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  • 28.02.2018 · IWW-Abrufnummer 199893

    Hessisches Finanzgericht: Urteil vom 22.06.2017 – 10 K 833/15

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Hessen

    Urt. v. 22.06.2017

    Az.: 10 K 833/15

    Tenor:

    1. Die Klage wird abgewiesen.
    2. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig. Diese trägt der Beigeladene selbst.
    3. Die Revision wird zugelassen.
    Tatbestand

    Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin berechtigt ist, ihren Antrag auf Beschränkung der Vollstreckung vor Bestandskraft des bereits erteilten Aufteilungsbescheids zurückzunehmen.

    Die Klägerin wurde für das Jahr 2012 zusammen mit ihrem Ehemann, Herrn B, zur Einkommensteuer veranlagt. Der Ehemann erzielte bis zum 29. Februar 2012 Einkünfte aus selbstständiger Arbeit. Zudem erzielten die Klägerin und ihr Ehemann jeweils Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit.

    Über das Vermögen des Herrn B wurde am 25. September 2012 das Insolvenzverfahren eröffnet. Zum Insolvenzverwalter wurde der Beigeladene Herr F bestellt.

    Der Beklagte erließ am 10. April 2014 einen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2012, mit welchem er die Einkommensteuer in Höhe von 23.068 € und den Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer 2012 in Höhe von 1.268,74 € festsetzte. Die Einkünfte aus selbstständiger Arbeit des Ehemannes der Klägerin ermittelte der Beklagte im Schätzungswege. Aus dem Abrechnungsteil des Bescheides ergab sich eine Nachforderung des Beklagten betreffend Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer in Höhe von 7.294 €. Der Bescheid wurde im Wege der Einzelbekanntgabe an die Klägerin bekannt gegeben. Soweit die Steuerfestsetzung das insolvenzfreie Vermögen des Ehemannes der Klägerin betraf, wurde der Bescheid an den Beigeladenen als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Ehemannes der Klägerin bekannt gegeben.

    Soweit die Steuerforderung den Zeitraum vor Insolvenzeröffnung betraf, erging an diesen eine Berechnungsmitteilung.

    Gegen den Einkommensteuerbescheid vom 10. April 2014 für das Jahr 2012 legte die Klägerin mit Schreiben vom 14. April 2014 Einspruch ein und wandte sich gegen die im Schätzwege der Besteuerung unterworfenen Einkünfte aus selbstständiger Arbeit ihres Ehemannes der Höhe nach.

    Darüber hinaus beantragte sie die Aufteilung der Steuerschuld.

    Nachdem im Rahmen des Einspruchsverfahrens gegen den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2012 eine Gewinnermittlung betreffend die Einkünfte aus selbstständiger Arbeit des Ehemannes der Klägerin beim Beklagten eingereicht worden war, half der Beklagte dem Einspruch ab und erließ am 15. August 2014 einen geänderten Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2012. Die Einkommensteuer wurde auf 16.694 € und der Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer 2012 auf 918,17 € festgesetzt. Aus dem Abrechnungsteil ergab sich eine Nachforderung des Beklagten betreffend die Einkommensteuer für das Jahr 2012 in Höhe von 540 € sowie hinsichtlich des Solidaritätszuschlages in Höhe von 29,91 €. Der Bescheid wurde im Wege der Einzelbekanntgabe an die Klägerin bekannt gegeben. Dem Beigeladenen übersandte der Beklagte eine Berechnungsmitteilung.

