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  • · Nachricht · Blitzlicht Mandatspraxis

    Faires Verhalten ist mehr als eine Frage des guten Tons

    | Gerade im Familienrecht wird viel außergerichtlich verhandelt. Oft werden Lösungen gefunden, die bei Gericht protokolliert werden sollen, um sie verbindlich zu machen. Fraglich ist, ob sich ein Beteiligter gerichtlichen Sanktionen aussetzt, wenn er die Protokollierung scheitern lässt. |

     

    • Beispiel

    Die Anwälte der Beteiligten verhandeln über den nachehelichen Unterhalt. Sie finden eine Lösung, die beide Seiten akzeptieren. Die Lösung soll im Ehescheidungsverfahren gerichtlich protokolliert werden. Im Termin lehnt der Unterhaltspflichtige es unerwartet ab, die Lösung protokollieren zu lassen. Mit Blick auf § 137 Abs. 2 FamFG ist eine Antragstellung zum nachehelichen Unterhalt nicht mehr möglich. Kann das Gericht ein solches Verhalten sanktionieren?

     

    Für Anwälte gilt im Umgang untereinander und auch mit den übrigen Beteiligten das ungeschriebene Gebot fairen Verhaltens sowie aus dem Anwaltsvertrag die Pflicht, die Interessen des Mandanten zu wahren sowie dessen Weisungsrecht aus den §§ 665, 675 BGB zu beachten (Kilian/vom Stein, Praxis Handbuch für die Anwaltskanzlei und Notariat, § 25 Rn. 49). Dies kann wie im Beispiel zum Konflikt für den Anwalt führen, bei dem aber i. d. R. das Gebot zu fairem Verhalten hinter dem Weisungsrecht und den Interessen des Mandanten zurücktreten muss. Andernfalls begeht der Anwalt gegenüber seinem Mandanten eine Pflichtverletzung, die zum Schadenersatz verpflichten kann.

     

    Es steht im Ermessen des Gerichts, wie es auf ein solches Verhalten eines Beteiligten reagiert. Über § 113 Abs. 2 FamFG sind die Vorschriften der ZPO und damit § 227 Abs. 1 ZPO für eine Vertagung anwendbar. Danach kann ein Termin aus erheblichen Gründen aufgehoben oder verlegt sowie eine Verhandlung vertagt werden. Das muss das Gericht prüfen. Ist dies der Fall, muss das Gericht den Termin ändern (BGH NJW 08, 1448 ff.).

     

    Sieht das Gericht im Verhalten des Unterhaltspflichtigen, das vom Anwalt der Unterhaltsberechtigten glaubhaft zu machen ist, einen erheblichen Grund, muss es vertagen. Die Glaubhaftmachung kann durch Vorlage außergerichtlicher Korrespondenz oder eine anwaltliche Versicherung zu Protokoll erfolgen. Dass das Gericht bei alldem einen erheblichen Grund für eine Vertagung annehmen kann, ist insbesondere zu besorgen, wenn der Unterhaltspflichtige seinen Sinneswandel nicht begründen kann.

     

    • Lösung

    Es steht einem Beteiligten frei, die Protokollierung einer außergerichtlich ausgehandelten Lösung in letzter Sekunde im gerichtlichen Termin noch grundlos zu verweigern. Er muss allerdings damit rechnen, dass das Gericht einen erheblichen Grund für eine Vertagung annimmt. Jeder Anwalt wird ihm nahelegen, dass er sich mit derartigen Verhaltensweisen nicht das Wohlwollen des Gerichts zuzieht. (St)

     
    Quelle: Ausgabe 02 / 2024 | Seite 22 | ID 48798894