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  • · Fachbeitrag · Fristenkontrolle

    Anforderungen an Einzelanweisungen

    von VRiOLG a.D. Dr. Jürgen Soyka, Düsseldorf

    | Der BGH hat Vorgaben für das Verhältnis von organisatorischen Vorkehrungen und Einzelanweisungen bezüglich Fristenkontrollen gemacht. |

     

    Der Kläger (K) hat gegen das am 18.4.17 zugestellte Urteil am 18.5.17 Berufung eingelegt. Nach Hinweis auf die versäumte Berufungsbegründungsfrist hat er am 3.7.17 beantragt, die zum 19.6.17 abgelaufene Frist um einen Monat zu verlängern und zugleich ihn in den vorigen Stand wiedereinzusetzen. Sein zweitinstanzlicher Prozessbevollmächtigter (PB) habe am 10.5.17 das Urteil und das Empfangsbekenntnis erhalten. Am 11.5.17 habe sein neuer PB eine erfahrene und zuverlässige Rechtsanwaltsfachangestellte (R) angewiesen, eine Akte anzulegen und die Berufungsfrist auf den 18.5.17 sowie die Begründungsfrist auf den 19.6.17 zu notieren. Die R habe verabsäumt, die Begründungsfrist in das Fristenbuch einzutragen. Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde des K ist erfolglos.

     

    Wenn der Anwalt Fristen von einer Bürokraft notieren lässt, muss sichergestellt sein, dass die Fristen zuverlässig festgehalten und kontrolliert werden.

     

    Checkliste / Anforderungen an eine Fristenkontrolle

    • Für eine Gegenkontrolle des Anwalts sind die Rechtsmittelfristen in der Handakte zu notieren.

     

    • Die Handakte muss durch Erledigungsvermerke oder sonst erkennen lassen, dass die Fristen in den Fristenkalender eingetragen worden sind.

     

    • Der Anwalt muss die Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist eigenverantwortlich prüfen, wenn ihm die Handakten wegen einer fristgebundenen Prozesshandlung vorgelegt werden. Er muss auch prüfen, ob das Fristende im Fristenkalender notiert worden ist. Es reicht eine Prüfung des Erledigungsvermerks in der Handakte. Drängen sich insoweit keine Zweifel auf, braucht er nicht noch zu prüfen, ob das Fristende auch tatsächlich im Fristenkalender eingetragen ist.

     

    • Der Anwalt ist aber nur von einer eigenständigen Prüfung des Fristenkalenders befreit, wenn die Büroorganisation die klare Anweisung enthält, dass stets unter allen Umständen zuerst die Fristen im Kalender eingetragen werden müssen, bevor ein entsprechender Erledigungsvermerk in der Handakte eingetragen werden kann. Sonst besteht die Gefahr, dass der Erledigungsvermerk in der Handakte bereits vor der Eintragung in den Kalender angebracht wird und die Gegenkontrolle versagt. Sieht die Organisationsanweisung nicht vor, dass in der Handakte Erledigungsvermerke anzubringen sind, genügt es, wenn die Arbeitsanweisung vorschreibt, dass die Fristen zunächst im Fristenkalender zu notieren sind und erst dann in der Akte.

     

    • Die organisatorischen Vorkehrungen und Anweisungen sind entbehrlich, wenn der Anwalt einer Kanzleikraft, die sich als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung erteilt, die bei Befolgung die Fristwahrung gewährleistet hätte. Denn er darf darauf vertrauen, dass eine ausgebildete und zuverlässige Bürokraft eine konkrete Einzelanweisung, auch wenn sie mündlich erteilt wird, befolgt und ordnungsgemäß ausführt.
     

     

    Quelle: Ausgabe 12 / 2020 | Seite 213 | ID 45781270