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  • 26.11.2008 | Ehegattenunterhalt

    Auf einen Blick: Aktuelle Entscheidungen
    zur Unterhaltsbegrenzung und -befristung

    von VRiOLG Dr. Jürgen Soyka, Düsseldorf

    Beim Ehegattenunterhalt geht es seit Inkrafttreten der Unterhaltsrechtsreform im Wesentlichen um die Begrenzung und Befristung des Unterhaltsanspruchs. Die folgende Gegenüberstellung gibt Ihnen einen Überblick über wichtige aktuelle Entscheidungen dazu.  

     

    Übersicht: Begrenzung und Befristung des Ehegattenunterhalts

    Gericht  

    Leitsatz  

    Sachverhalt/
    Entscheidungsgründe
     

    Praxishinweis  

    OLG Brandenburg 8.1.08, 9 UF 207/07, n.v., Abruf-Nr. 083455  

     

    Auch nach einer 20-jährigen Ehe kann der Unterhalt begrenzt werden, wenn keine ehebedingten Nachteile gegeben sind.  

     

    Die Klägerin stand ab September 04 dem Arbeitsmarkt durchgängig zur Verfügung. Sie war langjährig als stellvertretende Abteilungsleiterin bzw. Abteilungsleiterin tätig. Ihr PKH-Antrag blieb erfolglos. Ihr ist ein fiktives Einkommen in einer Höhe zuzurechnen, bei dem ehebedingte Nachteile keine Rolle spielen.  

    Bei der Unterhaltsbegrenzung deuten zwar lange Ehedauer und das fortgeschrittene Alter des Unterhaltsberechtigten indiziell darauf hin, dass ehebedingte Nachteile fortdauern. Insoweit besteht aber auch bei längerer Ehezeit keine feste zeitliche Grenze: So kann auch bei einer länger als 20 Jahre andauernden Ehe der Anspruch gekürzt oder befristet werden.  

    Saarländisches OLG 9.4.08, 9 UF 4/06, n.v., Abruf-Nr. 083456  

     

    Folgt der zum Aufstockungsunterhalt dem Grunde nach führende Einkommensunterschied nicht aus ehebedingten Nachteilen, ist eine Befristung auch bei langer Ehedauer nicht von vornherein ausgeschlossen.  

    Für die unterhaltsberechtigte Drogistin, die sich während der Ehe (25 Jahre) der Haushaltsführung und Kindererziehung gewidmet hat und nach der Scheidung vollschichtig im Drogeriemarkt arbeitet, beruht die nacheheliche Einkommensdifferenz nicht auf ehebedingten Nachteilen. Ohne die ehebedingte Aufgabe der Erwerbstätigkeit hätte sie jetzt keine besser bezahlte Stellung. Eine Übergangszeit von rund 10 Jahren ab Rechtskraft der Scheidung ist angemessen.  

    Die Entscheidung bewegt sich auf der Linie des BGH. Fraglich ist allerdings, ob ein Unterhaltsberechtigter rund 10 Jahre benötigt, um sich auf den geringeren Unterhalt einzustellen. Allerdings wurde die Unterhaltsbegrenzung erstmals 7 Jahre nach der Scheidung vorgenommen, sodass die Übergangszeit eigentlich nur 2 Jahre beträgt.  

    OLG Düsseldorf 2.9.08, II-3 UF 63/08, n.v., Abruf-Nr. 083457  

     

    Bei fast 17-jähriger kinderloser Ehe und beiderseitiger Vollzeittätigkeit während der Ehe kommt eine zeitliche Begrenzung des Nachscheidungsunterhalts auf vier Jahre in Betracht.  

    Es liegen keine ehebedingten Nachteile i.S. des § 1578b Abs. 2 BGB vor, auch wenn die Klägerin in den ersten fünf Jahren in ihrer Ehe Schulden des Beklagten mitgetilgt hat. Unterhalt ist dennoch nicht sofort zu versagen. Im Wege der Billigkeit ist zu berücksichtigen, dass die Ehedauer fast 17 Jahre betrug, die Klägerin 56 Jahre alt ist und die Schulden des Beklagten abgebaut hat.  

    Die Entscheidung des OLG ist zu begrüßen, weil diese nicht nach dem Grundsatz alles oder nichts getroffen wurde, sondern individuelle Umstände berücksichtigt hat. Die Frist hat nichts mit der Übergangsfrist zu tun, wenn der Unterhalt völlig versagt wird. Hier beruht der Fortbestand des Unterhalts auf Billigkeitserwägungen, die sich aus der Ehe ergaben.  

