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  • · Güterrecht

    Verjährungsbeginn nach Abschaffung des § 1378 Abs. 4 BGB geklärt

    Bild: © pathdoc - stock.adobe.com

    von RiOLG Dr. Andreas Möller, Hamm

    | Für den Beginn der Verjährung eines güterrechtlichen Anspruchs des nicht erbenden Ehegatten ist nach der Abschaffung des § 1378 Abs. 4 BGB nicht mehr entscheidend, ob der Überlebende wusste, dass er weder Erbe noch Vermächtnisnehmer geworden ist. Das hat das OLG Stuttgart entschieden. |

     

    Sachverhalt

    Die Ehegatten M und F lebten im Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Sie hatten keine ehelichen oder einseitigen Abkömmlinge. Nach ihrer dauerhaften Trennung stellte M ‒ nach Ablauf des Trennungsjahres ‒ Scheidungsantrag, der der F zugestellt wurde. M, der nicht letztwillig verfügt hatte, wurde nach seinem Tod von seinem Bruder B beerbt, die F nach ihrem Tod von ihrer Schwester S. Nach dem Tod des M war F dem Erbscheinsantrag des B mit der Begründung entgegengetreten, ihr Ehegattenerbrecht sei nicht durch den Scheidungsantrag ausgeschlossen worden. Das Nachlassgericht stellte mit Beschluss vom 26.3.19 die für die Erteilung des Erbscheins zugunsten des B erforderlichen Tatsachen fest. Die gegen diesen Beschluss eingelegte Beschwerde hat das OLG Stuttgart mit Beschluss vom 12.5.20 zurückgewiesen. Der Erbschein zugunsten des B wurde am 30.9.20 erteilt. Nach dem Tod des B wurde dieser durch die Antragsgegnerin (AG) beerbt.

     

    Die S reichte am 29.12.23 einen Stufenantrag (Auskunft zum Endvermögen, Trennungsvermögen und Anfangsvermögen, Beleganspruch, Wertermittlungsanspruch, Versicherung an Eides statt und Leistungsstufe) beim Familiengericht ein. Dieses hat auf die erhobene Einrede der Verjährung hin den Antrag zurückgewiesen. Die Beschwerde der S dagegen blieb erfolglos (OLG Stuttgart 10.2.25, 11 UF 123/24, Abruf-Nr. 247462).

     

    Entscheidungsgründe

    Der Anspruch der S auf Auskunftserteilung nach § 1379 BGB und der Anspruch auf Zugewinnausgleich (ZGA) nach § 1371 Abs. 2, § 1378 BGB sind verjährt. Da die Verjährung alle Stufen erfasst, konnte der Antrag insgesamt zurückgewiesen werden.

     

    Der Anspruch der F auf ZGA nach § 1371 Abs. 2, § 1378 BGB entstand mit Beendigung des Güterstands und war nach § 1378 Abs. 3 S. 1 BGB ab diesem Zeitpunkt vererblich. Der Güterstand wurde durch den Tod des M beendet, § 1371 Abs. 1 BGB. F ist jedoch nicht Erbin geworden, da die Voraussetzungen für die Scheidung zu dem Zeitpunkt vorlagen, als M gestorben ist, § 1933 BGB.

     

    Der Anspruch nach § 1379 BGB auf Auskunftserteilung bei Beendigung des Güterstands und auch der Anspruch auf ZGA nach § 1377 BGB sind bereits vor dem Versterben der F entstanden und auf die S nach § 1922 BGB als Rechtsnachfolgerin übergegangen. Anspruchsgegner ist nun die AG, die den Bruder (B) des M beerbt hat.

     

    Der Anspruch nach § 1371 Abs. 2, § 1378 BGB und auch der Auskunftsanspruch nach § 1379 BGB sind mit Ablauf des Jahres 2022 verjährt, sodass der AG nach § 214 Abs. 1 BGB ein dauerhaftes Leistungsverweigerungsrecht zusteht. Sie hat die Voraussetzungen dafür bewiesen.

     

    MERKE | Nach Wegfall des § 1378 Abs. 4 BGB verjährt der Anspruch nach § 1378 Abs. 1 BGB in der regelmäßigen Verjährungsfrist nach drei Jahren, § 195 BGB. Die Verjährung beginnt nach § 199 Abs. 1 BGB mit dem Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger, hier die verstorbene F, Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

     

    Abweichend von der früheren Regelung des § 1378 Abs. 4 BGB kommt es nicht auf die Kenntnis der Beendigung des Güterstands an.

     

    Wegen seiner unselbstständigen Natur beginnt die Verjährung des Auskunftsanspruchs nach § 1379 BGB gleichzeitig mit der Verjährung des Zahlungsanspruchs auf ZGA, zu dessen Berechnung sie dienen soll (BGH 31.1.18, XII ZB 175/17, FamRZ 18, 581 584).