    Auf Basis dieses geänderten Einkommensteuerbescheides erließ der Beklagte ebenfalls am 15. August 2014 einen Aufteilungsbescheid zur Einkommensteuer 2012. Darin teilte der Beklagte den insgesamt aufzuteilenden Betrag in Höhe von 19.144,67 € (rückständige Einkommensteuer in Höhe von 540 €, rückständiger Solidaritätszuschlag in Höhe von 29,91 €, in die Aufteilung einzubeziehende Steuerabzugsbeträge in Höhe von 17.042,26 €, rückständige Säumniszuschläge in Höhe von 1.532,50 €) nach dem Verhältnis der Beträge auf, die sich bei getrennter Veranlagung zur Einkommensteuer ergäben. Dieses führte dazu, dass auf die Klägerin 100 % und auf den Beigeladenen 0 % der Steuer entfielen. Die Klägerin traf unter Anrechnung der auf sie entfallenden Steuerabzugsbeträge eine Nachforderung in Höhe von 5.999,51 €, während dem Beigeladenen ein Erstattungsanspruch in Höhe von 3.897,10 € zustand. Der Aufteilungsbescheid wurde der Klägerin und dem Beigeladenen bekannt gegeben.

    Gegen den Aufteilungsbescheid legte die Klägerin am 21. August 2014 beim Beklagten Einspruch ein und nahm mit Schreiben vom selben Tage den Antrag auf Aufteilung der Steuerschuld vom 14. April 2014 zurück. Nachdem der Beklagte auf den Einspruch der Klägerin gegen die Einkommensteuerfestsetzung des Jahres 2012 einen geänderten Einkommensteuerbescheid erlassen habe, in welchem die Einkünfte aus selbstständiger Arbeit des Ehemannes der Klägerin reduziert worden seien, sei der Antrag auf Aufteilung der Steuerschuld vom 14. April 2014 überholt. Die Klägerin sei bereit, die im Bescheid vom 15. August 2014 ausgewiesene Steuerschuld betreffend die Einkommensteuer und den Solidaritätszuschlag in Höhe von insgesamt 569,91 € zu zahlen.

    Mit Bescheid vom 22. Oktober 2014 wurde der Beigeladene zum Einspruchsverfahren der Klägerin gegen den Aufteilungsbescheid vom 15. August 2014 gemäß § 360 der Abgabenordnung - AO - hinzugezogen. Dieser beantragte daraufhin mit Schreiben vom 12. November 2014 die Aufteilung der Steuerschuld.

    Mit Einspruchsentscheidung vom 10. April 2015 wies der Beklagte den Einspruch gegen den Aufteilungsbescheid als unbegründet zurück.

    Begründet wurde die Entscheidung damit, dass die Aufteilung dem Grunde und der Höhe nach zu Recht erfolgt sei. Zudem könne ein Aufteilungsantrag nur so lange zurückgenommen werden, bis der Aufteilungsbescheid nicht erteilt worden sei. Ein erteilter Aufteilungsbescheid könne nur aus den in § 280 AO genannten Gründen geändert werden. Nicht zu diesen Gründen gehöre die Rücknahme des Aufteilungsantrags. Da § 280 AO gegenüber den §§ 130 ff. und §§ 172 ff. AO die speziellere Vorschrift sei, würden die Änderungsmöglichkeiten für Aufteilungsbescheide hierdurch abschließend geregelt. Auch nach § 367 Abs. 2 AO sei eine Aufhebung des Aufteilungsbescheides ausgeschlossen, da der Antrag auf Aufteilung der Steuerschuld nach § 268 AO die Ausübung eines verwaltungsrechtlichen Gestaltungsrechts darstelle, das unwiederholbar und unwiderruflich sei.

    Der Beklagte gab die Einspruchsentscheidung an die Klägerin bekannt. Eine Bekanntgabe derselben an den Beigeladenen erfolgte nicht.

    Am 30. April 2015 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie macht geltend, sie habe den Antrag auf Erteilung eines Aufteilungsbescheides zurückgenommen. Der Aufteilungsantrag sei für die ursprünglich mit Bescheid vom 10. April 2014 erfolgte Steuerfestsetzung erfolgt und sei daher überholt. Der Aufteilungsbescheid des Beklagten vom 15. August 2014 sei daher aufzuheben, da dieser rechtswidrig sei.

