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  • · Fachbeitrag · Umgangsrecht der Großeltern

    Kein Umgang bei Loyalitätskonflikt mit den Eltern

    von RA Dr. Gudrun Möller, FA Familienrecht, Münster

    | Der BGH hat klargestellt, dass das Familiengericht den Umgangsrechtsantrag von Großeltern anders als den der Eltern schlicht zurückweisen darf. |

    Sachverhalt

    Die Antragsteller begehren Umgang mit ihren beiden Enkeln. Sie sind die Großeltern mütterlicherseits der minderjährigen Kinder K und M. Die Kinder wachsen bei ihren leiblichen Eltern auf, den Antragsgegnern E. Nach der Geburt hatten die Kinder zunächst regelmäßigen Kontakt mit den Großeltern. Nach einem Kontaktabbruch wurde dieser später wieder aufgenommen. Dem lag unter anderem eine Vereinbarung zugrunde, die die Eltern und die Großeltern geschlossen hatten. Darin verpflichteten sich die Großeltern, den Eltern ein zinsloses Darlehen zur Verfügung zu stellen. Umgekehrt wurde ihnen hinsichtlich der Kinder ein Umgangsrecht eingeräumt. Das Darlehen sollte sofort zur Rückzahlung fällig sein, sofern durch die Eltern das Umgangsrecht nicht mehr gewährt würde. Die Eltern lehnen den Umgang ihrer Kinder mit den Großeltern erneut ab. Hintergrund hierfür ist, dass ihnen kurz zuvor ein Schreiben der Großeltern an das zuständige Jugendamt (JA) bekannt geworden war, in dem diese diverse Vorwürfe und Bedenken in Bezug auf die Erziehung der Kinder durch die Eltern vorgebracht haben.

     

    Das AG hat den Antrag der Großeltern auf Einräumung eines Umgangsrechts zurückgewiesen. Das OLG hat deren Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen wenden sich die Großeltern erfolglos mit der Rechtsbeschwerde.

     

    • a) Gemäß § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG kann im Beschwerdeverfahren auch gegen den Willen eines Beteiligten ohne erneuten Erörterungstermin entschieden werden.
    • b) Der Umgang der Großeltern mit dem Kind dient regelmäßig nicht seinem Wohl, wenn die ‒ einen solchen Umgang ablehnenden ‒ Eltern und die Großeltern so zerstritten sind, dass das Kind bei einem Umgang in einen Loyalitätskonflikt geriete.
    • c) Der Erziehungsvorrang ist von Verfassungs wegen den Eltern zugewiesen. Missachten die Großeltern diesen, lässt dies ein Umgangsrecht nach § 1685 Abs. 1 BGB als nicht kindeswohldienlich erscheinen.
    • d) Das Familiengericht kann einen „Antrag=“ der Großeltern auf Umgang bei fehlender Kindeswohldienlichkeit schlicht zurückweisen, weil es ‒ anders als beim Umgangsrecht der Eltern ‒ nicht um die Ausgestaltung eines bestehenden Umgangsrechts geht, sondern bereits die Voraussetzungen für ein Umgangsrecht fehlen.
     

    Entscheidungsgründe

    Gem. § 1685 Abs. 1 BGB haben Großeltern ein Recht auf Umgang mit dem Kind, wenn dieser dem Kindeswohl dient. Dazu kann § 1626 Abs. 3 S. 2 BGB als Auslegungshilfe herangezogen werden (OLG Saarbrücken NZFam 17, 671; BT-Drucksache 13/4899, S. 107, 169). Danach gehört der Umgang mit anderen Personen (als den Eltern), zu denen das Kind Bindungen besitzt, zum Wohl des Kindes, wenn deren Aufrechterhaltung für seine Entwicklung förderlich ist.

     

    Der Umgang der Großeltern mit dem Kind dient hingegen i. d. R. nicht seinem Wohl, wenn die ‒ den Umgang ablehnenden ‒ Eltern und die Großeltern so zerstritten sind, dass das Kind bei einem Umgang in einen Loyalitätskonflikt geriete (OLG Saarbrücken NZFam 17, 671; OLG Brandenburg FamRZ 16, 1092). Der Erziehungsvorrang ist von Verfassungs wegen den Eltern zugewiesen. Ist zu befürchten, dass die Großeltern diesen Vorrang missachten, lässt dies ein Umgangsrecht nach § 1685 Abs. 1 BGB deshalb ebenfalls als nicht kindeswohldienlich erscheinen (OLG Saarbrücken, a.a.O.). Um die Kindeswohldienlichkeit festzustellen, sind sämtliche Umstände des Einzelfalls umfassend abzuwägen (Johannsen/Henrich/Jaeger, Familienrecht, 6. Aufl., § 1685 Rn. 5).

     

    Voraussetzungen für einen Großelternumgang liegen nicht vor

    Auch wenn man hier tragfähige Bindungen der Kinder zu den Großeltern unterstellt, ist daraus keine positive Vermutung der Kindeswohldienlichkeit herzuleiten. Denn weitere Voraussetzung dafür wäre, dass es für die Entwicklung der Kinder förderlich ist, diese aufrechtzuerhalten. Hiervon ist nicht auszugehen, da die Eltern und die Großeltern zerstritten sind. Letztere respektieren den Erziehungsvorrang der Eltern nicht. Im Gegenteil: Sie stellen deren Erziehungskompetenz auch gegenüber Dritten, hier dem JA, infrage, indem sie die Eltern der seelischen Misshandlung der Kinder bezichtigen, was sich nicht bestätigt hat. Würde ein Umgang angeordnet, würde ein Loyalitätskonflikt für die Kinder entstehen. Dabei ist unerheblich, ob die Ursachen hierfür eher bei den Eltern oder bei den Großeltern liegen. Allein der Umstand, dass die Eltern nur bereit waren, einen weiteren Umgang zuzulassen, wenn die Großeltern ihnen ein zinsloses Darlehen gewähren, zeigt, wie desolat das Verhältnis zwischen ihnen ist.

