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  • 26.10.2009 | Verfahrenskostenhilfe

    Diese Freibeträge finden beim Antrag auf Verfahrenskostenhilfe Berücksichtigung

    von RA Michael Nickel, FA Familienrecht, Hagen

    Die vom Einkommen abzusetzenden Grundfreibeträge für den Antrag- steller, seinen Ehegatten und Angehörige sowie den Freibetrag für Einkünfte aus Erwerbstätigkeit hat der Gesetzgeber mit der PKH-Bekanntmachung 2009 vom 17.6.09 - PKH-B 2009 (BGBl 2009 I S. 1140) - neu geregelt.  

     

    Dass darüber hinaus weitere Freibeträge in Betracht kommen, scheint in der Praxis mehr und mehr in Vergessenheit zu geraten. Im Folgenden finden Sie eine Aufstellung aller in Betracht kommenden Freibeträge.  

     

    Checkliste: Einkommensfreibeträge
    • Grundfreibetrag
    Die Grundfreibeträge belaufen sich seit dem 1.7.09 für die Partei und ihren Ehegatten auf 395 EUR (Nr. 2 PKH-B 2009) und für Angehörige auf 276 EUR (Nr. 3 PKH-B 2009).

     

    • Erwerbstätigenfreibetrag
    Bis zum 31.12.04 konnte sich das Gesetz in § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 ZPO mit einem pauschalen Verweis auf § 76 Abs. 2 und 2a BSHG begnügen. Gemäß § 76 Abs. 2a Nr. 1 BSHG waren für erwerbstätige Personen, die Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt erhalten, vom Einkommen „Beträge in jeweils angemessener Höhe“ abzusetzen.

     

    Durch das „Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch“ vom 27.12.03 (BGBl I 03, 3022) geriet das BSHG insgesamt in Wegfall. Nach § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 lit. b) ZPO in seiner seit 1.4.05 geltenden Fassung ist nunmehr ein Freibetrag für erwerbstätige „Parteien“ zu berücksichtigen (zu im Ausland lebenden Parteien vgl. OLG Stuttgart, FamRZ 07, 486). Dass dieser Freibetrag im Gegensatz zur früheren Rechtslage nun für Ehegatten oder Lebenspartner des Antragstellers nicht mehr gelten soll, kann den Materialien (BT-Drucks. 15/4942) nicht entnommen werden. In einer Stellungnahme hat der Gesetzgeber mitgeteilt, dass tatsächlich eine Änderung in der Rechtslage auch insoweit nicht beabsichtigt war. Die so entstandene Regelungslücke ist durch eine analoge Anwendung von § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 lit. b) ZPO auch auf den Ehegatten oder Lebenspartner der Partei zu schließen (zu den Einzelheiten Nickel: Änderungen im Bereich der Prozesskostenhilfe 05, MDR 05, 729 und 1151).

     

    Der Freibetrag gilt auch für Umschüler im Fall der Gewährung von Umschulungsgeld (OLG Nürnberg, FamRZ 03, 774).

     

    • Freibetrag bei eingeschränktem Leistungsvermögen
    Darüber hinaus wurden bis zum 31.12.04 gemäß § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO, § 76 Abs. 2a Nr. 2 - 3 BSHG weitere „Beträge in jeweils angemessener Höhe“ angerechnet für Personen, die trotz beschränkten Leistungsvermögens einem Erwerb nachgehen (Nr. 2) sowie für Erwerbstätige, die blind sind oder deren Sehschärfe auf dem besseren Auge nicht mehr als 1/50 beträgt oder bei denen dem Schweregrad dieser Sehschärfe gleichzuachtende, nicht nur vorübergehende Störungen des Sehvermögens vorliegen Nr. 3 lit. a) oder deren Behinderung so schwer ist, dass sie als Beschädigte die Pflegezulage nach den Stufen III bis VI nach § 35 Abs. 1 S. 2 BVG erhielten (Nr. 3 lit. b).
    Konkrete Beträge enthielt das Gesetz nicht. Als zusätzlicher Freibetrag für Erwerbstätige mit beschränktem Leistungsvermögen wurde nach den Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge des Weiteren anerkannt:
    • Der Betrag des bereinigten Erwerbseinkommens, wenn es 30 Prozent des jeweils geltenden Eckregelsatzes nicht erreichte,

     

    • 30 Prozent vom Eckregelsatz plus 25 Prozent des darüber hinausgehenden Einkommens bis zur Höhe weiterer 36,67 Prozent des Eckregelsatzes,

     

    • höchstens 66,67 Prozent des Eckregelsatzes (vgl. Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs: Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 4. Aufl., Rn. 266).