    Die Klägerin meint außerdem, das Finanzgericht Berlin-Brandenburg habe mit Urteil vom 16. September 2009 7 K 7453/06 B, EFG 2010, 6 entschieden, dass der Antrag auf Erteilung eines Aufteilungsbescheides zurückgenommen werden könne. Die Klägerin beruft sich zudem darauf, dass bei zusammenveranlagten Ehegatten die Wahl der Veranlagungsart bis zur Bestandskraft des Veranlagungsbescheides erfolgen könne.

    Diesem Rechtsgedanken folgend müsse auch der Antrag auf Aufteilung der Steuerschuld bis zur Bestandskraft disponibel sein.

    Die Klägerin beantragt,

    den Aufteilungsbescheid für die Einkommensteuer 2012 vom 15. August 2014 und die Einspruchsentscheidung vom 10. April 2015 aufzuheben.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er ist weiterhin der Auffassung, dass die Rücknahme des Antrags auf Aufteilung der Steuerschuld nicht habe erfolgen können. Das Niedersächsische Finanzgericht habe mit Urteil vom 5. November 2013 15 K 14/13, EFG 2014, 106, entschieden, dass ein Antrag auf Aufteilung der Steuerschuld bei Gesamtschuldnern nach Erteilung des Aufteilungsbescheides nicht erfolgen könne. Dieser Auffassung schließe sich der Beklagte an. Das seitens der Klägerin angeführte Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 16. September 2009 7 K 7453/06 B, EFG 2010, 6 sei hingegen nicht einschlägig. Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg habe die Frage zu entscheiden gehabt, ob ein Antrag auf Aufteilung der Steuerschuld rechtsmissbräuchlich gewesen sei. Nicht zu entscheiden gewesen sei über die vorliegend maßgebliche Rechtsfrage, ob ein Antrag auf Aufteilung der Steuerschuld nach Erlass des Bescheides zurückgenommen werden könne.

    Mit Beschluss vom 16. Januar 2017 ist Herr F als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Herrn B gemäß § 60 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung - FGO - zum Verfahren beigeladen worden.

    Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

    Die den Streitgegenstand betreffenden Steuerakten haben dem Gericht vorgelegen.

    Entscheidungsgründe

    I. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

    Der Aufteilungsbescheid für die Einkommensteuer 2012 vom 15. August 2014 und die Einspruchsentscheidung vom 10. April 2015 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.

    Der Beklagte hat zu Recht auf Antrag der Klägerin einen Aufteilungsbescheid erlassen (1.) und ist zu Recht davon ausgegangen, dass dieser Antrag nicht zurückgenommen werden konnte (2.).

    1. Der Beklagte hat zu Recht einen Aufteilungsbescheid für die Einkommensteuer 2012 mit dem sich aus dem Bescheid vom 15. August 2014 ausgewiesenen Inhalt erlassen.

    Sind Personen Gesamtschuldner, weil sie zusammen zu einer Steuer vom Einkommen oder zur Vermögensteuer veranlagt worden sind, so kann nach § 268 AO jeder von ihnen beantragen, dass die Vollstreckung wegen dieser Steuer jeweils auf den Betrag beschränkt wird, der sich nach Maßgabe der §§ 269 bis 278 AO bei einer Aufteilung der Steuern ergibt. Der Antrag ist bei dem im Zeitpunkt der Antragstellung für die Besteuerung nach dem Einkommen oder dem Vermögen zuständigen Finanzamt schriftlich zu stellen oder zur Niederschrift zu erklären (§ 269 Abs. 1 AO). Die rückständige Steuer ist gemäß § 270 Satz 1 AO nach dem Verhältnis der Beträge aufzuteilen, die sich bei der Einzelveranlagung nach Maßgabe des § 26a des Einkommensteuergesetzes - EStG - und der §§ 271 bis 276 AO ergeben würden. Über den Antrag auf Beschränkung der Vollstreckung ist nach Einleitung der Vollstreckung durch schriftlichen Bescheid (Aufteilungsbescheid) gegenüber den Beteiligten einheitlich zu entscheiden (§ 279 Abs. 1 AO). Der Aufteilungsbescheid hat die Höhe der auf jeden Gesamtschuldner entfallenden anteiligen Steuer zu enthalten; ihm ist eine Belehrung beizufügen, welcher Rechtsbehelf zulässig ist und bei welcher Behörde er einzulegen ist (§ 279 Abs. 2 Satz 1 AO).

