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  • Haftung
    Muss der Ehegatte für Schulden des anderen einstehen?
    von RA Ernst Sarres, FA Familienrecht, Duisburg
    Die mögliche Mithaftung für Schulden des anderen Ehepartners ist zunehmend Gegenstand familienrechtlicher Beratung. Vor der Ehe betrifft es die Beratung, durch Vertragsgestaltung die Schuldenhaftung für den anderen möglichst auszuschließen. Während der Ehe kann ein Ehegatte gemäß § 1357 BGB den anderen bei Geschäften zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie mitverpflichten. Bei Trennung und Scheidung befürchtet der "reiche" Partner, für neue Verbindlichkeiten des anderen einstehen zu müssen. Der folgende Beitrag behandelt einige Fälle zum Thema "Ehe und Schulden" und zeigt Lösungsansätze auf.
    Beispiel 1: Der verschuldete Unternehmer
    Der erheblich verschuldete Unternehmer U will F heiraten und keinen Ehevertrag schließen. Muss F für die Schulden des U haften?
    Lösung: Nein. F muss für die Schulden des U auch künftig nicht einstehen. Dies folgt aus §§ 1363, 1364 BGB. Denn das Vermögen der Eheleute wird nicht gemeinschaftliches Vermögen. Jeder Ehegatte verwaltet sein Vermögen selbstständig. Für Schulden vor oder während der Ehe haftet jeder Ehegatte allein mit seinem Vermögen (Palandt/Brudermüller, BGB, 63. Aufl., § 1363 Rn. 3).
    Beispiel 2: Die kauffreudige Hausfrau
    Die Eheleute M und F trennen sich. Die arbeitslose F kauft viel Mode beim Versandhaus V, ohne die Ware vollständig zu zahlen. M zahlt keinen Unterhalt. Der Schuldenberg aus Sammelbestellungen liegt schon bei ca. 8.000 EUR. V verlangt nunmehr auch Zahlungen von M. Zu Recht?
    Lösung: M muss nicht zahlen, da eine Mitverpflichtung gemäß § 1357 BGB ausscheidet. Denn diese Schlüsselgewalt gilt grundsätzlich nicht, wenn die Ehegatten endgültig getrennt leben, § 1357 Abs. 3 BGB. Dagegen bleibt sie bei einer vorübergehenden Trennung erhalten.
    Beispiel 3: Der Telefonanschluss für die Familie
    Eine Telefongesellschaft verlangt von den Eheleuten M und F als Gesamtschuldnern die Zahlung von Gebührenrechnungen in Höhe von 9.000 EUR für einen Zeitraum von rund drei Monaten, obwohl nur F allein den Vertrag abgeschlossen hat. Kann M die Zahlungen verweigern?
    Lösung: Nein. Das LG Stuttgart hat entschieden, dass beide Eheleute verpflichtet werden, weil ein Telefonversorgungsvertrag ein Geschäft zur Deckung des angemessenen Lebensbedarfs einer Familie und keinen Luxus darstellt (FamRZ 01, 1610). Nach § 1357 BGB kommt es nicht darauf an, ob der kontrahierende Ehegatte im eigenen Namen oder als Vertreter auftritt (vgl. zu dem Problem auch Soyka, FK 04, 113).
    Beispiel 4: Das "Oder-Konto" und die Selbstbedienung
    Die Ehegatten F und M führen ein "Oder-Konto" (Guthaben: 4.000 EUR) bei der Bank B. Kurz vor der Trennung hebt F 3.000 EUR ab. M verlangt von F 1.000 EUR zurück. Zu Recht?
    Lösung: Das Innenverhältnis der Eheleute richtet sich nach § 430 BGB. Danach hat jeder Ehegatte grundsätzlich Anspruch auf den hälftigen Betrag des Bankguthabens. F hatte daher nur Anspruch auf 2.000 EUR und hat 1.000 EUR zuviel abgehoben. Daher kann M die 1.000 EUR zurückfordern (dazu OLG Düsseldorf FamRZ 99, 1504).
    Beispiel 5: Kreditvertrag für Pkw
    M und F unterzeichneten als "Kreditnehmer" einen Kreditvertrag für einen Pkw, obwohl F arbeitslos war und nur 500 EUR erhielt. M verdiente 1.500 EUR. Die Kreditraten wurden vom Konto der F abgebucht. Nach der Trennung hat M den Pkw in Alleinbesitz genommen. F stellt die Ratenzahlungen ein. Die Bank kündigt den Vertrag fristlos und nimmt F in Anspruch. Zu Recht?
    Lösung: Ja. Maßgebend ist nach Ansicht des BGH die gewollte Rechtsfolge der Parteien bei Vertragsschluss. Der Wortlaut "Kreditnehmer" spricht dafür, dass F eine Mitdarlehensnehmerin ist. Auch handelte es sich um ein Familienauto. Das Geld wurde vom Konto der F abgebucht. Eine nur Mithaftende leistet dagegen grundsätzlich erst nach Eintritt des Sicherungsfalls. Der BGH hat die Sittenwidrigkeit des Darlehensvertrags (§ 138 Abs. 1 BGB) verneint, da eine krasse finanzielle Überforderung nur vorliegt, wenn die pfändbaren Einkommen aller Mitdarlehensnehmer nicht reichen, die laufenden Kreditzinsen zu zahlen (BGH Verkehrsrecht aktuell 04, 128).
    Beispiel 6: Gemeinsame Schulden und Unterhalt
    F und M haben ein Haus finanziert. Die monatliche Rate betrug  300 EUR. Nach der Trennung verlangt F von M Unterhalt. Bei dessen Berechnung zieht M von seinem Nettoeinkommen berufsbedingte Aufwendungen und die Rate von 300 EUR ab. M zahlt den sich ergebenden 3/7 Unterhalt über 20 Monate. Später verlangt er von F den hälftigen Betrag der gezahlten Raten zurück (20 Monate x  300 EUR : 2 = 3.000 EUR). Eine besondere Vereinbarung über die Verteilung der Kreditschulden im Innenverhältnis besteht nicht. Kann M von F Zahlung verlangen?
    Lösung: Die mögliche Anspruchsgrundlage des § 426 Abs. 2 S. 1 BGB greift für M nicht ein, auch wenn er die Raten gezahlt hat und ein Regress gegen F im Innenverhältnis möglich erscheint. Denn bei der Unterhaltsberechnung sind die von M gezahlten Raten berücksichtigt worden. Hierdurch wurde der Unterhaltsbetrag für F reduziert. In dieser Regelung sieht die Rechtsprechung eine "anderweitige Bestimmung" gemäß § 426 BGB. Demnach entfällt eine Ausgleichszahlungspflicht durch F (LG Oldenburg FamRZ 03, 1191; OLG Celle FamRZ 01, 1071).
    Beispiel 7: Einzelkonto mit Kontovollmacht
    M hat ein Konto und erteilt F Kontovollmacht dafür. Beide zusammen überziehen das Konto um 2.000 EUR, um den gemeinsamen Lebensbedarf zu decken. Kann M von F nach der Trennung 1.000 EUR fordern?
    Lösung: Nein. M kann keinen Ausgleich fordern. M als Kontoinhaber hat der F Kontovollmacht erteilt, damit diese Geld für Einkäufe etc. abholen kann. Die Kontoüberziehung diente diesem Zweck (zur Teilhabe eines Ehegatten an Sparguthaben des anderen: BGH FamRZ 02, 1696).
    Quelle: Familienrecht kompakt - Ausgabe 09/2004, Seite 154
    Quelle: Ausgabe 09 / 2004 | Seite 154 | ID 102962