Zugewinnausgleich
Der Auskunftsanspruch nach § 1379 BGB
von RiOLG Dieter Büte, Bad Bodenteich/Celle
Jeder Ehegatte hat gegen den anderen nachBeendigung des Güterstands der Zugewinngemeinschaft bzw. nachRechtshängigkeit des Scheidungsantrags einen Auskunftsanspruchüber den Bestand dessen Endvermögens zum Bewertungsstichtag(§§ 1379, 1384 BGB). Diese Auskunft dient der Durchsetzungdes Ausgleichsanspruchs und soll es dem den Zugewinnausgleichfordernden Gatten ermöglichen, seiner Darlegungs- und Beweislastzu genügen (BGH FamRZ 86, 1196; Büte, Zugewinnausgleich beiEhescheidung, Rn. 31). Die Auskunft soll ferner eine richtigeBerechnung des Zugewinns – ggf. mit sachverständiger Hilfe– gewährleisten (BGH FamRZ 89, 157). Dazu Folgendes:
1. Umfang des Auskunftsverlangens des Auskunftsberechtigten
Der Auskunftsanspruch nach § 1379 BGB umfasst folgende Vermögensgegenstände:
- Erfasst sind nur die Vermögensgegenstände, die dem Zugewinn unterfallen. Dazu gehören grundsätzlich nicht Hausratsgegenstände, die nach der HausratsVO verteilt werden können (BGH FamRZ 84, 144). Hinweis:Zu beachten ist jedoch, dass solche Hausratsgegenstände fürdas Anfangsvermögen bedeutsam sein können, die beiEheschließung im Alleineigentum eines Ehegatten stehen undgemäß § 9 HausratsVO nicht dem freien Ermessen desRichters bei der Verteilung unterliegen (dazu Müller, FK 2/02, 24).
- Der Auskunftsanspruch erstreckt sich im Übrigen nicht – auch nicht bezüglich eines Hinzuerwerbs nach § 1374 Abs. 2 BGB – auf das Anfangsvermögen(OLG Karlsruhe FamRZ 81, 458). Eine solche Verpflichtung kannebensowenig aus § 242 BGB hergeleitet werden, so dass nur dieInformationen der auskunftsbegehrenden Partei zu Grunde gelegt werdenkönnen (OLG Karlsruhe FamRZ 86, 1105).
Praxishinweis:Auf Grund der Vermutung des § 1377 Abs. 3 BGB muss zumAnfangsvermögen des in Anspruch genommenen Ehegatten nichtsvorgetragen werden. Wegen einer etwaigen negativen Kostenfolge ist esgleichwohl ratsam, bekannt gewordenes Anfangsvermögen vonvornherein zu berücksichtigen. Legt der Auskunftspflichtige imProzessverlauf sein Anfangsvermögen dar, kann der Rechtsstreitnach § 91a ZPO teilweise für erledigt erklärt werden(OLG Nürnberg FamRZ 86, 272).
- Der Auskunftsanspruch nach § 1379 BGB umfasst zwar nichtdie dem Endvermögen nach § 1375 Abs. 2 BGB hinzuzurechnendenilloyalen Vermögensminderungen, da dies Beweislastgrundsätzenwidersprechen würde. Diese Vermögensminderungen erfolgendadurch, dass ein Ehegatte nach Beginn der ZugewinngemeinschaftVermögenswerte ohne sittliche Pflicht verschenkt,Vermögenswerte verschwendet oder in der Absicht weggibt, denanderen Ehegatten zu benachteiligen (BGH FamRZ 00, 948). Insoweit kannaber Auskunft nach § 242 BGB begehrt werden (BGH FamRZ 82, 27).
Praxishinweis: Derauskunftsbegehrende Ehegatte muss in diesem Fall dieVermögensminderungen konkret bezeichnen (OLG Köln FamRZ97,1336). Dabei dürfen aber an seinen Vortrag keineüberhöhten Anforderungen gestellt werden. Steht z.B. fest,dass kurz vor dem Stichtag ein Grundstück veräußertworden ist, ohne dass dessen Gegenwert im Endvermögen zu erkennenist und über die Verwendung des Erlöses Angaben gemachtworden sind, kann hierüber Auskunft verlangt werden (OLG KölnFamRZ 99, 1071).
