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  • 28.09.2009 | Ehegattenunterhalt

    Keine Erwerbsobliegenheit
    wegen überobligatorischer Belastung

    von VRiOLG Dr. Jürgen Soyka, Düsseldorf

    1. Im Rahmen der Billigkeitsentscheidung über eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts aus kindbezogenen Gründen ist zunächst der individuelle Umstand zu prüfen, ob und in welchem Umfang die notwendige Betreuung der Kinder auf andere Weise gesichert ist oder in kindgerechten Betreuungseinrichtungen gesichert werden könnte. Ein Altersphasenmodell, das bei der Frage der Verlängerung des Betreuungsunterhalts aus kindbezogenen Gründen allein auf das Alter des Kindes abstellt, wird diesen Anforderungen nicht gerecht.  
    2. Soweit die Betreuung des Kindes auf andere Weise sichergestellt oder in einer kindgerechten Einrichtung möglich ist, kann einer Erwerbsobliegenheit des betreuenden Ehegatten auch entgegenstehen, dass der ihm daneben verbleibende Anteil an der Betreuung und der Erziehung der Kinder zu einer überobligationsmäßigen Belastung führen kann.  
    3. Eine Befristung des Betreuungsunterhalts nach § 1578b BGB kommt grundsätzlich nicht in Betracht, es sei denn, dass trotz des abgesenkten Unterhaltsbedarfs die notwendige Erziehung und Betreuung gemeinsamer Kinder sichergestellt ist.  
    (BGH 6.5.09, XII ZR 114/08, FamRZ 09, 1124, Abruf-Nr. 091901)

     

    Sachverhalt

    Die Parteien streiten um nachehelichen Unterhalt. Sie hatten im Juli 1989 die Ehe geschlossen, aus der zwei in den Jahren 1994 und 1996 geborene Kinder hervorgegangen sind. Nach der Trennung im Januar 2003 wurde die Ehe im Juni 2004 rechtskräftig geschieden. Die gemeinsamen Kinder leben seit der Trennung bei der Klägerin. Der ältere Sohn leidet am
    Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom (ADS). Die Klägerin ist Krankengymnastin und übte den Beruf bis zur Geburt des älteren Kindes in Vollzeit aus. Nach der Geburt der Kinder nahm sie ihren Beruf zunächst stundenweise wieder auf. Seit 1998 geht sie freiberuflich einer Teilzeittätigkeit in einer Gemeinschaftspraxis nach. Ihre wöchentliche Arbeitszeit betrug im Jahre 2005 15 bis 18 Stunden und beläuft sich seit Januar 2007 auf 25 bis 30 Stunden. Der Beklagte ist als Verwaltungsleiter vollschichtig erwerbstätig. AG und OLG haben den Beklagten zu nachehelichem Unterhalt ohne Unterhaltsbegrenzung verurteilt. Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.  

     

    Entscheidungsgründe

    Nach Ablauf des Basisunterhalts von drei Jahren kommt eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts aus kind- oder elternbezogenen Gründen in Betracht. Diese sind im Rahmen einer Billigkeitsentscheidung zu bewerten. Grundsätzlich besteht die Obliegenheit zur Inanspruchnahme von kindgerechten Betreuungsmöglichkeiten. Daran orientiert sich auch die Erwerbsobliegenheit. Eine ADS-Erkrankung ist kein Grund, von einer Ganztagsbetreuung abzusehen. Elternbezogene Gründe ergeben sich aus der Gestaltung von Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit während der Ehe. Im Übrigen ist zu prüfen, ob die vollschichtige Erwerbstätigkeit neben dem verbleibenden Betreuungsaufwand unzumutbar ist. Dazu sind die Umstände im Einzelfall festzustellen. Unberechtigte Vorwürfe gegen den anderen Ehegatten gegenüber Dritten können zur Unterhaltsbegrenzung führen. Sind die Vorwürfe jedoch nicht aus der Luft gegriffen, ist dies in einem milderen Licht zu sehen.  

     

    Eine Begrenzung des Betreuungsunterhalts hinsichtlich des Aufstockungsanteils kann in Betracht kommen, wenn die Erziehung und Betreuung des gemeinsamen Kindes durch den gesenkten Unterhaltsbedarf sichergestellt ist und das Kindeswohl sonst nicht beeinträchtigt ist.