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  • 01.08.2007 | Steuerrecht

    Veranlagungswahlrecht nach § 26 Abs. 2 EStG in der Insolvenz

    von RA Gudrun Möller, FA Familienrecht, Münster
    1. Das Wahlrecht der Ehegatten für eine Getrennt- oder Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer wird in der Insolvenz eines Ehegatten durch den Insolvenzverwalter und im vereinfachten Insolvenzverfahren durch den Treuhänder ausgeübt.  
    2. Haben Ehegatten eine von der gesetzlichen Regel abweichende interne Aufteilung ihrer Einkommensteuerschulden aus Zusammenveranlagung vereinbart, so sind Ausgleichsansprüche aus einer derartigen Vereinbarung nur Insolvenzforderungen. Insolvenzbeständig kann dagegen ein vorweggenommener Erlass des familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs bei Zusammenveranlagung sein, dessen Feststellung jedoch strengen Anforderungen unterliegt.  
    (BGH 24.5.07, IX ZR 8/06, n.v., Abruf-Nr. 072067)  

     

    Sachverhalt

    Im Januar 00 wurde über das Vermögen der Klägerin das Insolvenzverfahren eröffnet. Das Insolvenzgericht kündigte ihr später die Restschuldbefreiung an. Im Juli 03 wurde auch über das Vermögen ihres Ehemannes (Schuldner) das Insolvenzverfahren eröffnet und die Beklagte zur Treuhänderin bestellt. In der Einkommensteuererklärung für den Veranlagungszeitraum 2002 beantragten die Ehegatten die Zusammenveranlagung. Gemäß Steuerbescheid mussten sie 230,86 EUR nachzahlen. Dagegen legte die Beklagte Einspruch ein und beantragte getrennte Veranlagung. Aufgrund dieser musste die Klägerin 3.467,87 EUR nachzahlen, während zur Insolvenzmasse des Schuldners 1.056,48 EUR zu erstatten waren. Dagegen erhob die Klägerin Einspruch und stellte Antrag auf Aussetzung der Vollziehung, dem das Finanzamt nachkam. Die Klägerin war bereit, die Nachzahlung von 230,86 EUR zu erbringen, weigerte sich jedoch, den weiteren steuerlichen Nachteil der Insolvenzmasse von 1.056,48 EUR auszugleichen. Sie verlangt von der Beklagten, gegenüber dem Finanzamt der Zusammenveranlagung für das Jahr 02 zuzustimmen. Die Klage ist in allen Instanzen erfolglos.  

     

    Entscheidungsgründe

    Das Wahlrecht des § 26 Abs. 2 EStG ist kein höchstpersönliches Recht, sondern ein Verwaltungsrecht, das beim Tod eines Ehegatten auf dessen Erben übergeht (BFHE 77, 754; 81, 236, 239). Grund: Das Antragsrecht hat erhebliche vermögensrechtliche Auswirkungen für den Erben, der bei Zusammenveranlagung als Gesamtrechtsnachfolger für die Steuerschulden haftet, § 45 AO. Dies gilt auch bei Insolvenz eines Ehegatten. Der Einordnung des Veranlagungswahlrechts als höchstpersönliches Recht steht entgegen, dass es zwar an die bestehende Ehe anknüpft, sich aber nur vermögensrechtlich darauf auswirkt. Es ist nicht mit der Annahme und Ausschlagung einer Erbschaft oder eines Vermächtnisses vergleichbar. Letztere stehen nach § 83 Abs. 1 S. 1 InsO wegen ihrer höchstpersönlichen Natur ausschließlich dem Schuldner zu. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Grundsatz, dass es sich bei der Zusammenveranlagung um eine am Schutzgebot des Art. 6 Abs. 1 GG und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Ehepaare (Art. 3 Abs. 1 GG) orientierte sachgerechte Besteuerung handelt (BFH/NV 02, 1137; 05, 46 f.).  

     

    Der Insolvenzverwalter muss nach § 34 Abs. 1und 3 AO die steuerlichen Pflichten des Schuldners erfüllen, soweit seine Verwaltung reicht. Seine Verwaltungsbefugnis umfasst nach § 80 Abs. 1 InsO das zur Insolvenzmasse (§§ 35, 36 InsO) gehörende Vermögen. Die vom BFH angenommene Unübertragbarkeit des Wahlrechts (vgl. BFHE 191, 311, 317; BFH/NV 96, 453) steht der Ausübung durch den Insolvenzverwalter nicht entgegen (Frotscher, Besteuerung in der Insolvenz, 6. Aufl., S. 97 f. Fn. 46; a.A. Weiß, FR 92, 255, 261). Zwar gehören unpfändbare Gegenstände des Schuldnervermögens nicht zur Insolvenzmasse und fallen nicht unter die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters. Das Veranlagungswahlrecht selbst ist jedoch ein Verwaltungsrecht, das nur vermögensrechtlichen Bezug aufweist. Der Lohn- oder Einkommensteuererstattungsanspruch ist nach § 46 Abs. 1 AO pfändbar und gehört zur Insolvenzmasse seines Gläubigers. Das gilt auch, soweit der Erstattungsanspruch Veranlagungszeiträume vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens betrifft (BGH WM 06, 539, 540). Die Treuhänderin kann daher über den Erstattungsanspruch der Masse nach § 80 Abs. 1 InsO durch die von der Klägerin erstrebte Zustimmungserklärung wirksam verfügen.