    Die Klägerin hat am 14. April 2014 einen Antrag auf Aufteilung der Steuerschuld für die Einkommensteuer 2012 gestellt. Der Beklagte hat daher zu Recht einen Aufteilungsbescheid erlassen. Dieser Bescheid entspricht auch inhaltlich den rechtlichen Anforderungen. Dieses ist auch zwischen den Beteiligten unstreitig.

    2. Die Klägerin war nicht berechtigt, den Antrag auf Beschränkung der Vollstreckung zurückzunehmen.

    a) Die Vorschriften über die Aufteilung einer Gesamtschuld (§§ 268 bis 280 AO) sehen nicht die Möglichkeit vor, dass der Schuldner den Aufteilungsantrag zurücknimmt.

    Unter welchen Voraussetzungen ein Aufteilungsbescheid geändert werden kann, ist abschließend in § 280 Abs. 1 AO geregelt. § 280 AO stellt vielmehr gegenüber §§ 130 ff. AO und §§ 172 ff. AO die speziellere Vorschrift dar. Das bedeutet, dass ein Aufteilungsbescheid ausschließlich nach Maßgabe der Bestimmungen des § 280 Abs. 1 AO korrigiert werden kann (vgl. Horn in Schwarz AO, § 280 Rz. 1; Kruse in Tipke/Kruse AO/FGO, § 280 Rz. 1; Müller-Eiselt in Hübschmann/Hepp/Spitaler AO/FGO, § 280 AO Rz. 2; Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 5. November 2013 15 K 14/13, EFG 2014, 106).

    Die Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 AO liegen im Streitfall nicht vor. Denn der Aufteilungsbescheid vom 14. April 2014 beruht weder auf unrichtigen Angaben (Nr. 1), noch hat sich die rückständige Steuer nach Erteilung des Bescheides geändert (Nr. 2).

    b) Dem Beklagten ist auch weder nach dem Vorbringen der Beteiligten noch nach Aktenlage bei Erlass des Aufteilungsbescheides eine offenbare Unrichtigkeit unterlaufen, die gemäß § 280 Abs. 1 AO i. V. m. § 129 AO durch eine Aufhebung des Bescheides berichtigt werden könnte.

    c) Schließlich kommt auch eine Aufhebung des Aufteilungsbescheides nach § 367 Abs. 2 AO nicht in Betracht.

    aa) Zwar hat gemäß § 367 Abs. 2 AO die Finanzbehörde, die über den Einspruch entscheidet, die Sache in vollem Umfang erneut zu prüfen. Das bedeutet, dass im Rechtsbehelfsverfahren Einwendungen gegen den aufzuteilenden Betrag, den angewendeten Aufteilungsmaßstab, die Anrechnung von Beträgen nach § 276 Abs. 6 AO und das Aufteilungsverfahren erhoben werden können (Horn in Schwarz AO, § 279 Rz. 9; Kruse in Tipke/Kruse AO/FGO, § 279 AO Rz. 9; Müller-Eiselt in Hübschmann/Hepp/Spitaler AO/FGO, § 279 AO Rz. 9).

    Eine Aufhebung eines Aufteilungsbescheides nach § 367 Abs. 2 AO aufgrund der Tatsache allerdings, dass der die Aufteilung Beantragende an seinem Antrag nicht mehr festhält, kommt indes aufgrund der Rechtsnatur des Antrags auf Erteilung eines Abrechnungsbescheides nicht in Betracht.

