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  • · Fachbeitrag · Zugewinnausgleich

    Rechtskräftige Scheidung vor dem 1.9.09: kein Auskunftsanspruch über das Anfangsvermögen

    von VRiOLG a.D. Dr. Jürgen Soyka, Meerbusch

    | Der BGH hat eine wichtige Entscheidung zum Auskunftsanspruch über das Anfangsvermögen im ZGA bei einer Scheidung vor dem 1.9.09 getroffen. |

     

    Sachverhalt

    Die Ehefrau (F) und der Ehemann (M) schlossen am 20.3.92 die Ehe miteinander. Der Scheidungsantrag wurde am 12.8.08 zugestellt. Das Scheidungsurteil ist seit dem 18.11.08 rechtskräftig. Das vorliegende güterrechtliche Verfahren ist im Juni 2011 durch einen Stufenantrag der Ehefrau eingeleitet worden. In der Leistungsstufe hat die Ehefrau von dem Ehemann zuletzt die Zahlung eines ZGA verlangt. Nun stritten beide über das Anfangsvermögen (AV) der F. Der M hat die F Wege des Stufenwiderantrags zunächst auf Auskunft über ihr AV in Anspruch genommen.

     

    Das AG hat den Antrag durch Teilbeschluss zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Beschwerde blieb ebenso erfolglos, wie die Rechtsbeschwerde.

     

     

    • a) Die Vorschrift des § 1379 Abs. 1 Nr. 2 BGB in der seit dem 1.9.09 geltenden Fassung, wonach Auskunft auch über das Anfangsvermögen verlangt werden kann, ist nicht anwendbar, wenn die Ehe vor dem 1.9.09 rechtskräftig geschieden wurde, und zwar auch dann nicht, wenn das Auskunftsverlangen in einem (isolierten) güterrechtlichen Verfahren geltend gemacht wird, das nach dem 1.9.09 eingeleitet worden ist.
    • b) In diesen Fällen kommt auch ein aus den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) hergeleiteter Anspruch auf Auskunft über das Anfangsvermögen nicht in Betracht.
     

    Entscheidungsgründe

    Die mit Wirkung zum 1.9.09 eingeführte Regelung über die Auskunftspflicht zum AV greift hier nicht, weil die Ehescheidung vor diesem Zeitpunkt rechtskräftig geworden ist. Der Auskunftsanspruch ist deswegen eingeführt worden, weil nun auch ein negatives AV bei der Berechnung des ZGA zu berücksichtigen ist, sodass die Interessen desjenigen Ehegatten bedient werden müssen, der bei dem anderen Ehegatten abweichend von der gesetzlichen Vermutung gem. § 1377 Abs. 3 BGB von einem negativen AV ausgeht.

     

    Dem Auskunftsanspruch kommt nur dienende Funktion gegenüber den gleichzeitig geänderten materiell-rechtlichen Regelungen zu. Er steht deswegen in untrennbarem Zusammenhang damit. Daher ist § 1374 Abs. 3 BGB hier nicht anwendbar, weil das AV gem. § 1374 Abs. 1 HS. 2 BGB a.F. nicht negativ sein kann. Dies folgt nicht aus der Übergangsvorschrift des Art. 229 § 20 EGBGB, weil das güterrechtliche Verfahren am 1.9.09 noch nicht anhängig gewesen ist. Die Unanwendbarkeit der neuen Regelung leitet sich daraus ab, dass sonst eine verfassungsrechtlich bedenkliche Rückwirkung gegeben wäre, weil der Güterstand bereits vor dem 1.9.09 durch die rechtskräftige Scheidung der Ehe beendet worden ist. Damit würde die Neufassung in einem abgeschlossenen Sachverhalt eingreifen.

     

    Nach altem Recht beschränkte das Gesetz den Auskunftsanspruch lediglich auf das Endvermögen (EV). Für den ausgleichsberechtigten Ehegatten bestand bei der gerichtlichen Geltendmachung seines Ausgleichsanspruchs das Risiko, sich im Verfahren erstmals mit einem Vortrag des anderen Ehegatten über dessen positives AV konfrontiert zu sehen. Daher haben einige Stimmen den Auskunftsanspruch nach § 242 BGB zugelassen. Dies ist aber abzulehnen. Die Ehegatten können den Bestand und den Wert des AV in einem Verzeichnis feststellen, das jeder Ehegatte von dem anderen Ehegatten verlangen kann.

