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  • 01.07.2006 | Steuerrecht

    Aufteilung von Steuererstattungen und Steuerschulden zwischen Eheleuten

    von RA und Notar Jürgen Gemmer, FA Steuerrecht, Braunschweig

    Werden Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt, haften sie für die Steuerschulden dem Finanzamt gegenüber gesamtschuldnerisch (zu den Einzelheiten Kracht FK 06, 108). Der folgende Beitrag erläutert den sog. eheinternen Ausgleich, der vielfach zu Auseinandersetzungen führt. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass im Zeitpunkt der Trennung häufig die steuerliche Veranlagung aus dem Vorjahr noch nicht abgeschlossen ist oder für das Jahr der Trennung selbst noch die gemeinsame Veranlagung gewählt wird. Meist geht es darum, wem im Innenverhältnis eine von der Finanzbehörde gezahlte Steuererstattung zusteht oder wer von den Eheleuten die Steuernachforderungen des Finanzamts letztlich tragen muss.  

    Interner Ausgleich bei positiven Einkünften

    Da die Eheleute bei gemeinsamer Veranlagung gegenüber der Finanzbehörde Gesamtschuldner sind, richtet sich die interne Ausgleichspflicht wie bei anderen Schulden nach § 426 BGB. Haben die Eheleute eine entsprechende ausdrückliche Vereinbarung über die Ausgleichspflicht geschlossen, ist diese maßgebend. Im Regelfall wird es jedoch an einem vertraglichen Ausgleichsmaßstab fehlen, so dass wie folgt zu verfahren ist:  

     

    Aufteilung bei Doppelverdienerehe

    Haben beide Eheleute positive Einkünfte erzielt, ist eine fiktive getrennte Veranlagung durchzuführen, um die Steuerlast intern zu verteilen.  

     

    Beispiel: Doppelverdienerehe

    Eheleute F und M haben im Trennungsjahr noch die gemeinsame Veranlagung gewählt. Ihr zu versteuerndes Einkommen beträgt 60.000 EUR. Auf F entfallen 20.000 EUR; auf M 40.000 EUR. Bei getrennter Veranlagung entfällt auf F eine Einkommensteuer von 2.902 EUR; auf M 9.547 EUR. Bei Zusammenveranlagung entsteht nach dem Splittingtarif eine Einkommensteuer von insgesamt 11.918 EUR. Die interne Steuertragungspflicht der Eheleute wird daher wie folgt ermittelt:  

     

     

    11.918 EUR x 2.902 EUR  

     

    F =  

    ____________________  

    = 2.778,22 EUR  

     

    12.449 EUR*  

     

     

     

    11.918 EUR x 9.547 EUR  

     

    M =  

    ____________________  

    = 9.139,78 EUR  

     

    12.449 EUR*  

     

     

     

    *(12.449 EUR = 2.902 EUR + 9.547 EUR)  

     

    Unberücksichtigt geblieben ist, dass bei der Steuerfestsetzung der Steuerpflichtige i.d.R. Vorauszahlungen auf die künftige Steuerschuld geleistet hat. Diesem Umstand ist bei der Ausgleichspflicht Rechnung zu tragen.  

     

    Abwandlung

    M und F haben im Beispiel Vorauszahlungen von insgesamt 13.000 EUR geleistet. Hiervon entfallen auf F 3.000 EUR und auf M 10.000 EUR. Der Erstattungsbetrag von 1.082 EUR (13.000 EUR abzüglich 11.918 EUR) ist auf die Eheleute intern wie folgt zu verteilen – unabhängig von der Frage, wem das Finanzamt den Betrag überweist. M muss 9.139,78 EUR tragen, F 2.778 EUR (s.o.). Von dem Erstattungsbetrag erhalten somit  

    F = 3.000 EUR ./. 2.778,22 EUR = 221,78 EUR  

    M = 10.000 EUR ./. 9.139,78 EUR = 860,22 EUR.  

     

    Aufteilung bei Alleinverdienerehe

    Da nur ein Ehegatte im Veranlagungszeitraum positive Einkünfte hatte, kann der andere mangels Einkünften keinen Anteil an der Steuerersparnis bei Zusammenveranlagung oder bei einer Steuererstattung haben. Denn der die Einkünfte erzielende Ehegatte muss die Steuerlast allein tragen. Somit profitiert er allein von einer steuerlichen Entlastung im Rahmen der Zusammenveranlagung. Dieses Ergebnis ergibt sich folgerichtig aus dem Umstand, dass die Eheleute, die im Güterstand der Zugewinngemeinschaft oder der Gütertrennung leben, getrennte Vermögensmassen haben, sodass jeder Ehegatte die Steuern zu bezahlen hat, die auf seine Einkünfte entfallen (BGH FamRZ 02, 739). Ob im Fall der Gütergemeinschaft die Rechtslage anders zu beurteilen ist, soll hier wegen des in der Praxis selten vorkommenden Güterstands dahinstehen. Nach Sonnenschein soll im Grundsatz aber das Gleiche gelten (NJW 80, 257).  