     

    Die F hatte zumindest grob fahrlässige Unkenntnis i. S. d. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB von den anspruchsbegründenden Umständen. Die Verjährung wurde in der Person der F in Gang gesetzt und ging so auf die S als Rechtsnachfolgerin gem. § 1922 BGB über (vgl. BGH 30.4.14, IV ZR 30/13, juris). F muss sich das Wissen des mit der Geltendmachung von ZGA-Ansprüchen und Auskunftsansprüchen beauftragten Verfahrensbevollmächtigten gem. § 166 BGB als Wissensvertreter zurechnen lassen.

     

    Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 Fall 1 BGB) hatte F erst, als sie die Tatsachen kannte, die zur Beendigung des Güterstands geführt haben und sie diese in ihrer rechtlichen Bedeutung erfasst hatte (vgl. MüKo/Koch, BGB, 9. Aufl., § 1378 Rn. 42), was nicht festgestellt werden kann.

     

    F hatte aber grob fahrlässige Unkenntnis. Grob fahrlässige Unkenntnis i. S. d. § 199 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 BGB liegt vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis fehlt, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt und auch ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt oder dasjenige nicht beachtet hat, was jedem hätte einleuchten müssen.

     

    MERKE | Dem Gläubiger muss persönlich ein schwerer Obliegenheitsverstoß in seiner eigenen Angelegenheit der Anspruchsverfolgung vorgeworfen werden können (BGH 14.7.22, VII ZR 422/21, juris Rn. 16). Es ist nicht vorausgesetzt, dass der Gläubiger aus den Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht. Ausreichend ist, wenn dem Gläubiger aufgrund der ihm grob fahrlässig unbekannt gebliebenen Tatsachen hätte zugemutet werden können, zur Durchsetzung seiner Ansprüche gegen eine bestimmte Person aussichtsreich, wenn auch nicht risikolos, Klage ‒ sei es eine Feststellungsklage ‒ zu erheben (BGH, a. a. O., Rn. 17).

     

    Spätestens mit Beschluss des Nachlassgerichts vom 26.3.19 begann die Verjährung. Der Beschluss befasst sich umfassend mit sämtlichen rechtlichen Fragen, sodass der F bereits 2019 möglich gewesen wäre, einen hinreichend aussichtsreichen Stufenantrag gegen den B als Erben des M zu stellen. Die F hat zu diesem Zeitpunkt grob fahrlässig nicht erkannt, dass sie gem. § 1933 BGB nicht zum Erben berufen wurde. Sie wusste vom Tod des M, von der Zustellung des Scheidungsantrags und von der langjährigen Trennung. Darauf, ob F die richtigen rechtlichen Schlüsse gezogen hat, kommt es nicht an. Ein Rechtsirrtum bzw. die falsche Gesetzesanwendung oder rechtliche Zweifel beeinflussen nicht den Lauf der Verjährungsfrist.

     

    MERKE | F durfte auch nicht das Erbscheinsverfahren abwarten. Nach der Abschaffung des § 1378 Abs. 4 BGB kommt es auf die Kenntnis des Überlebenden davon, dass er nicht Erbe oder Vermächtnisnehmer geworden ist, nicht mehr an. Zweck der Gesetzesänderung war die Harmonisierung des Verjährungsrechts und die Anpassung der Verjährung familienrechtlicher Ansprüche an die Regelverjährung (BT-Drs 16/8954, 15), was dafür spricht, § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB einheitlich auszulegen (vgl. hierzu Erman/Budzikiewicz, BGB, 17. Aufl., § 1378 BGB, Rn. 21) und auch nicht in Fällen der Beendigung des Güterstandes durch den Tod eines Ehegatten eine andere Auslegung der Verjährungsvorschrift vorzunehmen. § 199 Abs. 1 BGB ist nicht dahin gehend auszulegen, dass es neben der Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis vom Tod des Ehegatten auch auf die Kenntnis des Überlebenden davon ankomme, dass er nicht Erbe oder Vermächtnisnehmer geworden ist.

     

    Die verjährungsrelevante Kenntnis der F ist auch nicht deshalb nach hinten zu verlagern, um ihr zu ermöglichen, das Ergebnis des Erbschaftsverfahrens abzuwarten und das Prozessrisiko gering zu halten (vgl. BGH 7.11.14, V ZR 309/12, juris Rn. 15). Die Verjährung wird auch in Gang gesetzt, wenn zu dieser Zeit noch nicht überblickt werden kann, ob und in welcher Höhe überhaupt eine Ausgleichsforderung besteht. Es genügt, dass der Gläubiger aufgrund der ihm bekannten oder ohne grobe Fahrlässigkeit erkennbaren Tatsachen einen hinreichend aussichtsreichen, wenn auch nicht risikolosen ZGA-Antrag oder zumindest einen entsprechenden Stufenantrag beim Familiengericht stellen kann.

