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  • 07.11.2016 · IWW-Abrufnummer 189702

    Oberlandesgericht Köln: Beschluss vom 08.06.2016 – 10 UF 200/15

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Tenor:

    Die Beschwerden des Antragstellers und der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Aachen vom 10.12.2015, erlassen am 14.12.2015 – 221 F 243/15 – werden zurückgewiesen.

    Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen der Antragsteller und die Antragsgegnerin zu je ½.

    Wert: 1.500,00 € (§§ 40 Abs. 2, 41 Abs. 1 S. 2, 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG)
     
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    Gründe:
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    I.
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    Die Beschwerdeführer sind die Eltern des am 25.07.1999 geborenen B, der im Haushalt des Antragstellers lebt. Nachdem zunächst die Kindeseltern gemeinsam die elterliche Sorge inne hatten, hat der Antragsteller beantragt, ihm im Wege der einstweiligen Anordnung das alleinige Sorgerecht zu übertragen; die Antragsgegnerin ist diesem Begehren entgegengetreten.
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    Mit der angefochtenen Entscheidung, beiden Beschwerdeführern am 17.12.2015 zugestellt, hat das Amtsgericht Teilbereiche der Sorge – nämlich das Aufenthaltsbestimmungsrecht, die Gesundheitssorge, das Recht zur Regelung der schulischen Angelegenheiten und zur Beantragung von Hilfen zur Erziehung sowie zur Vertretung des Kindes gegenüber Behörden – dem Antragsteller zu alleinigen Ausübung übertragen. Zur Begründung hat es ausgeführt, B wohne im Haushalt des Antragstellers, der Kontakt zur Antragsgegnerin sei stark eingeschränkt und in der Vergangenheit konfliktbehaftet. B selbst, aber auch Jugendamt und Verfahrensbeistand hätten einhellig und dringlich empfohlen, die elterliche Sorge auf den Antragsteller zu übertragen. Zur Wahrung der Verhältnismäßigkeiten seien nur Teilbereiche der elterlichen Sorge übertragen worden.
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    Hiergegen richten sich die Beschwerden der Beschwerdeführer. Der Antragsteller hält die Übertragung nur von Teilbereichen für rechtsfehlerhaft, da hier ein Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zugunsten der elterlichen Sorge der Mutter angeführt werde, Maßstab aber das Kindeswohl sei; dieses, so meint er, rechtfertige eine Übertragung der gesamten Sorge auf ihn.
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    Die Antragsgegnerin verfolgt mit der Beschwerde ihr Begehren auf Zurückweisung des auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung gerichteten Antrags des Antragstellers weiter. Sie meint, angesichts von zum Teil Jahre zurückliegenden Konflikten fehle es an der Eilbedürftigkeit. Auch seien Bs Angaben „erwachsenengesteuert“; er verbinde mit der Sorgeentscheidung irrig eine Besserung der Situation, der Antragsteller „intrigiere“ aber dagegen. Der (bessere) Kontakt der Beiden hinsichtlich eines weiteren gemeinsamen Kindes, Q, zeige, dass eine konstruktive Wahrnehmung eines gemeinsamen Sorgerechts möglich sei.
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    II.
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    Die Beschwerden der Kindeseltern sind zulässig, bleiben aber beide ohne Erfolg.
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    1.
    10

    Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere (per Fax vorab) fristgerecht, aber unbegründet.
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    Die das einstweilige Anordnungsverfahren begründende besondere Eilbedürftigkeit hat das Amtsgericht, auf dessen Begründung verwiesen wird, ausführlich dargetan. Rechtsfehler sind hier nicht ersichtlich.
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    Ebenfalls zu Recht hat das Amtsgericht in der Sache die unter Ziff. I näher bezeichneten Teilbereiche der elterlichen Sorge auf den Antragsteller übertragen, da dies nach § 1671 Abs. 1 Nr. 2 BGB dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Maßstab für diese Entscheidung ist zum einen – und maßgeblich – die Haltung Bs, die angesichts seines Alters und Reifegrades besonderes Gewicht bei der Beurteilung hat (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 20.11.1996 - 11 U 61/96, ZfJ 1997, 433). B hat – im Verlauf des Verfahrens mehrfach gegenüber verschiedenen Stellen c– eine klar akzentuierte und vor dem Hintergrund seiner Erfahrungen in der Vergangenheit unmittelbar nachvollziehbare Meinung kundgetan, die der Senat ernst nimmt. Mag es auch sein, dass B den genauen Inhalt einer „Sorgerechtsentscheidung“ nicht in vollem Umfang dieses Rechtbegriffs einzusehen vermag, so ist ihm, das ergibt sich aus seinen Anhörungen, doch naturgemäß vor Augen, dass dies ein „weniger“ an (ansonsten notwendigem) Kontakt zur Antragsgegnerin bedeuten würde und er – aktuell – genau dieses Ergebnis auch für sich wünscht. Wenn die Antragsgegnerin hier der Meinung ist, er irre in seiner Einschätzung, ist dies eine abweichende Bewertung der Sachlage, die aber nicht dazu zwingt, die Ansicht von B als „vatergesteuert“ oder weniger aussagekräftig zu halten. Hinzu tritt, dass Jugendamt und Verfahrensbeistand sich übereinstimmend im Sinne der amtsgerichtlichen Entscheidung ausgesprochen haben; auf ihre Stellungnahmen wird zu Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.
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    Bei ihrer eigenen Bewertung der Frage, was kindeswohldienlich sei – wie auch in manch anderen Verhaltensweisen – obliegt es daher, worauf der Senat auch hingewiesen hat, zuvörderst der Antragsgegnerin, ihren nahezu volljährigen Sohn als Gegenüber wahr und ernst zu nehmen. Dieser hat seinen Willen klar zum Ausdruck gebracht, ohne dass sich die Antragsgegnerin bisher damit wirklich auseinandergesetzt hätte (sie hält es weiterhin für ein „geschickt konstruiertes Szenario“ des Antragstellers). Auch und gerade ihr Vorbringen wirft Bedenken auf, ob der Streitgegenstand (einstweilige Anordnung zum Sorgerecht) nicht gerade von ihr zum Anlass genommen wird, diverse andere Konflikte (so, wie zuletzt eingeführt, auch zum Umgangsrecht) in diesem Verfahren – und damit zugleich aber auf dem Rücken ihres Sohnes – auszutragen.
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    Der Senat weist in diesem Zusammenhang eindringlich darauf hin, dass – auch das hat B klar kundgetan – das Verhältnis zur Mutter zwar belastet, aber nicht zerstört ist. Wunsch, Bereitschaft und Möglichkeit zur neuerlichen Annäherung, aber eben in einem nicht durch die Elternkonflikte überlagerten und belasteten Umfeld, bestehen auf Seiten Bs weiterhin fort, und die Antragsgegnerin mag sich dieses vergegenwärtigen und hierauf eingehen. Angesichts des Alters von B hat, worauf der Senat auch bereits hingewiesen hat, jegliche Entscheidung zu Sorgerechtsfragen nur noch für ein gutes Jahr (Volljährigkeit am 25.07.2017) Relevanz, von einem familiären Miteinander zwischen Kind und Eltern indes profitieren alle Beteiligte lebenslang.
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    2.
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    Auch die zulässige, insbesondere statthafte Beschwerde des Antragstellers hat in der Sache keinen Erfolg.
