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  • 01.12.2006 | Vermögensauseinandersetzung

    Erhöhte Sorgfaltspflichten für Fachanwälte

    von RA Thomas Herr, FA Familienrecht und Arbeitsrecht, Kassel

    Ein Fachanwalt Familienrecht (FA) wurde zu Schadenersatzleistungen wegen Verletzungen des Anwaltsvertrags verurteilt. Der Beitrag zeigt dessen Fehler und erläutert, was daraus für die Mandatsbearbeitung folgt.  

     

    Der Fall des OLG Zweibrücken

    Sachverhalt: Der Kläger hatte mit seiner späteren Ehefrau ein Hausgrundstück je zur ideellen Hälfte erworben. Einige Jahre nach der Eheschließung vereinbarten die Eheleute in einem notariellen Übergabevertrag, dass die Ehefrau die Haushälfte des Klägers und die auf dem Grundbesitz lastenden Verbindlichkeiten gegen Zahlung eines Geldbetrags übernimmt. Sie lebten im gesetzlichen Güterstand. Der Beklagte, ein FA Familienrecht, sollte für den Kläger die ihm gegen seine Ehefrau zustehenden vermögensrechtlichen Ansprüche geltend machen. Auf sein Anraten machte der Kläger diverse Verfahren anhängig, die er im Wesentlichen verlor. Insgesamt wurde der Kläger zu Zahlungen von über 70.000 EUR verurteilt, davon etwa je zur Hälfte entgangener Zugewinn und Verfahrenskosten. Er nahm den Beklagten erfolgreich wegen fehlerhafter Beratung und Prozessführung in Regress (OLG Zweibrücken 22.5.06, 2 U 6/05, n.v., Abruf-Nr. 063322).  

     

    Entscheidungsgründe: Der Anwalt ist seinem Auftraggeber zur umfassenden und erschöpfenden Belehrung verpflichtet und dazu, den ihm mitgeteilten Sachverhalt daraufhin zu überprüfen, ob er geeignet ist, den vom Mandanten erstrebten Erfolg herbei zu führen. Er muss die dazu geeigneten und erforderlichen Schritte empfehlen und hierbei den Grundsatz des sichersten Weges beachten, also über mögliche Risiken und Bedenken aufklären, damit der Mandant selbst über das weitere Vorgehen entscheiden kann. Das OLG hat folgende Fehler des Beklagten festgestellt:  

     

    • Der Kläger erhob erfolglos u.a. eine Zahlungsklage wegen ehebezogener Zuwendung. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH kann eine solche Klage nur Erfolg haben, wenn es sonst zum unangemessenen und unzumutbaren Ergebnis kommt. Dies muss der Kläger darlegen, was aber beim gesetzlichen Güterstand i.d.R. daran scheitert, dass eine ehebezogene Zuwendung nicht nach 1374 Abs. 2 BGB privilegiert ist, so dass der zuwendende Ehegatte seine Forderung über den Zugewinnausgleich realisieren kann.

     

    • Eine Vollstreckungsgegenklage des Klägers gegen seine Ehefrau, die aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss vollstreckte, blieb erfolglos, weil sein Vortrag unschlüssig war.

     

    • Der Kläger beantragte PKH für eine Zugewinnausgleichsklage. Er kam – obwohl sich der Anspruch hätte begründen lassen – nur zur Ausgleichsforderung, weil er seine (falsche) Berechnung, die sonst nicht mit der ihm zustehenden Forderung geendet hätte, durch Billigkeitserwägungen korrigierte. Auf richterlichen Hinweis nahm er den PKH-Antrag zurück. Der Beklagte hatte das Zusammenspiel der Regelungen über den Zugewinnausgleich und den ehebezogenen Zuwendungen nicht verstanden.

     

    • Seine erneute Zugewinnausgleichsklage wurde abgewiesen, weil er die Forderung wieder falsch berechnete, indem er anstatt auf die Zugewinnausgleichsbilanz ausschließlich auf den Immobilienerwerb abstellte. Er trug vor, das Hausgrundstück sei bei ihm voll, bei der Ehefrau jedoch nicht im Anfangsvermögen zu berücksichtigen. Außerdem sei ihr Endvermögen um den Betrag zu erhöhen, den er in der Ehe zur Tilgung der Hausverbindlichkeiten aufgewendet hatte, was der Beklagte als „privilegierten Erwerb“ bezeichnete. Die hypothetische Zugewinnausgleichsberechnung des Regressgerichts führte zum Zahlungsanspruch des Klägers gegen seine Ehefrau, mit dem er aufgrund des rechtskräftigen Prozessverlusts ausgefallen war.

     

    • Der Kläger beantragte für seine „Zugewinnausgleichsforderung“ vor dem Familiengericht den dinglichen Arrest in das Vermögen seiner Ehefrau. Da sein parallel dazu gestellter PKH-Antrag im Termin zurückgewiesen wurde, stellte der Beklagte keinen Antrag, so dass ein Versäumnisurteil zulasten des Klägers erging. Die PKH Beschwerde blieb mangels schlüssiger Darlegung des Arrestgrunds erfolglos. Den Einspruch gegen das Versäumnisurteil nahm der Kläger zurück.

     

    • Der Kläger beantragte erneut, nun vor dem Zivilgericht, den dinglichen Arrest in das gesamte Vermögen seiner Ehefrau zur Sicherung einer behaupteten Ausgleichsforderung. Der Antrag hatte zunächst im Beschlussverfahren Erfolg, wurde jedoch nach dem Widerspruchstermin durch Urteil abgewiesen, weil der Rückforderungsanspruch nicht schlüssig dargelegt war.

     

     

     

    Bei der Beurteilung des Grads der Pflichtverletzung kam dem Umstand, dass der Beklagte ein FA ist, große Bedeutung zu. Ein solcher muss sich „an erhöhten Standards messen“ lassen. Dies ist Ausfluss des im Zivilrecht geltenden objektiv-abstrakten Sorgfalts- bzw. Haftungsmaßstabs (Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl., § 276 Rn. 15). Danach kommt es nicht nur auf das Kennen, sondern auch auf das Kennenmüssen der Pflichten an, die hier aus der Kenntnis des materiellen und formellen Rechts folgen.