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  • 26.01.2010 | Verfahrenskostenhilfe

    Nur bei rechtsmissbräuchlicher Antragstellung erfolgt die Zurechnung fiktiver Einkünfte

    von VRiOLG Dr. Jürgen Soyka, Düsseldorf

    Einer Prozesskostenhilfe (PKH) beantragenden Partei können im Ausnahmefall fiktive Einkünfte zugerechnet werden, wenn sie rechtsmissbräuchlich handelt. Dabei ist eine rechtsmissbräuchliche Antragstellung nicht nur bei vorsätzlicher Herbeiführung oder Aufrechterhaltung der Bedürftigkeit gegeben. Sie liegt auch vor, wenn die Partei es offenkundig leichtfertig unterlässt, eine tatsächlich bestehende und zumutbare Erwerbsmöglichkeit zu nutzen und ihr deshalb die Beseitigung ihrer Bedürftigkeit ohne Weiteres möglich wäre. Davon wird regelmäßig nicht auszugehen sein, wenn die Partei Sozialleistungen nach dem SGB II oder SGB XII bezieht (BGH 30.9.09, XII ZB 135/07, FamRZ 09, 1994, Abruf-Nr. 093610).

     

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe

    Im Mai 2007 beantragte der Antragsgegner beim Familiengericht die Bewilligung von PKH für ein Scheidungsverfahren. Dabei legte er die Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie den Bescheid der ARGE vor, mit dem ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (ALG II) bewilligt worden waren. Das AG forderte den Antragsgegner auf, binnen zwei Wochen die Eingliederungsvereinbarung mit der ARGE vorzulegen und seine Erwerbsbemühungen sowie die Zeiten der letzten Beschäftigung und Angaben des Verdienstes darzulegen. Dieser Aufforderung ist er nicht nachgekommen. Daher hat das AG den PKH-Antrag zurückgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde hob das OLG den Beschluss auf und bewilligte ratenfreie PKH. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Bezirksrevisors, die das OLG ausdrücklich wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen hat. Der BGH hat die Beschwerde zurückgewiesen.  

     

    Grundsätzlich ist nur tatsächliches Einkommen berücksichtigungsfähig. Eine Zurechnung fiktiver Einkünfte hat grundsätzlich außer Betracht zu bleiben.  

     

    Eine Ausnahme besteht für den Fall des Rechtsmissbrauchs. Dieser kann gegeben sein, wenn die PKH beantragende Partei es offenkundig leichtfertig unterlässt, eine tatsächlich bestehende oder zumutbare Erwerbsmöglichkeit zu nutzen, um die Bedürftigkeit zu beseitigen. Allerdings muss die bedürftige Partei nicht von sich aus darlegen, welche Erwerbsbemühungen sie im einzelnen unternommen hat. Vielmehr obliegt es dem Gericht, zu entscheiden, ob die Angaben und Belege zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen ausreichen oder Anhaltspunkte für einen Rechtsmissbrauch gegeben sind. Das Gericht kann davon ausgehen, dass, wenn Leistungen nach SGB II oder SGB XII ungekürzt bewilligt werden, ein Rechtsmissbrauch nicht gegeben ist.