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    Zu Recht hat das Amtsgericht unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, der gerade zu besonderer Rechtfertigung von Eingriffen in das bestehende Recht elterlicher Sorge (nur) aus Gründen des Kindeswohls zwingt, davon abgesehen, die gesamte Sorge auf den Antragsteller zu übertragen, sondern lediglich diejenigen Bereiche übertragen, in denen der Antragsteller aufgrund des Verbleibs von B in seinem, des Antragstellers, Haushalt, ohnehin faktisch leichter allein tätig werden und die Notwendigkeit einer elterlichen Abstimmung im Fall gemeinsamer Sorge erwartbar zu eben den Konflikten führen kann, die das Amtsgericht – erneut zu Recht – als kindeswohlschädlich angesehen hat. Dass hierbei die Kommunikation hinsichtlich der Sorge von Q „funktioniert“, ist – wie die Akte deutlich zeigt- kein Indiz dafür, dass darauf vertraut werden kann, bei B könne es ebenso funktionieren. Das Verfahren legt vielmehr die Besorgnis des Gegenteils nahe.
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    Kindeswohlrelevante Gründe für einen noch weitergehenden Sorgerechtsentzug zu Lasten der Antragsgegnerin sieht der Senat nicht.
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    III.
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    Auf die „Dienstaufsichtsbeschwerden“ der Antragsgegnerin gegen den Verfahrensbeistand war, worauf der Senat bereits mit Verfügung vom 12.05.2016 hingewiesen hat, nichts zu veranlassen.
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    1. Dienstaufsichtsbeschwerden wären bereits unzulässig, da der Verfahrensbeistand nicht der Aufsicht des Gerichts unterliegt.
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    2. Aus einer Besorgnis der Befangenheit kann die Ablehnung des Verfahrensbeistandes ohnehin verfahrensrechtlich nicht hergeleitet werden; die Entscheidung über Bestellung des Verfahrensbeistandes ist nicht isoliert anfechtbar, sondern nur im Rahmen einer Beschwerde in der Hauptsache (§ 158 Abs. 3 S 4 FamFG).
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    Das Gesetz sieht aber auch in der Sache eine Ablehnung des Verfahrensbeistandes nicht vor. Dem Verfahrensbeistand obliegt die Wahrnehmung des Interesses des Kindes. Daher ist er im Gegensatz zum Sachverständigen und Dolmetscher nicht zur Unparteilichkeit verpflichteter Gehilfe des Gerichts, sondern einseitiger Interessenvertreter des Kindes im Verfahren. Er hat eine einem Parteivertreter ähnliche Rechtsstellung und allein das Kindeswohl zu berücksichtigen. Deshalb finden die Vorschriften, welche die Ablehnung eines Sachverständigen oder eines Dolmetschers regeln, keine entsprechende Anwendung (vgl. Vogel, FPR 2010, 43 (45), unter Hinweis auf OLG Karlsruhe, Beschl. v. 25.06.2004 - 16 UF 50/03, FamRZ 2005, 1571; OLG Celle, Beschl. v. 19.02.2003 - 15 WF 36/03, FGPrax 2003, 128).
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    3. Auch im Rahmen der Beschwerde der Antragsgegnerin kann aber die angefochtene Entscheidung nicht mit dem Argument angegriffen werden, der bestellte Verfahrensbeistand sei nicht „neutral“ gewesen und habe den anderen Elternteil bevorzugt - der Verfahrensbeistand ist nicht zur Neutralität zwischen den Eltern, sondern nur dem Kindesinteresse verpflichtet (KG, Beschl. v. 19.02.2014 - 17 UF 5/14, ZKJ 2014, 285 (288)), und dass dies nicht gewahrt worden sei, ist nicht ersichtlich.
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    4. Für das Vorliegen einer groben Pflichtwidrigkeit des Verfahrensbeistands, die allenfalls Anlass zu einer Entpflichtung geben könnte, ist schließlich ebenfalls nichts ersichtlich; auch von der Beschwerde wird dies nicht behauptet. Allein der Umstand, dass ein Elternteil mit der vom Verfahrensbeistand abgegebenen Stellungnahme oder, allgemein, mit dessen Arbeit nicht zufrieden ist, rechtfertigt jedenfalls nicht dessen Entpflichtung. Anhaltspunkte, dass der Verfahrensbeistand seiner Aufgabe nicht nachgekommen wäre, bestehen indes nicht. Der Verfahrensbeistand hat das Kind und die Eltern jeweils persönlich angehört und auf dieser Basis nicht nur die Gesprächsinhalte, sondern auch seine eigene Einschätzung nachvollziehbar geschildert und wiedergegeben.
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    IV.
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    Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.