27.07.2023 · IWW-Abrufnummer 236472
Oberlandesgericht Oldenburg: Beschluss vom 22.06.2023 – 8 U 174/22
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT OLDENBURG
B e s c h l u s s
8 U 174/22
7 O 861/22 Landgericht Osnabrück
In dem Rechtsstreit
AA, Ort1,
Beklagter und Berufungskläger,
Prozessbevollmächtigte:
(...),
Geschäftszeichen: (...)
gegen
BB, Ort2,
Klägerin und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte:
(...),
Geschäftszeichen: (...)
hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht (...), die Richterin am Oberlandesgericht (...) und den Richter am Landgericht (...)
am 22. Juni 2023
einstimmig beschlossen:
Der Gebührenstreitwert des Berufungsverfahrens wird auf bis zu 13.000 € festgesetzt.
Gründe:
Dagegen richtet sich die Berufung des Beklagten, der weiterhin die Abweisung der Klage erstrebt.
c) Das Landgericht hat sich mit der im Schreiben der Beklagtenvertreterin vom 18. Januar 2022 erklärten Kündigung befasst, obwohl diese Kündigung in den erstinstanzlichen Schriftsätzen der Parteien nicht thematisiert worden ist. Das nimmt die Beklagtenvertreterin nun zum wiederholten Male zum Anlass, dem Landgericht einen Verstoß gegen seine Hinweispflichten gemäß § 139 ZPO vorzuwerfen. Das ist abwegig. Insbesondere ist nicht nachvollziehbar, warum für die Beklagtenseite nicht erkennbar gewesen sein soll, dass es auf die Kündigung ankommen könnte. Dies schon deshalb, weil keine Beweisaufnahme erforderlich gewesen wäre, wenn das Landgericht von vornherein angenommen hätte, dass ein lebenslanges Wohnrecht nicht in Betracht kommt. Dass der für die Voraussetzungen eines Kündigungsrechts darlegungs- und beweispflichtige Beklagte in erster Instanz keine Ausführungen zu der Kündigung gemacht hat, beruht somit auf Nachlässigkeit im Sinne des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO.
B e s c h l u s s
8 U 174/22
7 O 861/22 Landgericht Osnabrück
In dem Rechtsstreit
AA, Ort1,
Beklagter und Berufungskläger,
Prozessbevollmächtigte:
(...),
Geschäftszeichen: (...)
gegen
BB, Ort2,
Klägerin und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte:
(...),
Geschäftszeichen: (...)
hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht (...), die Richterin am Oberlandesgericht (...) und den Richter am Landgericht (...)
am 22. Juni 2023
einstimmig beschlossen:
Die Berufung des Beklagten gegen das am 6. September 2022 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 7. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe:
I.
Der Beklagte kaufte mit notariellem Vertrag vom 29. Mai 2020 (Anlage K1, Anlagenband) das Hausgrundstück Straße1 in Ort2 für 180.000 €. Das Hausgrundstück hatte dem am TT. MM 2020 verstorbenen CC (Großvater des Beklagten) gehört und war von diesem gemeinsam mit der Klägerin (Großmutter des Beklagten) bewohnt worden. Erben des CC waren seine Ehefrau, die Klägerin, sowie die gemeinsamen Töchter DD (Mutter des Beklagten) und EE (Tante des Beklagten) als Erbengemeinschaft. Dem Abschluss des Kaufvertrages zwischen dem Beklagten und der Erbengemeinschaft waren Gespräche vorausgegangen, in denen grundsätzlich Einigkeit darüber bestand, dass die Klägerin weiter in dem Haus wohnen bleiben konnte.
Einzelheiten sind insoweit streitig.
Der Beklagte ist inzwischen nicht mehr Eigentümer des Grundstücks. Das Eigentum ist auf Frau FF und Herrn GG übergegangen (Eintragungsnachricht des Amtsgerichts Osnabrück vom 25. August 2022, GA 95 ff.; siehe dazu auch den zwischen den jetzigen Eigentümern und dem Beklagten als Verkäufer geschlossenen notariellen Kaufvertrag vom 5. April 2022 zu einem Kaufpreis von 417.500 €, Anlage K6, Anlagenband).
Mit Schreiben der jetzigen Beklagtenvertreterin vom 18. Januar 2022 (Anlage K2, Anlagenband) ließ der Beklagte gegenüber der Klägerin „das unentgeltliche Nutzungsverhältnis über die Wohnung im Erdgeschoss [des Hauses Straße1 in Ort2] und die dazugehörigen Flächen“ kündigen.
Die Klägerin beantragte vor dem Landgericht zuletzt die Feststellung, dass ihr an den im Erdgeschoss gelegenen Räumen des Wohnhauses Straße1 in Ort2 ein lebenslanges, unentgeltliches, schuldrechtliches Wohnrecht zusteht
Wegen der weiteren Einzelheiten wird gemäß § 522 Abs. 2 Satz 4 ZPO Bezug genommen auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil, mit dem das Landgericht die von der Klägerin begehrte Feststellung getroffen hat.
