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  • 30.11.2010 | VKH

    Anwaltsbeiordnung in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit erfordert Einzelfallprüfung

    1. Ist eine Vertretung durch einen Anwalt nicht vorgeschrieben, ist dem Beteiligten im Rahmen der bewilligten VKH ein Anwalt beizuordnen, wenn dies wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage erforderlich ist. Entscheidend ist dabei, ob ein bemittelter Rechtsuchender in der Lage des Unbemittelten vernünftigerweise einen Anwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte.  
    2. Die gebotene einzelfallbezogene Prüfung lässt eine Herausbildung von Regeln, nach denen der mittellosen Partei für bestimmte Verfahren immer oder grundsätzlich ein Anwalt beizuordnen ist, regelmäßig nicht zu. Ein Regel-Ausnahme-Verhältnis ist nach der gebotenen individuellen Bemessung deshalb nicht mit dem Gesetz vereinbar.  
    3. Das Verfahren kann sich für einen Beteiligten auch allein wegen einer schwierigen Sachlage oder allein wegen einer schwierigen Rechtslage so kompliziert darstellen, dass auch ein bemittelter Beteiligter einen Anwalt hinzuziehen würde. Jeder der genannten Umstände kann also die Beiordnung eines Anwalts erforderlich machen.  
    4. Die Erforderlichkeit zur Beiordnung eines Anwalts beurteilt sich auch nach den subjektiven Fähigkeiten des betroffenen Beteiligten.  
    5. Auch wenn der Grundsatz der Waffengleichheit kein allein entscheidender Gesichtspunkt für die Beiordnung eines Anwalts im Rahmen der VKH mehr ist, kann der Umstand der anwaltlichen Vertretung anderer Beteiligter ein Kriterium für die Erforderlichkeit zur Beiordnung eines Anwalts wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage sein.  
    (BGH 23.6.10, XII ZB 232/09, FamRZ 10, 1427, Abruf-Nr. 102469).

     

    Sachverhalt und Praxishinweis

    Die Beteiligten streiten um die Abänderung einer gerichtlich gebilligten Vereinbarung zum Umgangsrecht. Die Mutter hat im Vorfeld eine einvernehmliche Lösung verhindert und schließlich das Umgangsrecht unter Hinweis auf ein belastetes Verhältnis der Kinder zur Lebensgefährtin des Vaters völlig abgelehnt. Dem Vater ist zwar VKH bewilligt worden, die Beiordnung eines Anwalts wurde jedoch zurückgewiesen. Die dagegen eingelegte Rechtsbeschwerde beim BGH hatte Erfolg.  

     

    Der BGH hat ein deutliches Zeichen gesetzt, dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gleichheit von Bemittelten und Unbemittelten Geltung zu verschaffen. Gleichzeitig hat er dem von fiskalischen Gesichtspunkten geprägten Willen des Gesetzgebers Grenzen gesetzt. Erforderlich ist eine Einzelfallprüfung. Daher sollte zu den Fähigkeiten eines Mandanten vorgetragen werden, sich mündlich und schriftlich auszudrücken. Auch ein Hinweis auf das vorprozessuale Verhalten der Gegenseite wird hilfreich sein. Sofern sich die Beteiligten jedoch nur um Nebenpunkte des Umgangsrechts streiten, dazu zählt auch eine geringfügige Ausweitung oder Einschränkung der Umgangskontakte, bedarf es keiner Anwaltsbeiordnung.  

     

    Quelle: Ausgabe 12 / 2010 | Seite 209 | ID 140391