Zur Erleichterung der Bewertung desEndvermögens des Auskunftspflichtigen sollte das Auskunftsbegehrenmöglichst konkretisiert werden, damit nichts„vergessen“ wird. Außerdem dürfte dasEndvermögen zumindest in Umrissen bekannt sein.
2. Inhalt und Form der Auskunft durch den Auskunftspflichtigen
Die Auskunft ist nach § 260 BGB durch Vorlageeiner geordneten, übersichtlichen Zusammenstellung aller Aktivaund Passiva zu erteilen (BGH FamRZ 84, 144). Die zum Endvermögengehörenden Gegenstände sind nach Anzahl, Art undwertbildenden Faktoren einzeln aufzuführen.
Einzelangaben inverschiedenen Schriftsätzen reichen in der Regel nicht aus (OLGHamm FamRZ 01, 763). Auch eine in Teilen erteilte Auskunft entbindetnicht von der Verpflichtung, ein geordnetes Vermögensverzeichnisüber das gesamte Endvermögen vorzulegen (BGH FamRZ 82, 682).Nur ausnahmsweise kann das Bestandsverzeichnis aus einer Mehrheit vonTeilverzeichnissen bestehen, wenn die Übersichtlichkeit gewahrtbleibt. Das ist z.B. der Fall, wenn das Endvermögen nur auswenigen Vermögensgegenständen besteht (BGH LM Nr. 14 zu§ 260 BGB).
Sachgesamtheiten undInbegriffe von Gegenständen, z.B. Sammlungen, können imVermögensverzeichnis als solche aufgeführt werden, wenn undsoweit der Verzicht auf eine detaillierte Aufschlüsselung imVerkehr üblich, die notwendige Individualisierung gewahrt und eineausreichende Orientierung des Ausgleichsberechtigten nicht verhindertist (BGH FamRZ 84, 144; Büte, a.a.O., Rn. 169).
Umstritten ist, ob das Bestandsverzeichnis persönlich unterschriebenwerden muss. Das ist jedenfalls nicht notwendig, wenn es keine Zweifelüber die auskunftserteilende Person gibt (KG Berlin FamRZ 97,503). Ausreichend ist auch, wenn ein Rechtsanwalt die Auskunft im Namendes Auskunftspflichtigen erteilt (OLG Nürnberg FuR 00, 294).
3. Eventuelle Angaben für die Wertberechnung und Nachweis durch Belege
Der Auskunftsberechtigte hat nur ausnahmsweiseeinen Anspruch auf die Vorlage von Belegen zu Kontrollzwecken (OLGBremen MDR 00, 1324), wenn ohne schriftliche Unterlagen keineWertfeststellung möglich ist. Die Vorlage solcher Belege istgesondert geltend zu machen und muss nach Art und Anzahl der Belege sokonkret bezeichnet werden, dass eine Zwangsvollstreckung erfolgen kann(OLG Karlsruhe FamRZ 80, 1119).
Für Unternehmen(-sbeteiligungen)sind beispielsweise die Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungenüber einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren vorzulegen (OLGDüsseldorf FamRZ 99, 1070). Den schutzwürdigen Interesseneines Mitgesellschafters ist z.B. durch Schwärzung seiner TeileRechnung zu tragen.
Bei Anwaltssozietäten und (Zahn-)Arztpraxengehören die Vorlage des Sozietäts- bzw. Gesellschaftsvertragsund eine Gewinnberechnung nach § 4 Abs. 3 EStG zur Auskunft (OLGHamm FamRZ 83, 812). Anzugeben sind Praxiseinrichtung und beiArztpraxen Umfang und Anzahl der Krankenschein- und Privatpatienten(OLG Koblenz FamRZ 82, 280).
Bei landwirtschaftlichen Betriebensind Auskünfte über Betriebsflächen und -mittel,Nutzungsart und Bonität des Bodens, Unternehmensaufwand und-ertrag, Fremdlöhne und Lohnansprüche derFamilienarbeitskräfte zu erteilen (OLG Düsseldorf FamRZ 86,168).