    Nach Auffassung der Rechtsprechung und der Literatur, der sich das Gericht anschließt, stellt der Antrag des Gesamtschuldners nach § 268 AO auf Erteilung eines Aufteilungsbescheides die Ausübung eines verwaltungsrechtlichen Gestaltungsrechts dar (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 12. Juni 1990 VII R 69/89, Bundessteuerblatt - BStBl - II 1991, 493; Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 5. November 2013 15 K 14/13, EFG 2014, 106; Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 14. Februar 2017 11 K 370/15, juris; Kruse in Tipke/Kruse AO/FGO, § 269 AO Rz. 1; Zeller-Müller in Beermann/Gosch AO/FGO, § 269 AO Rz. 2). Das hat zur Folge, dass der Antrag konstitutiv wirkt (vgl. Kruse in Tipke/Kruse AO/FGO, § 269 AO Rz. 1; Müller-Eiselt in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 269 AO Rz. 5; Zeller-Müller in Beermann/Gosch AO/FGO, § 269 AO Rz. 2; Urteil des BFH vom 12. Juni 1990 VII R 69/89, BStBl II 1991, 493; Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 5. November 2013 15 K 14/13, EFG 2014). Das Finanzamt muss aufteilen (vgl. Kruse in Tipke/Kruse AO/FGO, § 269 Rz. 1). Vom Zeitpunkt der Antragstellung an dürfen Vollstreckungsmaßnahmen nur noch zur Sicherung des Anspruchs erfolgen (vgl. Kruse in Tipke/Kruse AO/FGO, § 269 AO Rz. 1).

    Nach Auffassung des Senats kann wegen der Rechtsnatur eines Gestaltungsrechts der Antrag auf Aufteilung der Steuerschuld nicht widerrufen bzw. zurückgenommen werden (vgl. auch Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 5. November 2013 15 K 14/13, EFG 2014, 106; Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg 11 K 370/15, juris; Zeller-Müller in: Beermann/Gosch AO/FGO, § 269 AO Rz. 2).

    Für schuldrechtliche Gestaltungsrechte ist allgemein anerkannt, dass diese wegen ihrer konstitutiven Wirkung nach erfolgter Ausübung unwiderruflich sind (vgl. Palandt/Ellenberger in Bürgerliches Gesetzbuch, Überblick vor § 104 Rz. 17). Wird ein Gestaltungsrecht wirksam ausgeübt, kann es nicht mehr einseitig widerrufen oder zurückgenommen werden (vgl. Palandt/Ellenberger in Bürgerliches Gesetzbuch, Überblick vor § 104 Rz. 17). Da das Gestaltungsrecht auf die Rechtsstellung des Erklärungsempfängers ohne dessen Zutun einwirkt, ist dieses daher grundsätzlich bedingungsfeindlich und verträgt grundsätzlich auch keinen Schwebezustand (vgl. Palandt/Ellenberger in Bürgerliches Gesetzbuch, Überblick vor § 104 Rz. 17). Nach Vornahme des Gestaltungsrechts ist dieses verbraucht. Es kann aus Gründen der Rechtssicherheit nicht mehr einseitig zurückgenommen oder widerrufen werden (vgl. Palandt/Ellenberger in Bürgerliches Gesetzbuch, Überblick vor § 104 Rz. 17). Unwiederholbarkeit und Unwiderruflichkeit der Gestaltungsrechte sind der Preis dafür, dass man auf so einfache Weise, nämlich durch bloße Willenserklärung sein Recht verwirklichen kann (vgl. Urteil des Bundesarbeitsgerichts - BAG - vom 26. August 1993 2 AZR 159/93, BAGE 74, 143 m. w. N.).

