, Rn. 14). Der Antragstellerin hätte mithin einen Anspruch auf eine monatliche Ausgleichszahlung von ca. 290 EUR. Einer weiteren Ermittlung der konkreten Rentenhöhe, die wegen Veränderungen in der Überschussbeteiligung leicht schwankend ist, bedarf es wegen der nachfolgend dargestellten Unbilligkeit des Ausgleichs dieses Anrechts (§ 27 VersAusglG) nicht.
2)
Der grundsätzlich mögliche Ausgleich der privaten Berufsunfähigkeitsversicherung des Antragstellers im Rahmen des Versorgungsausgleichs wäre grob unbillig und ist daher nicht durchzuführen.
Eine Beschränkung des Versorgungsausgleichs, die zu einer Abweichung des dem Versorgungsausgleich immanenten Halbteilungsgrundsatzes führt, kommt nur dann in Betracht, wenn die vollständige Durchführung des Versorgungsausgleichs grob unbillig wäre. Eine grobe Unbilligkeit liegt vor, wenn eine rein schematische Durchführung des Versorgungsausgleichs unter den besonderen Gegebenheiten des konkreten Einzelfalles dem Grundgedanken der gesetzlichen Regelung in unerträglicher Weise widerspricht. Grundgedanke der gesetzlichen Regelung des Versorgungsausgleichs ist der Halbteilungsgrundsatz (§ 1 Abs. 1 VersAusglG). Die Härtefallklausel des § 27 VersAusglG hat in diesem Zusammenhang die Funktion eines Gerechtigkeitskorrektivs: Sie soll als Ausnahmeregelung eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Entscheidung in solchen Fällen ermöglichen, in denen die schematische Durchführung des Versorgungsausgleichs zur "Prämierung" einer groben Verletzung der aus der ehelichen Gemeinschaft folgenden Pflichten führen oder gegen die tragenden Prinzipien des Versorgungsausgleichs verstoßen würde. Die Auslegung von § 27 VersAusglG hat sich daher stets an der gesetzlichen Zielsetzung des Versorgungsausgleichs zu orientieren, nämlich eine gleichberechtigte Teilhabe der Ehegatten an dem in der Ehe erworbenen Versorgungsvermögen zu verwirklichen und dem Ehegatten, der in der Ehezeit keine oder nur geringere eigene Versorgungsanwartschaften hat aufbauen können, eine eigene Versorgung zu schaffen. Gleichzeitig hat eine umfassende Gesamtabwägung der wirtschaftlichen, sozialen und persönlichen Verhältnisse beider Ehegatten zu erfolgen (vgl. BGH, Beschluss vom 1. April 2015 - XII ZB 701/13 -, juris, Rn. 14 ff.; BGH, Beschluss vom 16. August 2017 - XII ZB 21/17 -, juris, Rn. 36).
In diesem Rahmen sind auch solche Versorgungsanrechte mit in die Gesamtabwägung einzustellen, die weder durch Arbeit noch durch Vermögen geschaffen wurden und mithin nicht im Rahmen des Versorgungsausgleichs auszugleichen sind (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG). Dies betrifft unter anderem Renten aus der gesetzlichen Unfallversicherung (vgl. MüKoBGB/Weber, 9. Aufl. 2022, VersAusglG § 27 Rn. 11; OLG Celle, Beschluss vom 16.03.1989, 17 UF 160/88, in FamRZ 1989, 1098).
Unter Beachtung dieses Maßstabes ist ein Ausgleich der Berufsunfähigkeitsversicherung des Antragstellers grob unbillig. Beide Ehegatten sind teilweise in ihrer Erwerbsfähigkeit gemindert, wobei die Minderung jeweils in der Ehezeit eintrat, und beide beziehen auf Grund ihrer eingeschränkten Erwerbsfähigkeit eine Versorgung, der Antragsteller eine private Berufsunfähigkeitsversicherung, die Antragsgegnerin eine gesetzliche Unfallversicherung. Im Gegensatz zu der Versorgung des Antragstellers, unterfällt die Versorgung der Antragsgegnerin jedoch nicht dem Versorgungsausgleich. Die von ihr bezogene Unfallversicherung wurde, anders als beispielsweise eine Erwerbsunfähigkeitsrente in der gesetzlichen Rentenversicherung, nicht durch Arbeit geschaffen. Auch wurde sie, anders als beispielsweise eine private Berufsunfähigkeitsversicherung, nicht durch Vermögen geschaffen. Sie ist mithin nicht im Rahmen des Versorgungsausgleichs auszugleichen (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG), sondern steht auch nach der Ehescheidung allein der Antragsgegnerin zu.
Unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse und des Versorgungsbezugs beider beteiligten Ehegatten aus ihren Invaliditätsversorgungen wäre der auf das Anrecht des Antragstellers beschränkte Ausgleich grob unbillig. Während der Antragsteller monatlich ca. 580 EUR bezieht und im Rahmen des Versorgungsausgleichs monatlich den hälftigen Betrag von ca. 290 EUR an die Antragsgegnerin abgeben müsste, würde die Antragsgegnerin die Anrechte aus ihrer Erwerbsminderungsrente, die monatlich zwischen 382,20 EUR und 1.342,16 EUR liegen, ungekürzt behalten dürfen. Für die Zeit zwischen Rechtskraft der Ehescheidung und dem heutigen Tage würde dies bedeuten, dass der Antragsteller Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung von ca. 14.000 EUR erhalten hat, von denen die Hälfte an die Antragsgegnerin ausgeglichen werden müsste, während die Antragsgegnerin die von ihr bezogenen Leistungen aus der Unfallversicherung von ca. 23.500 EUR ungekürzt behalten dürfte. Dies würde zu einem unbilligen Ungleichgewicht in der Versorgung führen, die eine Durchbrechung des Halbteilungsgrundsatzes rechtfertigt.
Eine andere Bewertung ist auch nicht vor dem Hintergrund der Einkommensverhältnisse der Beteiligten geboten. So standen dem Antragsteller zum Ehezeitende ca. 2.000 EUR netto zur Verfügung (ALG I und private Berufsunfähigkeitsversicherung), während die Antragsgegnerin einem sog. Midi-Job nachging und Unterhaltszahlungen erhielt, so dass ihr insgesamt ca. 1.500 EUR zur Verfügung standen. Hinzu kommen bei der Antragsgegnerin dann noch die erst nach Ehezeitende festgesetzten Leistungen aus der Unfallversicherung. Dies wird im Ergebnis dazu führen, dass sie auch ohne die Teilung der privaten Berufsunfähigkeitsversicherung des Antragstellers vergleichbare und teilweise höhere monatliche Einkünfte hat als der Antragsgegner und wirtschaftlich nicht auf die Teilung dieses Anrechts angewiesen ist. Auf Grund des Bezuges einer eigenen gesetzlichen Unfallversicherung in nicht unerheblicher Höhe ist auch nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin auf den Erhalt der geteilten privaten Berufsunfähigkeitsversicherung des Antragstellers dringend angewiesen ist. Darüber hinaus ist nicht ausgeschlossen, dass die Rentenleistungen aus der Unfallversicherung für die Antragsgegnerin weiter ansteigen werden, dies im Falle des Erfolgs ihres angekündigten Widerspruchs gegen die Rentenhöhe.
Der Ausgleich der privaten Berufsunfähigkeitsrente ist daher in der Gesamtschau grob unbillig, womit auch die hierauf gerichtete Beschwerde keinen Erfolg hat."
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 84, 150 Abs. 3 FamFG.
Der Beschwerdewert beruht auf §§ 40, 50 Abs. 1 FamGKG.