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  • · Fachbeitrag · Einkommensteuer

    Vorbehaltsnießbraucher als wirtschaftlicher Eigentümer

    von WP StB Dipl.-Kfm. Gerrit Grewe, Berlin

    Wem Gesellschaftsanteile im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge unter dem Vorbehalt des Nießbrauchs übertragen werden, erwirbt sie nicht i.S. von § 17 Abs. 2 S. 5 EStG, wenn sie weiterhin dem Nießbraucher nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO zuzurechnen sind, weil dieser nach dem Inhalt der getroffenen Abrede alle mit der Beteiligung verbundenen wesentlichen Vermögens- und Verwaltungsrechte ausüben und im Konfliktfall effektiv durchsetzen kann (BFH 24.1.12, IX R 51/10, Abruf-Nr. 120919).

     

    Sachverhalt

    Der Vater V des Klägers K schenkte diesem in den Jahren 2001 und 2004 GmbH-Anteile (95,83 %) gegen Nießbrauchsvorbehalt. Zugleich bevollmächtigte K den V unwiderruflich zur Ausübung des Stimmrechts in sämtlichen Gesellschaftsangelegenheiten und verpflichtete sich, von seinem eigenen Stimmrecht keinen Gebrauch zu machen. Im Jahr 2007 verkaufte K die GmbH-Anteile, nachdem V auf sein Nießbrauchsrecht gegen Zahlung eines Ablösebetrags verzichtet hatte. Den Gewinn aus dem Anteilsverkauf ermittelte K, indem er vom Veräußerungserlös die Anschaffungskosten (AK) des Vaters nach § 17 Abs. 2 S. 5 EStG sowie die Ablösezahlung abzog. Das FA erkannte den Ablösebetrag nicht als nachträgliche AK an. Das FG Düsseldorf (6.8.10, 1 K 2690/09 E, EFG 11, 131) folgte dem Kläger. Er habe für die unentgeltlich erworbenen Anteile die Ablösezahlung aufwenden müssen, um die vollständige rechtliche und wirtschaftliche Verfügungsmacht an den Anteilen zu erlangen.

     

    Entscheidungsgründe

    Das FG muss im zweiten Rechtsgang prüfen, ob K die GmbH-Anteile tatsächlich bereits in den Jahren 2001 und 2004 unentgeltlich erworben hat oder ob er das Eigentum (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO) an den Anteilen erst mit dem Verzicht des V auf das Nießbrauchsrecht und damit entgeltlich gegen Zahlung des Ablösebetrags erlangt hat. Von dieser Beurteilung hängt es ab, welche AK bei der Gewinnermittlung nach § 17 EStG zu erfassen sind.

     

    Das wirtschaftliche Eigentum an einem Kapitalgesellschaftsanteil geht nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO auf einen Erwerber über, wenn er aufgrund eines zivilrechtlichen Rechtsgeschäfts bereits eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechts gerichtete Position erworben hat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann und die mit dem Anteil verbundenen wesentlichen Rechte (insbesondere Gewinnbezugs- und Stimmrecht) sowie das Risiko einer Wertminderung und die Chance einer Wertsteigerung auf ihn übergegangen sind (BFH 26.1.11, IX R 7/09, BStBl II 11, 540; BFH 20.7.10, IX R 38/09, BFH/NV 11, 41). Zivilrechtlich ist der Nießbraucher einem Gesellschafter gleichzustellen, wenn der Nießbrauch die gesamte Beteiligung umfasst und ihm eine Position vermittelt, die ihm z.B. durch Stimmrechtsvollmachten entscheidenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft verschafft (BGH 5.4.11, II ZR 173/10, DStR 11, 1475). Erst recht ist dem Nießbraucher unter diesen Voraussetzungen der Gesellschaftsanteil steuerrechtlich nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO zuzurechnen. Er ist wirtschaftlicher Eigentümer, wenn er alle mit der Beteiligung verbundenen wesentlichen Rechte (Vermögens- und Verwaltungsrechte) ausüben und im Konfliktfall effektiv durchsetzen kann (BFH 6.10.09, IX R 14/08, BStBl II 10, 460). Sollte der V erst mit dem Nießbrauchsverzicht gegen den Ablösebetrag sein wirtschaftliches Eigentum an den Anteilen entgeltlich übertragen haben, realisiert er einen Veräußerungserlös (§ 17 EStG). Macht K wiederum diesen Ablösebetrag als AK seiner veräußerten Gesellschaftsanteile gewinnmindernd geltend, kann das FA wegen § 174 Abs. 4 AO dem V gegenüber nachträglich die richtigen steuerlichen Folgerungen ziehen (§ 174 Abs. 5 AO). Jedoch könnte K seinen Gewinn nicht nach § 17 Abs. 2 S. 5 EStG um die AK des V mindern, denn die Vorschrift ist bei einem entgeltlichen Erwerb nicht anwendbar.

     

    Praxishinweis

    Das Urteil erscheint nicht konsistent zu folgender BFH-Entscheidung (14.6.05, VIII R 14/04, ErbBstg 06, 5): Hier entschied der BFH, dass die Übertragung einer GmbH-Beteiligung (30 %) unter Nießbrauchsvorbehalt im Wege der vorweggenommenen Erbfolge als unentgeltliche Vermögensübertragung keine Veräußerung i.S. von § 17 Abs. 1 EStG ist. Der BFH sieht eine Anteilsveräußerung aber auch dann nicht, wenn das Nießbrauchsrecht später gegen Zahlung abgelöst wird, sofern der Verzicht auf einer neuen Entwicklung der Verhältnisse beruht. In jenem Streitfall übertrug der Kläger seine GmbH-Anteile (30 %) gegen Nießbrauchsvorbehalt auf seine Kinder und verzichtete bereits 2 Jahre später auf den Nießbrauch gegen Leistung einer Zahlung. Nach Ansicht des BFH konnte das FA die Ablösezahlung nicht nachträglich als Veräußerungserlös i.S. von § 17 EStG beim Nießbraucher umdeuten. Lediglich wenn von Beginn an ein (teil-)entgeltliches Geschäft gewollt war, kann die Ablösezahlung als Veräußerungserlös i.S. von § 17 EStG über § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO umgedeutet werden.

     

    Quelle: Ausgabe 05-06 / 2012 | Seite 124 | ID 32913810

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