II.
Der Senat weist die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO durch Beschluss zurück, weil sie offensichtlich unbegründet ist. Zur Begründung wird auf den Hinweisbeschluss vom 27. April 2023 Bezug genommen (§ 522 Abs. 2 Satz 3 ZPO). Die Ausführungen des Beklagten im Schriftsatz vom 25. Mai 2023 geben keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung.
1. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO. Die Beklagtenvertreterin führt selbst aus, dass es im vorliegenden Einzelfall um die Beurteilung einer Individualerklärung geht. Es ist nicht ersichtlich, inwieweit der vorliegende Fall klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfragen aufwerfen sollte, die sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen könnten (vgl. Musielak/Voit/Ball, ZPO, 20. Aufl. 2023, § 522 Rn. 22, § 543 Rn. 5 mwN).
2. Der Beklagte bringt keine stichhaltigen Argumente gegen die Ausführungen des Senats im Hinweisbeschluss vor. Er wiederholt im Wesentlichen seine bereits mit der Berufungsbegründung vorgetragene Kritik an der Auslegung der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen und der Beweiswürdigung des Landgerichts. Damit dringt der Beklagte weiterhin nicht durch.
a) Der Senat bleibt dabei, dass die auf Initiative des Notars in den notariellen Kaufvertrag aufgenommene Regelung zum Abschluss eines Mietvertrages nicht dem Willen der Parteien entsprach, woran auch das von der Beklagtenvertreterin erstmals mit der Berufungsbegründung als Anlage BK1 (GA 165) vorgelegte einseitige Schriftstück mit der Überschrift „Mietvertrag“ nichts ändert. Der Vortrag des Beklagten zu diesem Thema ist inkonsistent und wird ersichtlich an die jeweilige Prozesssituation angepasst. So mag es sein, dass der Beklagtenvertreterin bei Abfassung des Kündigungsschreibens vom 18. Januar 2022 der „bei den Banken verbliebene Mietvertrag“ nicht bekannt war, wie sie jetzt vorträgt. Nicht nachvollziehbar ist allerdings, dass der Beklagte sie damals über das Bestehen eines Mietvertrages nicht informiert haben soll, wenn dies tatsächlich seinem Willen entsprochen hätte.
Abgesehen davon wird in dem genannten Kündigungsschreiben detailliert auf den notariellen Kaufvertrag Bezug genommen, der der Beklagtenvertreterin also offensichtlich bekannt war.
Dieser Vertrag enthält in § 4 Nr. 5 Abs. 1 die Regelung, dass ein unbefristeter Mietvertrag geschlossen werden soll. In dem Kündigungsschreiben heißt es aber ausdrücklich (fett gedruckt und unterstrichen), dass ein Mietvertrag nicht vereinbart wurde. Das ließe sich nicht erklären, wenn die Parteien oder jedenfalls der Beklagte tatsächlich einen Mietvertrag gewollt und der Beklagte lediglich die Miete nicht beansprucht, wenn auch nicht „endgültig und dauerhaft“ darauf verzichtet habe.
b) Der Beklagte, der das Objekt inzwischen für 417.500 € weiterverkauft hat, hält an seinem Einwand fest, dass der von ihm gezahlte Kaufpreis von 180.000 € nicht dem Preis für eine mit einem lebenslangen Wohnrecht belastete Immobilie entsprochen habe, sondern bei einer entsprechenden Belastung niedriger ge-wesen wäre. Auch dies bleibt ohne Erfolg.
Es ist unstreitig, dass vor Abschluss des Kaufvertrages vom 29. Mai 2020 ein Sachverständiger zur Wertermittlung hinzugezogen wurde. Der Zeuge HH hat erklärt (GA I 88), dass der Sachverständige einen Wert zwischen 200.000 € und 250.000 € angegeben habe, „wobei 250.000 € eher unwahrscheinlich seien“. Nach der Aussage der Zeugin EE (GA I 86 f.) hat der Sachverständige den Verkehrswert mit 250.000 € beziffert ‒ dafür würde er das Haus „ins Netz stellen“. Zu dem Kaufpreis von 180.000 € sei es gekommen, weil man glücklich gewesen sei, dass die Klägerin in dem Haus wohnen bleiben könnte. Demzufolge ist auch bei Zugrundelegung der vom Zeugen HH, dem damaligen Verlobten des Beklagten, genannten Zahlen dem Beklagten ein nicht unerheblicher Nachlass gewährt worden, dies vor dem Hintergrund der jedenfalls auch über den Wohnbedarf der Klägerin geführten Gespräche. Angesichts der im hier zu beurteilenden Einzelfall erfolgten individuellen Wertermittlung, der auf dieser Grundlage geführten Gespräche über den Kaufpreis und des dabei gewährten Preisnachlasses kommt es nicht darauf an, wie die Kaufpreise für vergleichbare Grundstücke ‒ mit und ohne Vereinbarung eines lebenslangen Wohnrechts ‒ waren.