     

    Ein Ehegatte hat positive, der andere negative Einkünfte

    Diese Fallkonstellation ist etwas schwieriger. Das Problem liegt darin, dass die negativen Einkünfte im Wege des Verlustausgleichs zu einer Verminderung des Gesamtbetrags der Einkünfte bei den zusammenveranlagten Ehegatten führen und sich die Steuerlast damit reduziert. Andererseits können nicht ausgeglichene Verluste im Wege des Verlustabzugs nach § 10d EStG das Einkommen des betreffenden Ehepartners in einem anderen Veranlagungszeitraum mindern. Die Einbringung der Verluste in die gemeinsame Veranlagung hat aber zur Folge, dass der „eingebrachte Betrag“ steuerrechtlich verbraucht ist. Der die Verluste in die gemeinsame Veranlagung einbringende Ehegatte erleidet also potenziell einen Nachteil, der sich erst zu einem späteren Zeitpunkt realisiert.  

     

    Besteht ein Nachteilsausgleichsanspruch?

    Zweifellos besteht ein solcher Anspruch, wenn der die Verluste erwirtschaftende Ehegatte im Zusammenhang mit der gemeinsamen Veranlagung eine Vereinbarung mit dem anderen Ehepartner getroffen hat, dass dieser ihm die durch die gemeinsame Veranlagung entstehenden Nachteile ersetzen muss. Von dem Abschluss einer solchen Vereinbarung kann dieser Ehegatte die Zustimmung zur Zusammenveranlagung abhängig machen.  

     

    Praxishinweis: Ehegatten mit negativen Einkünften ist zu empfehlen, stets die Zustimmung zur gemeinsamen Veranlagung von einer derartigen Zusage abhängig zu machen und in der Vereinbarung darauf hinzuwirken, dass auch das Ausmaß der Ausgleichspflicht ausdrücklich geregelt wird.  

     

    Besteht keine vertragliche Vereinbarung, ist umstritten, ob der die Verluste einbringende Ehepartner bei vorbehaltloser Zustimmung zur Zusammenveranlagung zu einem späteren Zeitpunkt einen Ausgleichsanspruch gegen den früheren Ehegatten hat (Liebelt, NJW 93, 1741 m.w.N.).  

     

    Es spricht vieles für die Annahme, dass allerdings ein Anspruch auf Ausgleich der Nachteile besteht, wenn keine vertragliche Vereinbarung getroffen worden ist. Der Ausgleichsanspruch, der zum Tragen kommt, sobald sich die Nachteile realisieren, orientiert sich an den steuerlichen Nachteilen des Ehegatten, der zuvor seine Verluste im Rahmen der Zusammenveranlagung eingebracht hat. Er soll jedoch begrenzt sein auf den Betrag der Steuerersparnis durch die Verlusteinbeziehung bei der gemeinsamen Veranlagung (Dostmann, FamRZ 91, 760).  

     

    Beispiel: Ein Ehegatte hat positive, der andere negative Einkünfte

    Eheleute F und M wählen im Trennungsjahr die Zusammenveranlagung. M hat positive Einkünfte, F hingegen negative Einkünfte. Die Einbeziehung der negativen Einkünfte ergibt bei Zusammenveranlagung eine Einkommensteuerschuld von 5.000 EUR. Hätte die F keine negativen Einkünfte gehabt, würde sich nach Splittingtabelle die Einkommensteuer auf 9.500 EUR belaufen. Folglich führt die Verlusteinbeziehung zur Verminderung der Steuerlast zu Gunsten des M um 4.500 EUR. An dieser verminderten Steuerlast hat die Ehefrau zunächst keine Teilhabe.  

     

    Im Jahr nach Scheidung erzielt F positive Einkünfte. Dies führt zu einer Steuerlast von 10.000 EUR. Wären die negativen Einkünfte der F aus dem Trennungsjahr nicht steuerlich verbraucht, würde ihre Steuerschuld lediglich 4.000 EUR betragen. Der Nachteil, den F erleidet, beträgt somit 6.000 EUR. Auf Grund einer ausdrücklichen Vereinbarung zwischen den Eheleuten im Jahre der Zusammenveranlagung über den Nachteilsausgleich und dessen Umfang hätte die F gegen M einen Ausgleichsanspruch von 6.000 EUR, obwohl M im Jahr der Zusammenveranlagung nur einen Steuervorteil von 4.500 EUR hatte. Ohne Vereinbarung soll dieser Ausgleichsanspruch begrenzt sein auf 4.500 EUR.  