    OLG Bremen
    FamRZ 08, 1957  

    Der Unterhaltsanspruch kann auch bei einer Ehedauer von 27 Jahren gemäß § 1578b Abs. 1 BGB auf den angemessenen Bedarf zu begrenzen sein, wenn dem Unterhalt begehrenden Ehegatten ehebedingte Nachteile nicht entstanden sind. Der angemessene Bedarf orientiert sich grundsätzlich an dem Einkommen des Unterhaltsbegehrenden vor der Ehe oder dem Einkommen, das er ohne die Ehe hätte. Eine Absenkung des Unterhalts unter den gegenüber Ehegatten geltenden Selbstbehalt kommt i.d.R. aber nicht in Betracht.  

    Die Antragsgegnerin hat keinen Beruf erlernt. Vor Eingehung der Ehe hat sie als ungelernte Kraft gearbeitet. Nachdem die Kinder der Parteien herangewachsen waren, hat sie auf nicht sozialversicherungspflichtiger Basis als Putzfrau gearbeitet. Sie kann nach wie vor Arbeiten als ungelernte Kraft ausüben. Sie verlangt nachehelichen Unterhalt als Elementar- und Altersvorsorgeunterhalt. Es sind keine ehebedingten Nachteile entstanden. Die Antragsgegnerin wird auch jetzt mit einem fiktiven Einkommen eingeschätzt, das sie als ungelernte Kraft verdienen kann.  

    Da Altersvorsorgeunterhalt subsidiär ist, ist stets zu prüfen, ob dem Berechtigten für den laufenden Lebensbedarf ausreichende Mittel zur Verfügung stehen, die durch den an sich nachrangigen Altersvorsorgeunterhalt verkürzt werden (BGH FamRZ 99, 367). Bei der Unterhaltsbegrenzung hat sich das OLG nur auf eine zeitliche Herabsetzung auf den angemessenen Lebensbedarf eingelassen. Dies ist eine Wertungsfrage, die an sich nicht zu beanstanden ist.  

    OLG Dresden  

    NJW 08, 3073  

    Ein unterhaltsrechtliches Abänderungsbegehren, mit dem eine Befristung von zunächst unbefristet tituliertem nachehelichen Ehegattenunterhalt verlangt wird, ist trotz § 36 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EGZPO grundsätzlich unzulässig, wenn der ursprüngliche Titel nach der maßgeblichen Änderung der Rechtsprechung des BGH (12.4.06, XII ZR 240/03, Abruf-Nr. 061797) errichtet worden ist, sodass die seither ersichtlichen erweiterten Möglichkeiten einer Unterhaltsbefristung bereits hätten berücksichtigt werden können.  

    Es ist unangemessen, die Präklusion der Unterhaltsbegrenzung, für die es obergerichtliche Rechtsprechung derzeit noch nicht gibt, auf der Ebene des PKH-Rechts abschließend zu beurteilen. Deswegen ist dem Kläger Zugang zum Hauptsacheverfahren zu eröffnen.  

    Die Entscheidung ist zutreffend. Zwar hat der BGH mit der Entscheidung vom 12.4.06 seine höchstrichterliche Rechtsprechung zur Unterhaltsbegrenzung geändert (30.7.08 – XII ZR 177/06). Folge: Es ist ein Abänderungsgrund gegeben. Hier wurde der Titel aber erst errichtet, als die Rechtsprechung schon geändert war. Das neue Recht dürfte keinen Abänderungsgrund bieten, da die Unterhaltsbegrenzung keine Alttatsache darstellt, die erstmals durch das neue Recht erheblich geworden ist. Letztlich wird aber alles davon abhängen, ob aufseiten der Beklagten ehebedingte Nachteile gegeben sind.  

    OLG Bremen  

    NJW 08, 3074  

    Eine Unterhaltsregelung kann an das neue Unterhaltsrecht im Wege der Abänderungsklage nicht angepasst werden, wenn die Regelung zeitlich nach der Entscheidung des BGH vom 12.4.06 getroffen worden ist, nach der bei der Frage der Befristung des Unterhalts nicht mehr der Aspekt der Ehedauer im Vordergrund stehen soll, und das Abänderungsbegehren auf mangelnde ehebedingte Nachteile des Unterhaltsberechtigten im Hinblick auf seine Berufsausübung gestützt wird.  

