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  • · Fachbeitrag · Testament

    Konkludente Erbeinsetzung durch Pflichtteilsstrafklausel möglich

    von RA Dr. Gudrun Möller, FA Familienrecht, Münster

    | Haben sich Ehegatten im gemeinschaftlichen Testament gegenseitig als Erben eingesetzt, müssen sie nach Ansicht des KG die Schlusserbenbestimmung ihrer Abkömmlinge nicht ausdrücklich treffen. Die Anordnung der Enterbung für den Fall, dass der Pflichtteil geltend gemacht wird, kann eine konkludente Erbeinsetzung sein. |

    Sachverhalt

    Die Erblasserin (E) errichtete ein handschriftliches Testament, das von ihr und ihrem Ehemann (M) unterzeichnet ist. Dieses lautet u. a. wie folgt:

     

    • Testament

    Im Fall des Ablebens eines Ehepartners geht unser gesamtes Eigentum, inklusive Erbbauheimstätte … in den Besitz des überlebenden Ehepartners über. (...) Die endgültige Verfügung über die o. g. Erbbauheimstätte soll vorrangig die Tochter erhalten, welche eigene Kinder hat und dort ihren festen Dauerwohnsitz nimmt. Sollten eine oder beide Töchter nach dem Ableben eines Ehepartners auf Erhalt ihres Erbanteils bestehen, erhalten diese nur den gesetzlichen Pflichtanteil. Wenn beide Töchter kinderlos bleiben, geht die Erbbauheimstätte an die älteste Tochter (G) über.

     

    Nach dem Tod des M errichtete die E ein notarielles Testament, in dem sie die G zur Erbin einsetzte. Die andere Tochter (T) beantragte erfolglos einen Teilerbschein, der sie als Erbin zur Hälfte des Nachlasses ihrer Mutter ausweist. Ihre dagegen gerichtete Beschwerde ist erfolgreich (KG 6.4.18, 6 W 13/18, Abruf-Nr. 202011).

    Entscheidungsgründe

    Die T ist nach ihrer Mutter Miterbin zur Hälfte geworden. Die Eheleute sind wie selbstverständlich davon ausgegangen, dass ihre Töchter ihre Schlusserbinnen zu gleichen Teilen nach dem zuletzt versterbenden Ehegatten sein sollten. Dieser Wille hat in den Sonderregelungen über die Erbbauheimstätte und die Pflichtteilsstrafklausel Anklang gefunden.

     

    Gemeinschaftliches Testament ist auslegungsbedürftig

    Das gemeinschaftliche Testament regelt u. a. die Erbfolge nach dem später versterbenden Ehepartner nicht eindeutig. Die Pflichtteilsklausel zeigt die Willensrichtung, diejenige Tochter zu sanktionieren, die nach dem Tod des zuerst Versterbenden Ansprüche auf den Nachlass erheben sollte. Juristisch waren die Töchter nach dem ersten Elternteil enterbt. Sie konnten daher allenfalls einen Pflichtteilsanspruch geltend machen.

     

    Bei gegenseitiger Erbeinsetzung von Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament muss die Schlusserbenbestimmung nicht ausdrücklich erfolgen. Dies gilt insbesondere, wenn gemeinschaftliche Abkömmlinge vorhanden sind. Der Erblasserwille kann sich auch hinter anderen Bestimmungen verstecken.

     

    Hinter der Anordnung der Enterbung für den Fall, dass der Pflichtteil gefordert wird, kann eine Erbeinsetzung der Kinder verborgen sein (BayObLGZ 59, 199, 203 ff.; 60, 216, 218 f.). Es kann der Wille der Eheleute gewesen sein, den gemeinschaftlichen Abkömmlingen eine erbrechtliche Stellung einzuräumen (OLG Saarbrücken NJW-RR 94, 844). Denn mit der Pflichtteilstrafklausel kann zum einen der Zweck verfolgt werden, sicherzustellen, dass nicht die Abkömmlinge bei der Verteilung des Gesamtnachlasses bevorteilt werden, die beim Tod des Erstversterbenden den Pflichtteil verlangen. Ein solcher Zweck legt nahe, dass die Abkömmlinge als Schlusserben des Letztversterbenden eingesetzt werden sollten. Es kann zum anderen aber auch nur der Zweck verfolgt worden sein, den überlebenden Ehegatten davor zu schützen, dass er nach dem Tod des Erstversterbenden den Belastungen ausgesetzt wird, die damit verbunden sind, dass ein Abkömmling seinen Pflichtteil fordert (OLG Saarbrücken, a.a.O., Rn. 25). Diese Zweckbestimmung setzt nicht notwendig voraus, dass gleichzeitig Schlusserben eingesetzt werden.

     

    Eine gesicherte Erbenstellung der Abkömmlinge nach dem Tod des Längstlebenden kann aber die Ausübung des Pflichtteilsrechts zusätzlich hemmen und dadurch die Stellung des Längstlebenden verbessern (OLG Saarbrücken, a.a.O.). Denn es ist nach der Lebenserfahrung umso wahrscheinlicher, dass ein Abkömmling seinen Pflichtteil geltend macht, je ungesicherter seine Erbenstellung nach dem überlebenden Elternteil ist. Auch wenn die Ehegatten mit der Pflichtteilsstrafklausel bezwecken, das Vermögen in der Hand des überlebenden Ehegatten zu erhalten, kann dies mit dem Willen verbunden sein, dass es den Abkömmlingen als Erben des Letztversterbenden zukommen soll. Eine sog. Pflichtteilsstrafklausel kann zumindest Ansatzpunkt für die Auslegung des Testaments i. S. d. Schlusserbeneinsetzung sein und jedenfalls bei Hinzutreten weiterer Umstände eine solche Auslegung rechtfertigen (BayObLGZ, a.a.O.).