    Nach Auffassung des Senats gelten diese Grundsätze aus Gründen der Rechtssicherheit auch für verwaltungsrechtliche Gestaltungsrechte, somit auch für die Ausübung des Antrags auf Erteilung eines Abrechnungsbescheides (vgl. auch: Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 5. November 2013 15 K 14/13, EFG 2014, 106; Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 14. Februar 2017 11 K 370/15, juris; Zeller-Müller in Beermann/Gosch AO/FGO, § 269 AO Rz. 2).

    Vorliegend bedeutet dieses, dass die Klägerin ihren am 14. April 2014 gestellten Antrag auf Erteilung eines Abrechnungsbescheides nicht zurücknehmen konnte.

    bb) Sollte dem Urteil des Finanzgerichts Berlin- Brandenburg vom 16. September 2009 7 K 7453/06 B, EFG 2010, 6, worauf die Klägerin hinweist, zu entnehmen sein, dass dieses die rechtliche Möglichkeit einer Rücknahme des Antrags auf Aufteilung der Steuerschuld bejaht, so folgt der Senat dieser Auffassung aus den bereits dargelegten Erwägungen nicht. Da das Finanzgericht Berlin- Brandenburg über die Frage zu befinden hatte, ob der Antrag auf Erlass eines Aufteilungsbescheides wegen des Verstoßes gegen das Schikaneverbot unwirksam war, diesbezüglich hingegen nicht streitentscheidend gewesen ist, ob ein Antrag auf Aufteilung der Steuerschuld zurückgenommen werden kann, hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg im vorgenannten Urteil auch keine Argumente angeführt, die die Ansicht stützen, dass ein Aufteilungsantrag zurückgenommen werden kann. Das Urteil ist somit nicht geeignet, den Senat von einer anderen als der dargestellten Rechtsauffassung zu überzeugen.

    cc) Die Möglichkeit, den Antrag auf Aufteilung der Steuerschuld zurückzunehmen, ergibt sich auch nicht aus den Vorschriften über die Steuerveranlagung von Ehegatten.

    Nach § 26 Abs. 1 S. 1 EStG in der bis 31. Dezember 2012 geltenden Fassung können Ehegatten, die beide unbeschränkt steuerpflichtig sind und nicht dauernd getrennt leben, zwischen getrennter und Zusammenveranlagung wählen. Die Wahl der Veranlagungsart kann bis zur Bestandskraft des Zusammenveranlagungsbescheides oder - bei getrennter Veranlagung bzw. besonderer Veranlagung nach § 26c EStG - eines der beiden Bescheide geändert werden (vgl. im Einzelnen Seeger in Schmidt EStG, 35. Aufl., § 26 Rz. 24). Die Grundsätze über die Änderbarkeit der Wahl der Veranlagungsart sind hingegen für die Frage, ob ein Aufteilungsantrag zurückgenommen werden kann, deshalb nicht maßgeblich, weil die §§ 26 ff. EStG - anders als die Vorschriften der §§ 280 ff. - den Ehegatten ein Wahlrecht einräumen, während die §§ 268 ff. AO - wie dargelegt - ein verwaltungsrechtliches Gestaltungsrecht begründen (vgl. auch Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 5. November 2013 15 K 14/13, EFG 2014, 106). Zudem betrifft § 26 EStG das Veranlagungsverfahren, während die §§ 268 ff. das Vollstreckungsverfahren betreffen.

    Es bestand somit für den Beklagten kein Anlass, den Abrechnungsbescheid vom 15. August 2014 auf den Einspruch der Klägerin aufzuheben.

    II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1, 135 Abs. 3 FGO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind gemäß § 139 Abs. 4 FGO nicht erstattungsfähig, da dieser keine Anträge gestellt hat.

    III. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1, 2 FGO zugelassen. Durch die Rechtsprechung des BFH ist bislang nicht geklärt, ob ein Antrag auf Beschränkung der Vollstreckung nach §§ 268 ff. AO vor Eintritt der Bestandskraft des Aufteilungsbescheides zurückgenommen werden kann.

    RechtsgebietAOVorschriftenAO § 268