     

    Spätestens mit der Entscheidung des Nachlassgerichts vom 26.3.19 gab es keinen genügenden Grund mehr für Zweifel an dem Ausschluss des Ehegattenerbrechts. Jedenfalls zu diesem Zeitpunkt war es der anwaltlich vertretenen F bzw. deren Vertreterin zumutbar, einen Stufenantrag zu stellen. 2019 lebte der B noch, sodass sich F nicht auf eine Unkenntnis der Person des Anspruchsgegners berufen kann. Als Erbe kam ‒ neben der F ‒ nur B in Betracht. Alleinerbin wäre sie nie geworden, sondern allenfalls Miterbin neben dem B, § 1931 Abs. 1 BGB. Dass sie Miterbin werden würde, war mit dem Beschluss des Nachlassgerichts allerdings derart unwahrscheinlich, dass ihr die Erhebung eines Stufenantrags gegen B zu diesem Zeitpunkt zumutbar war.

     

    Innerhalb der mit nach der Ende 2019 beginnenden und am 31.12.22 ablaufenden Verjährungsfrist hat weder F noch S Klage erhoben.

     

    Relevanz für die Praxis

    Mit dieser Entscheidung wird ausführlich insbesondere dazu Stellung genommen, ob für den Verjährungsbeginn bei Tod eines Ehegatten auch Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis erforderlich ist, dass der überlebende Ehegatte nicht erbt.

     

    Das OLG meint, insbesondere wegen des Wegfalls des § 1378 Abs. 4 BGB komme es auf diese Kenntnis nicht an. Nach der Rechtsprechung des BGH genügt im Rahmen des § 199 BGB grundsätzlich die Kenntnis der entsprechenden Tatsachen. Auf die richtigen (rechtlichen) Schlüsse kommt es dagegen nicht an (BGH 8.5.08, VII ZR 106/07, juris Rn. 12 ff.).

     

    Fraglich ist aber, ob in dieser Konstellation allein die Kenntnis der Tatsachen ausreicht, dass das gesetzliche Ehegattenerbrecht gem. § 1933 BGB nicht mehr vorliegt. Zusätzlich dürfen keine Anhaltspunkte für eine letztwillige Verfügung bestehen, die den Ehegatten begünstigt (vgl. Johannsen/Henrich/Althammer/Kohlenberg, Familienrecht, 7. Aufl., § 1378 Rn. 29).

     

    Wenn im vorliegenden Fall etwa M mit Kenntnis der F ein Testament errichtet hatte, durch das sie bedacht war, musste sie auch hinreichende Kenntnis von der wirksamen Aufhebung dieses Testaments haben, damit die Verjährung beginnt. Dies kann z. B. in den Fällen, in denen die Testierfähigkeit des Verstorbenen bei dem Aufhebungstestament fraglich ist, eine Rolle spielen.

     

    Schwierig ist folgende Konstellation: Der überlebende Ehegatte hält sich aufgrund einer letztwilligen Verfügung für begünstigt. Mangels Kenntnis seiner Enterbung beginnt die Verjährungsfrist nicht zu laufen. Da mit rechtskräftigem Abschluss des Erbscheinsverfahrens aber seine Enterbung feststeht, beginnt spätestens dann die Verjährungsfrist zu laufen (vgl. BGH 5.4.84, IX ZR 71/83, juris, Rn. 11).

     

    Wenn der güterrechtliche Anspruch gem. § 1378, § 1371 Abs. 2 BGB von einer Ausschlagung des dem überlebenden Ehegatten angefallenen Erbteils oder Vermächtnisses abhängt, ist streitig, ob die Verjährung schon vor der Ausschlagungserklärung zu laufen beginnt (vgl. Staudinger/Thiele BGB, 2017, § 1371 Rn. 69 mit Nachweisen zum Streitstand).

     

    MERKE | Bei der Streitwertfestsetzung ist bei der Zurückweisung des gesamten Stufenantrags auf den Verfahrenswert der höchsten Stufe ‒ regelmäßig die Leistungsstufe ‒ abzustellen, § 38 FamGKG.

     

    Auch für die auch abgewiesene Leistungsstufe ist ‒ wenn diese noch nicht beziffert ist (z. B. ausdrücklich nur ein Teilbetrag geltend gemacht wird) ‒ dabei die aufgrund des Antrags zu schätzende realistische Erwartung der Antragstellerin hinsichtlich des Zahlungsbetrags bei Beginn der ersten Instanz maßgeblich (Zöller/Herget, ZPO, 35. Aufl. § 3 Rn. 16.160 m. w. N.). In der Praxis schätzen die Gerichte diese Erwartung auf der Grundlage des Sachvortrags zum vorhandenen Vermögen.

    Quelle: Ausgabe 06 / 2025 | Seite 96 | ID 50364038