     

    E und M gingen übereinstimmend davon aus, dass die gemeinsamen Töchter nach dem Tod des später Versterbenden den Nachlass zu je einer Hälfte als Erbinnen erhalten. Die Eheleute nahmen an, dass hinsichtlich der Erbbauheimstätte eine Sonderregelung getroffen werden musste, weil sie als Familienheim nur für eine der beiden Töchter mit Familie als geeignet schien, jedoch im Familienbesitz bleiben sollte. Sie hatten den Willen, nur für die Auseinandersetzung des Nachlasses nach dem zuletzt versterbenden Ehepartner in Ansehung der Erbbauheimstätte eine Regelung zu finden. Sie haben diesbezüglich eine Teilungsanordnung getroffen.

     

    Schlusserbeneinsetzung der Töchter ist wechselbezüglich

    Fraglich ist, ob E und M davon ausgingen, ihren Nachlass auch für den Fall des Todes des zuletzt versterbenden Partners mit dem gemeinschaftlichen Testament verbindlich geregelt zu haben oder ob sie es der Entscheidung des verwitweten Teils überlassen wollten, wie er seinen Nachlass verteilt.

     

    Nach den Vorstellungen von E und M sollten die Töchter durch das gemeinschaftliche Testament Schlusserbinnen sein. Dafür spricht, dass keiner der Ehegatten eine Motivation hatte, eine dritte Person zu bedenken.

     

    Die E konnte die gemeinsame Schlusserbeneinsetzung von G und T durch die spätere Einsetzung der T als Alleinerbin im notariellen Testament gem. § 2271 Abs. 2 S. 1 BGB nicht wirksam widerrufen, weil die Schlusserbeneinsetzung wechselbezüglich i. S. d. § 2270 BGB war. Die E war demzufolge in entsprechender Anwendung des § 2289 Abs. 1 S. 2 BGB auch an einer erneuten Testierung gehindert, die das Erbrecht der Beteiligten beeinträchtigte.

     

    Enthält ein gemeinschaftliches Testament keine klare und eindeutige Anordnung zur Wechselbezüglichkeit, ist dies durch Auslegung und für jede Verfügung gesondert zu ermitteln (BGH NJW-RR 87, 1410). Erst wenn die Ermittlung des Erblasserwillens weder die gegenseitige Abhängigkeit noch die gegenseitige Unabhängigkeit der beiderseitigen Verfügungen ergibt, ist gem. § 2270 Abs. 2 BGB im Zweifel Wechselbezüglichkeit anzunehmen, wenn sich die Ehegatten gegenseitig bedenken oder wenn dem einen Ehegatten von dem anderen eine Zuwendung gemacht und für den Fall des Überlebens des Bedachten eine Verfügung zugunsten einer Person getroffen wird, die mit dem anderen Ehegatten verwandt ist oder ihm sonst nahesteht.

     

    Indem der eine Ehegatte den anderen zum Alleinerben einsetzt, übergeht und enterbt er seine Kinder; denn die eigene Schlusserbeinsetzung der Kinder wird im Fall ihres Vorversterbens gegenstandslos. Wer sein Vermögen an die eigenen Kinder weitergeben will, sie aber trotzdem für den ersten eigenen Todesfall enterbt, tut das im Bewusstsein und Vertrauen darauf, dass wegen der Schlusserbeinsetzung des anderen Ehegatten das gemeinsame Vermögen eines Tages auf die Kinder übergehen wird (OLG München FamRZ 13, 405, Rn. 24). Das Gesetz schützt dieses Vertrauen der Eheleute in den Bestand einer solchen Regelung, indem es zu Lebzeiten beider einen einseitigen Widerruf nur in besonderer Form gestattet, die sicherstellt, dass der andere davon erfährt (§ 2271 Abs. 1 S. 1, § 2296 Abs. 2 BGB), und indem es nach dem Tod des Erstversterbenden den Widerruf ausschließt, § 2271 Abs. 2 S. 1 BGB. Jedenfalls wäre nach § 2270 Abs. 2 BGB, der durch individuelle Auslegung nicht widerlegt ist, von einer Wechselbezüglichkeit auszugehen.

    Relevanz für die Praxis

    Interessant ist auch noch ein weiterer Aspekt der Entscheidung. Die T hatte die E um die Auszahlung des Pflichtteils vom späteren Gesamterbe gebeten. E und T haben daher einen notariellen Schenkungsvertrag geschlossen. Nach Ansicht des OLG hat die T dadurch aber nicht ihren Pflichtteil gefordert. Denn die E und die T hätten sich dahin gehend geeinigt, dass die T einen Erbabschlag erhalten sollte. Diese Einigung sei durch die nachfolgende notarielle Schenkungsurkunde realisiert worden. Auch wenn dieser Schenkung Verhandlungen über den Pflichtteil vorausgegangen sein sollten, läge in den bloßen Verhandlungen, die in einer freiwilligen Zahlung enden, noch kein ernsthaftes, die Strafklausel erfüllendes Verlangen (OLG Schleswig ZEV 97, 331).

    Quelle: Ausgabe 11 / 2018 | