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  • 26.06.2008 | Umgangsrecht

    BVerfG: Keine Vollstreckung gegen umgangsunwilligen Elternteil

    von VRiOLG Dieter Büte, Bad Bodenteich/Celle
    1. Die den Eltern durch Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG auferlegte Pflicht zur Pflege und Erziehung eines Kindes besteht nicht allein dem Staat, sondern auch ihrem Kind gegenüber. Mit dieser elterlichen Pflicht korrespondiert das Recht des Kindes auf Pflege und Erziehung durch seine Eltern aus Art. 6 Abs. 1 GG. Recht und Pflicht sind vom Gesetzgeber auszugestalten.  
    2. Der mit der Verpflichtung eines Elternteils zum Umgang mit seinem Kind verbundene Eingriff in das Grundrecht auf Schutz der Persönlichkeit aus Art. 2 Abs. 1i.V. mit Art. 1 Abs. 1 GG ist wegen der den Eltern durch Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG auferlegten Verantwortung für ihr Kind und dessen Recht auf Pflege und Erziehung durch seine Eltern gerechtfertigt. Es ist einem Elternteil zumutbar, zum Umgang mit seinem Kind verpflichtet zu werden, wenn dies dem Kindeswohl dient.  
    3. Ein Umgang mit dem Kind, der nur mit Zwangsmitteln gegen seinen umgangsunwilligen Elternteil durchgesetzt werden kann, dient i.d.R. nicht dem Kindeswohl. Der durch die Zwangsmittelandrohung bewirkte Eingriff in das Grundrecht des Elternteils auf Schutz der Persönlichkeit ist insoweit nicht gerechtfertigt, es sei denn, es gibt im Einzelfall hinreichende Anhaltspunkte, die darauf schließen lassen, dass ein erzwungener Umgang dem Kindeswohl dienen wird.  
    (BVerfG 1.4.08, 1 BvR 1620/04, FamRZ 08, 845, Abruf-Nr. 081767)  

     

    Sachverhalt

    Der Beschwerdeführer, der mit seiner Ehefrau noch zwei minderjährige Kinder hat, hat die Vaterschaft zu seinem minderjährigen außerehelichen Sohn anerkannt. Einen Umgang mit ihm lehnt er ab. Das AG hat den Antrag der Kindesmutter, eine Regelung über den Umgang des Kindes mit dem Vater zu treffen, abgelehnt. Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens hat das OLG betreuten Umgang des Kindesvaters mit seinem Kind für die Dauer von zwei Stunden alle drei Monate angeordnet. Laut Sachverständigengutachten würden begleitete Umgangskontakte selbst – jedenfalls für eine gewisse Zeit – dem Kindeswohl nicht schaden, wenn der Kindesvater entsprechend seiner Ankündigung das Kind ignorieren würde. Eine über längere Zeit ablehnende Haltung des Vaters würde das Kind aber verunsichern, weil es die Begegnung als Zwang erleben würde. In diesem Fall bestünde die Gefahr eines gravierenden Schadens für das Kind. Das OLG hat dem Kindesvater ein Zwangsgeld von bis zu 25.000 EUR angedroht. Die gegen die Zwangsgeldandrohung gerichtete Verfassungsbeschwerde des Kindesvaters hat Erfolg.  

     

    Entscheidungsgründe

    Der Beschluss des OLG greift in das Grundrecht des Kindesvaters auf Schutz der Persönlichkeit aus Art. 2 Abs. 1i.V. mit Art. 1 Abs. 1 GG ein, soweit ihm darin für den Fall der Weigerung des Umgangs mit seinem Kind ein Zwangsgeld angedroht wird. Grundsätzlich kommt es dem Wohl eines Kindes zugute, wenn es durch den Umgang mit seinen Eltern die Möglichkeit erhält, Vater und Mutter kennenzulernen, mit ihnen vertraut zu werden oder eine persönliche Beziehung zu ihnen mit Hilfe des Umgangs fortsetzen zu können. In der Kommunikation mit seinen Eltern kann das Kind Zuneigung erfahren, von diesen lernen und Impulse wie Ratschläge erhalten, was ihm Orientierung gibt, zu seiner Meinungsbildung beiträgt und ihm dazu verhilft, sich zur selbstständigen und eigenverantwortlichen Persönlichkeit zu entwickeln.  

     

    § 1684 Abs. 1 BGB, der die Eltern zum Umgang mit dem Kind verpflichtet, ist nicht zu beanstanden. Denn ein Umgang ist für die kindliche Entwicklung von herausragender Bedeutung. Deshalb ist es grundsätzlich zumutbar für einen Elternteil, angehalten zu werden, mit seinem Kind Umgang zu pflegen. Voraussetzung: Dies muss dem Kindeswohl dienen. Eine Androhung der zwangsweisen Durchsetzung der Umgangspflicht ist jedoch regelmäßig nicht geeignet, den mit dem Umgangsrecht verfolgten Zweck zu erreichen. Zwar kann die Androhung des Zwangsgeldes bewirken, dass sich ein Elternteil widerwillig veranlasst sieht, dem Kind zu begegnen. Eine zwangsweise Durchsetzung des Umgangs, bei der vom Umgangspflichtigen aber nicht die bloße Anwesenheit, sondern auch eine emotionale Zuwendung zum Kind erwartet wird, widerspricht auch seinen Gefühlen, die er gegenüber dem Kind hegt. Ein solcher Widerwille, verbunden mit einer ablehnenden Haltung zum Kind, kann bei einem dennoch allein wegen des Drucks, der auf den Elternteil ausgeübt wird, zustande gekommenen Umgang nicht ohne Auswirkung auf das Kind bleiben. Das Kind gerät dadurch in eine Situation, in der es spüren muss, dass es als Person abgelehnt wird, und dies nicht von irgendjemandem, sondern gerade von seinem Elternteil. Das birgt die große Gefahr in sich, dass das Selbstwertgefühl des Kindes Schaden nimmt.