     

    Ab dem 1.7.09 beträgt der Eckregelsatz nach § 20 Abs. 2 S.1 SGB II bundeseinheitlich 359 EUR (Bekanntmachung über die Höhe der Regelleistung nach § 20 Abs. 2 S. 1 SGB II für die Zeit ab 1.7.09 vom 17.7.09 - BGBl. 2009 S. 1342). Der maximale Freibetrag für Erwerbstätige mit beschränktem Leistungsvermögen beträgt daher 239,35 EUR.

     

    • Erwerbstätigkeit trotz Kinderbetreuung
    Zu Personen, die für die Erwerbstätigkeit besondere Tatkraft aufwenden müssen, zählt die Rechtsprechung auch Erwerbstätige, die trotz Betreuung von Klein- oder Grundschulkindern einer Erwerbstätigkeit nachgehen (OLG Köln, FamRZ 03, 773 im Anschluss an Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs a.a.O., Rn. 265; OLG Bamberg, FamRZ 07, 1339 m. Anm. Nickel, FamRZ 08, 157; a.A. Künzl/Koller: Prozesskostenhilfe, 2. Aufl., Rn. 123) und zieht bei einer neben der Erziehung von einem Kind im Grundschulalter oder mehreren Kindern unter 16 Jahren überobligatorischen Tätigkeit vom Einkommen des PKH-Beziehers für alle Kinder zusammen (nur einmal) einen Mehrbedarf wie bei Erwerbstätigen mit eingeschränktem Leistungsvermögen (OLG Köln, FamRZ 03, 773), nach anderer Auffassung in Höhe von 40 Prozent des Eckregelsatzes ab (OLG Stuttgart, OLGR Stuttgart 05, 102) allerdings entgegen den Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge (Kleine Schriften, Heft 55).

     

    Nach Auffassung des OLG Bamberg (FamRZ 07, 1339 mit Anm. Nickel, FamRZ 08, 157) soll dieser Freibetrag seit dem 1.1.05 aus § 30 SGB XII entnommen werden. Diese Auffassung ist jedoch abzulehnen: Abgesehen davon, dass § 30 SGB XII Bestandteil des Dritten Kapitels des SGB XII ist, die ganz herrschende Meinung die Prozesskostenhilfe jedoch als Sozialhilfe im Bereich der Rechtspflege nach dem fünften bis neunten Kapitel des SGB XII betrachtet (so u.a. BGH, FamRZ 09, 497; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs a.a.O., Rn. 348; Künzl/Koller a.a.O., Rn. 257, 258; a.A. LSG Sachsen, FamRZ 07, 156 m. abl. Anm. Wrobel-Sachs), führt dies im konkreten Fall glatt zur Halbierung des Freibetrags. Da eine solche materiell-rechtliche Änderung vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt war, sind die Freibeträge auch weiterhin nach bisheriger Methode zu ermitteln. § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 ZPO spricht jedenfalls nicht dagegen.

     

    • Freibetrag für Blinde und schwerbehinderte Erwerbstätige
    Der zusätzliche Freibetrag für Blinde, schwer Sehbehinderte und schwerbehinderte Erwerbstätige schließlich wurde - ebenfalls nach den Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge - wie folgt ermittelt (vgl. Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs a.a.O., Rn. 267): Das bereinigte Erwerbseinkommen übersteigt 50 Prozent des Eckregelsatzes nicht. Abzuziehen ist ein Betrag in Höhe von 50 Prozent des Erwerbseinkommens.

     

    Das bereinigte Erwerbseinkommen übersteigt 50 Prozent des Eckregelsatzes: Freibetrag = Eckregelsatz x 0,5 + (bereinigtes Erwerbseinkommen - Regelsatz x 0,5) x 0,25 ohne Begrenzung.

     

    Seit 1.1.05 findet sich keine entsprechende Regelung mehr. Auch insoweit hat der Gesetzgeber jedoch ebenfalls keine Änderung der Rechtslage beabsichtigt (Nickel, MDR 05, 729, 1151). Auch diese Freibeträge sind daher weiterhin über § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 ZPO zu berücksichtigen.
     

    Quelle: Ausgabe 11 / 2009 | Seite 197 | ID 130921