     

    Billigung des OLG der Zurückweisung des Umgangsrechtsantrags zulässig

    Streitig ist, ob es bei § 1685 BGB genügt, den Umgangsrechtsantrag der Großeltern zurückzuweisen, oder ob das Umgangsrecht im Fall einer negativen Entscheidung (ggf. für einen bestimmten Zeitraum) auszuschließen ist.

     

    • Nach einer Auffassung ist der Antrag der Großeltern nicht zurückzuweisen, sondern deren Umgangsrecht in dem hierfür von § 1684 Abs. 4 S. 1 und 2 BGB vorgegebenen Rahmen konkret auszuschließen (OLG Saarbrücken NZFam 17, 671; OLG Frankfurt 19.3.13, 4 UF 261/12).

     

    • Nach a.A. reicht es, den Antrag zurückzuweisen, weil es ‒ anders als bei Eltern ‒ nicht um die Ausgestaltung eines bestehenden Umgangsrechts gehe (OLG Celle NJW-RR 11, 1512, 1513; MüKo/Hennemann, a.a.O., § 1685 Rn. 15).

     

    Die zweite Ansicht ist zutreffend. Das Umgangsrecht der Eltern und der Großeltern unterscheidet sich, sodass es gerechtfertigt ist, unterschiedlich zu tenorieren. Eine bloße Zurückweisung des Antrags eines Elternteils lässt sich nicht mit dem Elternrecht (Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG) vereinbaren (BVerfG FamRZ 06, 1005, 1006; 05, 1815, 1816): Weist das Gericht den Antrag auf gerichtliche Regelung des Umgangsrechts zurück, tritt ein Zustand ein, der dem besonderen verfassungsrechtlichen Schutz nicht gerecht wird, unter dem das Umgangsrecht des Elternteils steht. Eine Entscheidung, durch die das Umgangsrecht weder versagt noch eingeschränkt wird, die aber eine gerichtliche Hilfe zur Ausgestaltung verweigert, lässt das Umgangsrecht nur scheinbar unberührt. Der grundsätzlich Umgangsberechtigte weiß nicht, wie er das Recht wahrnehmen darf, und in welchem zeitlichen Abstand er es neu beantragen darf. Daher muss das Gericht Umfang und Ausübung der Umgangsbefugnis konkret regeln oder, wenn dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist, die Umgangsbefugnis konkret einschränken oder ausschließen; es darf sich aber i. d. R. nicht darauf beschränken, die gerichtliche Regelung abzulehnen.

     

    Etwas anderes gilt beim Umgangsrecht der Großeltern. Es wurde mit dem 1998 in Kraft getretenen Kindschaftsrechtsreformgesetz eingeführt. Der Gesetzgeber wollte damit der Tatsache Rechnung tragen, dass Kinder oft auch von anderen Personen, namentlich den Großeltern, betreut werden und dabei Bindungen entwickeln. Deshalb könnte ein plötzlicher Wegfall der Kontakte für das Kind schädlich sein (BT-Drucksache 13/4899, 46 f.). Andere Personen als die Eltern sollen aber nur ein Umgangsrecht haben, wenn dieses dem Wohl des Kindes dient (BT-Drucksache 13/4899, 68). Zu Recht verweist das OLG Celle deshalb darauf, dass die Großeltern nur ein Umgangsrecht haben, wenn ein Umgang dem Kindeswohl dient (NJW-RR 11, 1512, 1513).

     

    Während beim Umgang der Eltern (§ 1684 BGB) grundsätzlich nur die konkrete Ausgestaltung des Umgangs zu regeln ist und nur bei einer sonst konkret drohenden Kindeswohlgefährdung ein Ausschluss in Betracht kommt, ist für die gerichtliche Anordnung des Umgangs mit den Großeltern positiv die Kindeswohldienlichkeit festzustellen. Im letzteren Fall ist es daher nicht erforderlich, förmlich einen ausdrücklichen Umgangsausschluss auszusprechen. Denn auch die Zurückweisung des Umgangsrechtsantrags stellt entgegen OLG Frankfurt (19.3.13, 4 UF 261/12) eine Sachentscheidung mit dem Inhalt dar, dass der Antragsteller (derzeit) kein Recht auf Umgang hat. Daran ändert auch nichts, dass das Umgangsrechtsverfahren ein Amtsverfahren und der „Antrag“ nur eine Anregung i. S. d. § 24 Abs. 1 FamFG ist. Denn Aufgabe des Tenors ist es, das materielle Recht zu konkretisieren. Besteht kein Umgangsrecht, bedarf es insoweit auch keines Ausschlusses.

    Relevanz für die Praxis

    Dem BGH ist zuzustimmen: Bei Eltern ist es stets erforderlich, eine Umgangsregelung, ggf. den Ausschluss, zu treffen. Bei Großeltern reicht dagegen die schlichte Zurückweisung des Umgangsrechtsantrags.

     

    Allein die Regelung „Umgang der Großeltern gegen zinsloses Darlehen“ spricht m. E. aber hier für eine nur eingeschränkte Erziehungskompetenz der Eltern.

    Quelle: Ausgabe 11 / 2017 | Seite 184 | ID 44858152