     

    Ist eine solche Inventarisierung unterblieben, besteht nach dem ebenfalls fortgeltenden § 1377 Abs. 3 BGB die Vermutung, dass das EV mit dem Zugewinn identisch ist, mithin kein AV vorhanden ist. Daraus folgt, dass der Ehegatte, der sich auf ein eigenes positives AV berufen möchte, nicht nur den Bestand und den Wert seines AV, sondern auch das Fehlen abziehbarer Verbindlichkeiten beweisen muss, um die Vermutung aus § 1377 Abs. 3 BGB zu widerlegen. Der Gesetzgeber hat die Inventarisierung in die Hände der Ehegatten gegeben, kein Ehegatte darf aber aus der eigenen Säumnis mit dem Verlangen nach der Erstellung eines Verzeichnisses nach § 1377 Abs. 1 BGB einen Vorteil ziehen. Daraus folgt ferner, dass der Gesetzgeber bewusst darauf verzichtet hat, die Auskunftsansprüche zum AV zu normieren.

     

    Unerheblich ist, dass die Inventarisierung nach § 1377 BGB in der Praxis kaum Bedeutung erlangt hat.

     

    Relevanz für die Praxis

    Der BGH hat in der letzten Zeit einige wichtige Entscheidungen zum ZGA getroffen:

     

    Übersicht / BGH-Entscheidungen zum ZGA

    • BGH FamRZ 14, 1610: Wenn die Ehe vor dem 1.9.09 rechtskräftig geschieden worden ist, sind die § 1378 Abs. 2, § 1384 BGB nicht anwendbar.

     

    • BGH FamRZ 15, 121: Die Begrenzung der Ausgleichsforderung bei illoyaler Vermögensminderung ist gem. § 1378 Abs. 2 S. 2 BGB nicht anwendbar, wenn die Ehe vor dem 1.9.09 rechtskräftig geschieden worden ist.

     

    • BGH FamRZ 17, 1039: Die Auskunftspflicht zum Trennungszeitpunkt gem. § 1379 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB besteht nicht, wenn die Ehe vor dem 1.9.09 rechtskräftig geschieden worden ist. I
     

    In allen Fällen ging der BGH davon aus, dass im Hinblick auf die Rechtskraft der Scheidung vor dem 1.9.09 diese Fälle vom Regelungsgegenstand des Art. 229 § 20 Abs. 2 EGB gar nicht erfasst sind. Das hat der BGH nun folgerichtig auf den Auskunftsanspruch zum AV erstreckt.

     

    Der BGH hat sich auch mit der streitigen Frage befasst, ob ein Auskunftsanspruch zum AV nicht auch schon nach altem Recht gegeben war. Dies war streitig. Der BGH hat sich nun für die Ansicht entschieden, dass kein Auskunftsanspruch gegeben war. Er verweist auf § 1377 Abs. 1 BGB, wonach es die Eheleute in der Hand hatten, durch die Inventarisierung des AV klare Verhältnisse zu schaffen, die die Vermutung des § 1374 Abs. 3 BGB ausschließen, dass kein AV bestanden hat. Machen Ehegatten von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch, dürfen sie daraus keine weitergehenden Ansprüche geltend machen und können sich nicht mit Erfolg auf einen Auskunftsanspruch berufen. Vielmehr bleibt es in diesem Fall bei der gesetzlichen Vermutung. Diese Entscheidung ist wichtig für das Verständnis eines Auskunftsanspruchs.

     

    MERKE | Ein Auskunftsanspruch ist nur gegeben, wenn es um Tatsachen geht, die derjenige beweisen muss, der den Auskunftsanspruch geltend macht (Anspruchsteller). Damit soll ihm die auf der Unkenntnis von bestimmten Tatsachen beruhende Unmöglichkeit, substanziiert vorzutragen, genommen werden. Soweit der Anspruchsgegner darlegungs- und beweisbelastet ist, reicht ein bloßes Bestreiten mit Nichtwissen aus, sodass der Anspruchsgegner, um prozessuale Nachteile zu vermeiden, seiner Darlegungs- und Beweislast nachkommen muss. In diesen Fällen wäre es sinnwidrig, den Anspruchsgegner über die Auskunft erst zum substanziierten Vortrag zu bringen und damit die Chance zunichte zu machen, dass jener durch einen nicht substanziierten Vortrag Rechtsnachteile erleidet. Demgegenüber ist abzuwägen, dass ohne die Auskunft ein erhebliches Prozessrisiko verbleibt, weil der geltend gemachte Anspruch ohne die Angaben des Anspruchsgegners kaum berechnet werden kann und die Gefahr besteht, dass man erstmals im Verfahren mit Zahlen konfrontiert wird, die die bisherige Berechnung beeinflussen. Dies ist aber kein Grund, einen Auskunftsanspruch nach § 242 BGB zuzulassen, wenn das Gesetz mit anderen Vorschriften dieses Prozessrisiko vermeiden kann, wie die Inventarisierung nach § 1377 Abs. 1 BGB.

     

    Weiterführender Hinweis

    • BGH FamRZ 17, 1039, die vorliegende Entscheidung führt diese Rechtsprechung fort
    Quelle: Ausgabe 05 / 2018 | Seite 76 | ID 45111980