Lebensversicherungensind mit dem Rückkaufswert und dem Wert aus derÜberschussbeteiligung anzugeben. Die Anwartschaft ist mit demRückkaufswert in das Endvermögen einzustellen. Falls derVertrag schon bei Eheschließung bestand, ist die Anwartschaft mitdem Rückkaufswert zu diesem Zeitpunkt auch bei demAnfangsvermögen zu berücksichtigen. Voraussetzung dafürist, dass zum Stichtag des Endvermögens bei objektiver Betrachtungdie Fortführung der Versicherung nicht zu erwarten ist und dieseauch nicht durch eine Stundung nach § 1382 BGB ermöglichtwerden kann.
Hingegen ist bei positiverFortführungsprognose oder einer möglichen Stundung derBeiträge auf den Zeitwert abzustellen (vgl. dazu grundlegend BGHFamRZ 95, 1270). Der Rückkaufswert dürfte dabei stets dieuntere Grenze bilden, der sich um die zum Stichtag bestehendeAnwartschaft auf die Schlussgewinnanteile erhöht (Büte, FamRZ97, 1249).
4. Wertermittlungsanspruch des Auskunftsberechtigten
Neben dem Auskunftsanspruch besteht noch einAnspruch auf Wertermittlung nach § 1379 Abs. 1 S. 2 BGB. Danachkann jeder Ehegatte verlangen, dass der Wert einesVermögensgegenstands gegebenenfalls durch einenSachverständigen ermittelt wird. Der andere Ehegatte istverpflichtet, die zur Wertermittlung notwendigen Maßnahmen zudulden. Die Kosten eines Sachverständigen sind von demAuskunftsberechtigten zu tragen (BGH FamRZ 82, 682).
Praxishinweis: Bei denSachverständigengutachten handelt es sich um Privatgutachten, dieim Verfahren von der Gegenseite angegriffen werden können. UnterUmständen wird daher eine weitere Begutachtung durch einengerichtlich bestellten Sachverständigen notwendig. Deshalbkönnen z.B. bei Verfahrenseinleitung zur Berechnung derKlageforderung auch nur geschätzte Werte zu Grunde gelegt werden.Zur Minimierung des Kostenrisikos gibt es außerdem dieMöglichkeit der Teilklage (BGH FamRZ 94, 1095). Dabei ist jedochunbedingt auf die Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 1378Abs. 4 BGB) zu achten, wenn der Anspruch nicht im Verbund geltendgemacht wird oder der Verbund gelöst worden ist. Alternativ istbei vorprozessualen Begutachtungen an eine Schiedsgutachterabrede zudenken (BGH FamRZ 83, 882).
5. Ergänzung einer erteilten Auskunft
Bei Bedenken gegen die Vollständigkeit oderRichtigkeit einer erteilten Auskunft besteht in der Regel kein Anspruchauf Ergänzung (BGH NJW 88, 2729). Ausnahmsweise ist einErgänzungsanspruch nur zu bejahen, wenn
- die erteilte Auskunft nicht den formellen Anforderungen genügt oder
- in der erteilten Auskunft die Angaben unvollständig sind oder
- derAuskunftsverpflichtete unverschuldet oder in entschuldbarem Irrtum denUmfang seiner Auskunftspflicht verkannt hat (BGH FamRZ 84, 144).
Praxishinweis: Ob der Verpflichtete die Auskunft mit der erforderlichen Sorgfalt erteilt hat, ist keine Frage der Ergänzung, sondern der Vollstreckung oder der eidesstattlichen Versicherung.Solange eine Auskunft nach dem übereinstimmenden Verständnisder Parteien noch nicht vollständig erteilt ist, kann eineeidesstattliche Versicherung auch dann nicht verlangt werden, wenn derBereich der zu erteilenden Auskunft klar abgrenzbar ist (OLG KölnFamRZ 01, 423).
6. Ausschluss des Auskunftsanspruchs
Steht von vornherein fest, dass keinZahlungsanspruch besteht, ist kein Auskunftsanspruch gegeben. Das istz.B. bei einem vertraglichen Ausschluss des Zugewinnausgleichs (BGHFamRZ 83, 157) oder bei Verjährung (OLG Celle NJW-RR 95, 1411) derFall.
Die Erhebung einer Einrede nach § 1381 BGB(Leistungsverweigerung wegen grober Unbilligkeit) führtgrundsätzlich nicht zum Ausschluss des Auskunftsanspruchs (BGH NJW72, 433). Nur wenn hier eine bestehende Ausgleichsforderung evidentnicht geltend gemacht werden kann, ist der Auskunftsanspruch abzuweisen(BGH NJW 80, 1462). Allein die kurze Dauer einer Ehe, während derdie eheliche Lebensgemeinschaft nicht in vollem Umfang verwirklichtworden ist, schließt den Auskunftsanspruch nicht aus.