    Die unterhaltsrechtlichen Ansprüche der Beklagten dem Kläger gegenüber sind mehrfach durch Vergleich, zuletzt am 21.9.06, geregelt worden. Den laufenden Unterhalt haben die Parteien bis zum 31.12.11 befristet. Der Kläger verlangt erfolglos Wegfall des Unterhalts ab 1.11.06.  

    Der BGH hat seine Rechtsprechung zur Unterhaltsbegrenzung mit der Entscheidung vom 12.4.06 geändert. Diese Änderung war zum Zeitpunkt des letzten Vergleichsabschlusses bereits bekannt.  

    Die Entscheidung des OLG Bremen liegt auf der gleichen Linie wie die Entscheidung des OLG Dresden.  

    OLG Celle 12.8.08, 10 UF 77/08, n.v., Abruf-Nr. 083458  

     

    Findet zwischen dem unterhaltspflichtigen geschiedenen Ehemann und den von der Unterhaltsberechtigten betreuten gemeinsamen Kindern im grundschulpflichtigen Alter seit geraumer Zeit nicht einmal ein unbegleiteter Umgang statt, vermag ein Verbalangebot des Ehemannes auf nunmehrige Kinderbetreuung während der werktäglichen Nachmittage zur Ermöglichung einer Ausweitung der – bereits gut halbschichtig ausgeübten – Erwerbstätigkeit der Ehefrau nicht einmal eine beachtliche alternative Betreuungsmöglichkeit aufzuzeigen.  

    Der Ehemann begehrt erfolglos die Unterhaltsbegrenzung. Das Angebot des Ehemannes bezüglich der Betreuungsmöglichkeit ist unzumutbar. Der Ehefrau ist kein weiteres fiktives Einkommen zuzurechnen. Eine Unterhaltsbegrenzung kommt nicht in Betracht, da die ehebedingten Nachteile der Ehefrau noch nicht abschließend zu beurteilen sind, solange der Betreuungsunterhaltsanspruch besteht.  

     

     

    Eine Fremdbetreuung muss mit den Kindesbelangen vereinbar sein. Der Begriff stammt aus dem Sorge- und Umgangsrecht.  

     

    Folge: Die Kapazitäten, die für eine Fremdbetreuung zur Verfügung stehen, können nur das Ergebnis der sorge- und umgangsrechtlichen Regelungen sein, die sich am Kindeswohl orientieren.  

     

    Anwälte sollten die Unterhaltsbegrenzung auch geltend machen, wenn Betreuungsunterhalt in Frage steht. Wird diese mit der Begründung abgelehnt, dass sich die ehebedingten Nachteile noch nicht abschließend beurteilen lassen, steht auf jeden Fall der Weg für eine Abänderungsklage offen.  

    OLG Köln 10.6.08, 4 UF 252/07, n.v., Abruf-Nr. 083495  

     

    Bei einer Ehedauer von über 25 Jahren kommt eine Befristung bzw. Beschränkung des Unterhaltsanspruchs nicht in Betracht, wenn ehebedingte Nachteile gegeben sind.  

    Die Ehefrau war während der Ehe hin und wieder sporadisch geringfügig erwerbstätig. Sie hat den Beruf der Rechtsanwaltsgehilfin gelernt und später als Justizangestellte bis zur Eheschließung gearbeitet. Aus der Ehe sind zwei Kinder hervorgegangen. Während der Ehe hat sie im Wesentlichen die Kindererziehung übernommen und den Haushalt geführt. Der Ehemann wendet sich erfolglos gegen seine Verurteilung zur Unterhaltszahlung. Eine Unterhaltsbegrenzung scheidet aus, da die Ehe 25 Jahre dauerte und ehebedingte Nachteile gegeben sind.  

    Maßgeblich ist, ob ehebedingte Nachteile vorliegen. Soweit diese durch den Unterhalt ausgeglichen werden können, darüber hinaus aber weitergehender Unterhalt verlangt wird, kommt es auf Alter und Ehedauer an. Alter und Ehedauer stehen aber nur noch in Ausnahmefällen einer Unterhaltsbegrenzung entgegen, wenn keine ehebedingten Nachteile gegeben sind oder diese durch den Unterhalt ausgeglichen sind (BGH ab 12.4.06). Da der Unterhalt hier nur 203 EUR beträgt, dürfte er nicht ausreichen, die ehebedingten Nachteile auszugleichen. Für eine weitergehende Begrenzung besteht daher kein Raum.  

     

     

     

    Quelle: Ausgabe 12 / 2008 | Seite 199 | ID 122982