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  • 08.01.2008 | Versorgungsausgleich

    Keine Umwertung einer nach Ehezeitende begonnenen Betriebsrente

    von VRiOLG Hartmut Wick, Celle
    1. Zur Durchführung des Versorgungsausgleichs und zur Anwendung der Billigkeitsklausel des Art. 17 Abs. 3 S. 2 letzter HS. EGBGB zwischen Ehegatten, die bei Zustellung des Scheidungsantrags die kroatische Staatsangehörigkeit besaßen und inländische Versorgungsanrechte erworben haben.  
    2. Zur Berechnung des Ehezeitanteils einer erst nach Ehezeitende, jedoch vor Durchführung des Versorgungsausgleichs bezogenen Betriebsrente wegen Invalidität.  
    3. Zur Leistungsdynamik einer laufenden Betriebsrente, die vom Versorgungsträger im Rahmen der Überprüfung nach § 16 Abs. 1 BetrAVG den Veränderungen des Verbraucherpreisindexes angepasst wird, wenn diese im Versorgungszeitraum höher sind als die Anpassungen von gesetzlicher Rente oder Beamtenversorgung, und von gleichbleibenden Anpassungen in der Zukunft ausgegangen werden kann (hier: Siemens AG).  
    4. Tritt der Versorgungsfall erst nach Ehezeitende, aber vor der Entscheidung über den Versorgungsausgleich ein, kann eine Umrechnung einer Betriebsrente nach der BarwertVO unterbleiben und der tatsächliche Zahlbetrag zugrunde gelegt werden, wenn das Anrecht im Leistungsstadium volldynamisch und im Anwartschaftsstadium einkommensdynamisch ist und sich die für den Zahlbetrag der Rente maßgebenden Bemessungsfaktoren seit Ehezeitende nicht mehr verändert haben.  
    5. Zur Berücksichtigung des vorgezogenen Beginns einer betrieblichen Altersrente (mit 60 Jahren) während des Versorgungsausgleichsverfahrens bei der Ermittlung des Barwerts.  
    6. Die Härteklausel des § 1587c BGB geht allgemeinen Verwirkungsgrundsätzen vor.  
    (BGH 17.1.07, XII ZB 168/01, FamRZ 07, 996, Abruf-Nr. 071749)  

     

    Sachverhalt

    Die Eheleute sind nach kroatischem Recht geschieden worden. Ein Versorgungsausgleich (VA) wurde zunächst nicht durchgeführt. Erst am 15.10.98 beantragte die Ehefrau, nachträglich den VA durchzuführen. In der Ehezeit (1.3.66 bis 31.3.92) haben beide gesetzliche Rentenanwartschaften erworben, die Ehefrau hat darüber hinaus gegenüber der Siemens AG eine Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung erworben. Der Ehemann bezieht seit 1.11.97 eine Erwerbsunfähigkeitsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Seit 1.10.98 erhält auch die Ehefrau wegen Invalidität sowohl eine gesetzliche Rente als auch Betriebsrente. Das AG hat den VA durchgeführt. Dabei hat es die Betriebsrente der Ehefrau als statisch angesehen und nach der BarwertVO umgewertet. Das OLG hat die Beschwerde des Ehemannes zurückgewiesen. Mit seiner Rechtsbeschwerde macht er geltend, der VA sei unter Billigkeitsgesichtspunkten und wegen Verwirkung auszuschließen, zumindest sei die Betriebsrente der Ehefrau im VA höher zu bewerten. Das Rechtsmittel führte zur Zurückverweisung an das OLG.  

     

    Entscheidungsgründe

    Zwar richtet sich die Durchführung des VA gemäß Art. 17 Abs. 3 S. 1i.V. mit Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB nach dem Scheidungsstatut, hier also nach kroatischem Recht, das keinen VA kennt. Aufgrund des von der Ehefrau gestellten Antrags nach Art. 17 Abs. 3 S. 2 EGBGB ist der VA jedoch in Bezug auf die von den Parteien in Deutschland erworbenen Versorgungsanrechte durchzuführen. Dem stehen auch keine Billigkeitsgesichtspunkte i.S. des Art. 17 Abs. 3 S. 2 letzter HS. EGBGB entgegen. Durch diese Klausel sollen vor allem unbillige Ergebnisse vermieden werden, die sich dadurch ergeben könnten, dass ein Ehegatte inländische Anwartschaften abgeben muss, während der andere Ehegatte Vermögenswerte im Ausland besitzt, die seiner Alterssicherung dienen können, an denen der andere Ehegatte aber nicht partizipieren kann. Solche Vermögenswerte besitzt die Ehefrau nicht. Es ist auch nicht ersichtlich, dass sie bereits ohne VA ausreichend für ihr Alter gesichert ist.  

     

    Die Ehefrau hat den Anspruch auf VA auch nicht dadurch „verwirkt“, dass sie den Antrag auf Durchführung des VA erst Jahre nach der Scheidung gestellt hat. Die allgemeinen Verwirkungsgrundsätze werden im VA durch die Härteklausel des § 1587c BGB verdrängt. Diese Vorschrift kann auch neben der Billigkeitsklausel des Art. 17 Abs. 3 S. 2 letzter HS. EGBGB zur Anwendung kommen. Ein VA ist aber nicht deshalb grob unbillig, weil der Antrag nach Art. 17 Abs. 3 S. 2 EGBGB nicht schon im Scheidungsverbund gestellt worden ist. Dieser Antrag kann auch später im isolierten Verfahren nachgeholt werden. Der Ausgleichsanspruch verjährt auch nicht, sondern erlischt nach § 1587e Abs. 2 BGB grundsätzlich erst mit dem Tod des Berechtigten.