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  • 27.10.2008 | Ehegattenunterhalt

    BGH setzt neue Maßstäbe

    von VRiOLG Dr. Jürgen Soyka, Düsseldorf

    1. Schuldet der Unterhaltspflichtige sowohl einem geschiedenen als auch einem neuen Ehegatten Unterhalt, so ist der nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 Abs. 1 BGB) zu bemessende Unterhaltsbedarf jedes Berechtigten im Wege der Dreiteilung des Gesamteinkommens des Unterhaltspflichtigen und beider Unterhaltsberechtigter zu ermitteln.  
    2. Ausnahmen von dieser Dreiteilung ergeben sich bei unterschiedlicher Rangfolge der Ansprüche (§ 1609 Nr. 2, 3 BGB) nur im Rahmen der Leistungsfähigkeit, wenn ein Mangelfall vorliegt (§ 1581 BGB).  
    3. Ist der Unterhaltsbedarf eines geschiedenen Ehegatten durch den hinzukommenden Unterhaltsbedarf eines neuen Ehegatten herabgesetzt, ist im Rahmen der dann gebotenen Dreiteilung das Gesamteinkommen einschließlich des Splittingvorteils aus der neuen Ehe zugrunde zu legen.  
    4. Dies gilt ebenso für einen Familienzuschlag der Stufe 1 nach § 40 Abs. 1 BBesG.  
    5. Der Anspruch auf Aufstockungsunterhalt nach geschiedener Ehe ist nur dann mit dem Anspruch eines neuen Ehegatten auf Betreuungsunterhalt gleichrangig, wenn nach langer Ehedauer auch ehebedingte Nachteile im Sinne des § 1578b Abs. 1 S. 2 und 3 BGB vorliegen. Auch insoweit ist darauf abzustellen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen.  
    (BGH 30.7.08, XII ZR 177/06, FamRZ 08, 1911, Abruf-Nr. 082891)

     

    Sachverhalt

    Der Parteien schlossen im Jahre 1978 die Ehe, aus der keine Kinder hervorgegangen sind. Sie trennten sich im Mai 02. Die Ehe wurde im April 05 rechtskräftig geschieden. Im Verbundverfahren schlossen die Parteien einen Vergleich, in dem der Kläger sich verpflichtete, an die Beklagte nachehelichen Unterhalt zu zahlen. Grundlage dafür war das Einkommen des Klägers als Lehrer und Einkünfte der Beklagten. Der Kläger ist nach wie vor berufstätig. Er ist seit Oktober 05 erneut verheiratet. Er hat mit seiner neuen Ehefrau ein bereits im Jahr 2003 geborenes Kind, das durch die Eheschließung legitimiert wurde. Die Beklagte ist weiterhin vollschichtig als Verkäuferin tätig und erzielt das im Vergleich zum nachehelichen Unterhalt zugrunde gelegte Einkommen weiter. Das AG hat die Klage abgewiesen. Das OLG hat der Klage teilweise stattgegeben und den Unterhalt herabgesetzt. Die dagegen gerichtete Revision der Beklagten führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.  

     

    Entscheidungsgründe

    Die Unterhaltspflicht gegenüber der neuen Ehefrau und dem weiteren ehelichen Kind ist ein Abänderungsgrund, obwohl das Kind bereits beim Vergleichsabschluss geboren war, weil es damals noch keine Unterhaltsansprüche geltend gemacht hat.  

     

    Der Prozessvergleich ist rückwirkend abänderbar, weil der Titelgläubiger ein schutzwürdiges Vertrauen durch § 818 Abs. 3 BGB hinreichend geltend machen kann. Danach kann der Unterhaltsberechtigte im Regelfall bis zur Rechtshängigkeit der Rückforderungsklage sich im Hinblick auf den überzahlten Unterhalt auf den Wegfall der Bereicherung berufen.