7. Keine Gegenrechte des Auskunftspflichtigen
Streitig ist, ob sich der auskunftspflichtigeEhegatte wegen eines ihm selbst zustehenden Auskunftsanspruchs auf einZurückbehaltungsrecht berufen kann. Die überwiegende Meinungverneint dies (z.B. OLG Stuttgart FamRZ 84, 273). Denn § 273 BGBdient der Sicherung des Schuldners hinsichtlich seiner Gegenforderungund mittelbar der Ausübung von Erfüllungsdruck auf denGläubiger. Dies lässt sich bei dem Auskunftsanspruch nach§ 1379 Abs. 1 BGB nicht verwirklichen: Es fehlt dasSicherungsbedürfnis des Auskunftspflichtigen, da diewechselseitigen Auskunftsansprüche nur der Vorbereitung einesmöglichen Ausgleichsanspruchs dienen.
8. Verfahrensrecht
Der BGH lehnt die Möglichkeit ab, einenisolierten Auskunftsanspruch nach §§ 1580, 1605 BGB (Auskunftbei Unterhaltsanspruch) im Verbund geltend zu machen (FamRZ 97, 811).Diese Grundsätze sind auf ein isoliertes Auskunftsbegehren imZugewinnausgleich übertragbar. Wird ein isolierter Anspruchgleichwohl im Verbund geltend gemacht, ist darüber nach Abtrennunggemäß § 145 ZPO in einem gesonderten Verfahren zuverhandeln und zu entscheiden (BGH FamRZ 97, 811).
9. Streitwert
Bedeutsam ist der nach §§ 2, 3 ZPO zubemessende Streitwert einer Auskunftsklage im Rechtsmittelverfahrengegen die Verurteilung zur Auskunft, Rechnungslegung,Einsichtsgewährung in bestimmte Unterlagen sowie zur Abgabe einereidesstattlichen Versicherung im Hinblick auf § 511a ZPO. Der Wertdes Beschwerdegegenstands (§ 511a Abs. 1 ZPO) oder der Beschwer(§ 546 Abs. 1 ZPO) ist nach dem Kosten- und Zeitaufwand zurErfüllung des titulierten Anspruchs sowie nach einem etwaigenGeheimhaltungsinteresse des Verurteilten zu bemessen (BGH – GS– FamRZ 95, 349):
- Zu berücksichtigen ist z.B., dass sich der Schuldner zurErmittlung von Einkommen aus Vermietung und Verpachtung kundigen Ratsbedienen darf, um etwa vom Kläger ergriffene Zwangsmaßnahmenabzuwenden (BGH FamRZ 91, 318).
- Bei der Verurteilung zurDuldung der Begutachtung eines Gebäudes durch einenSachverständigen ist das Interesse maßgebend, die Handlungnicht dulden zu müssen (BGH FamRZ 99, 648).
- Das Interesse,keine eidesstattliche Versicherung abzugeben, richtet sich nach demvoraussichtlichen Kosten- und Zeitaufwand für die Erklärung(BGH FamRZ 99, 649).
- Das Interesse des Beklagten an derVermeidung einer für ihn nachteiligen Kostenentscheidung bleibtallerdings außer Betracht.
Praxishinweis: Bei derAbweisung des Auskunftsanspruchs richtet sich der Wert nach demwirtschaftlichen Interesse des Klägers an der Auskunft. Erbeträgt in der Regel nur einen Bruchteil des Leistungsanspruchs,der mit dem Auskunftsanspruch vorbereitet werden soll. DieRechtsprechung geht von einer Spanne von 1/4 bis zu 1/10 desLeistungsanspruchs aus (BGH FamRZ 93, 1189). Zu ermitteln ist, ob einsolcher Anspruch nach den festgestellten Verhältnissenüberhaupt in Betracht kommt. Anhand des Tatsachenvortrags desKlägers ist nach seinen Vorstellungen vom Wert desLeistungsanspruchs zu fragen (BGH FamRZ 00, 948).
Quelle: Familienrecht kompakt - Ausgabe 02/2002, Seite 19