     

    Ausgleichspflicht und Verlustrücktrag

    Nach § 10d EStG in der ab Veranlagungszeitraum 2004 geltenden Fassung sind negative Einkünfte, die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichen werden, zunächst vom Gesamtbetrag der Einkünfte des unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraums – unter Beachtung von Höchstbeträgen – abzuziehen (sog. Verlustrücktrag). Ein solcher Verlustrücktrag führt nachträglich zur Herabsetzung der Einkommensteuer des vorgegangenen Veranlagungszeitraums. Hierbei stellt sich die Frage, wem im Innenverhältnis die Steuerminderung zusteht, die sich für den vorangegangenen Veranlagungszeitraum, in dem die Ehegatten noch die Zusammenveranlagung durchgeführt haben, ergibt.  

     

    Es gilt der Grundsatz, dass die auf dem Verlustrücktrag beruhende Minderung der Steuerschuld allein dem Rücktragenden zugute kommt und zwar selbst, wenn in dem betreffenden Abzugsjahr nicht der Rücktragende, sondern nur der andere Ehegatte positive Einkünfte hatte (OLG Köln, FamRZ 95, 92; a.A. OLG Karlsruhe FamRZ 91, 191).  

     

    Praxishinweis: Noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, wie der interne Ausgleich erfolgen muss, wenn ein Ehegatte positive, der andere negative Einkünfte hat sowie wenn ein Verlustrücktrag erfolgt ist.  

    Streitigkeiten um die Mitwirkung bei der Zusammenveranlagung

    Häufig weigert sich ein Ehepartner nach der Trennung, seine Zustimmung zur gemeinsamen Veranlagung für das Trennungsjahr und für das vorherige Kalenderjahr, für das oft beim Scheitern der Ehe die steuerliche Veranlagung ebenfalls noch nicht durchgeführt worden ist, zu erteilen. Es entsteht Streit um die Frage, ob der Ehepartner zur Zustimmung verpflichtet ist und welche Rechtsfolgen es hat, wenn er sich weigert. Hier gilt Folgendes:  

     

    • Nach gefestigter Rechtsprechung des BGH sind Ehegatten verpflichtet, einer Zusammenveranlagung zuzustimmen, wenn sie zu einer geringeren Gesamtsteuerbelastung beider Eheleute führt und keinem der Ehepartner steuerliche Nachteile erwachsen (BGH FamRZ 02, 1024).

     

    Ist letzteres der Fall, muss sich der andere Ehegatte verpflichten, ihm die Nachteile in der Weise auszugleichen, dass er ihn im Innenverhältnis wirtschaftlich so stellt, wie er bei getrennter Veranlagung stehen würde. Ein Ehepartner kann daher nach h.M. vom anderen, sofern ihm steuerliche Nachteile drohen, die Zustimmung zur gemeinsamen Veranlagung nur Zug um Zug gegen Abgabe einer solchen Verpflichtungserklärung verlangen.

     

    • Verletzt ein Ehegatte seine Mitwirkungspflicht, kann dessen Zustimmung im Klagewege erzwungen werden. Die schuldhafte Verletzung der Zustimmungspflicht führt auch zu Schadenersatzansprüchen (BGH FamRZ 93, 1304). Beantragt also einer der Eheleute getrennte steuerliche Veranlagung, obwohl er verpflichtet wäre, der Zusammenveranlagung zuzustimmen, kann er dem anderen Ehegatten zum Ersatz des Schadens verpflichtet sein, der diesem durch die getrennte Veranlagung entsteht.

     

    Der Geschädigte ist nicht gehalten, zur Vermeidung des Schadens zunächst den anderen auf Zustimmung zu verklagen (OLG Hamm FamRZ 01, 98).

     

    Der Schaden entspricht dem Teilbetrag der steuerlichen Besserstellung bei gemeinsamer Veranlagung, der dem geschädigten Ehegatten im Innenverhältnis zu dem anderen zugestanden hätte.

     

    • Zuständig für Schadenersatzansprüche wegen Verletzung der Zustimmungspflicht und Klagen auf Zustimmung zur gemeinsamen Veranlagung sind die allgemeinen Zivilgerichte.

     

    Quelle: Ausgabe 07 / 2006 | Seite 123 | ID 87182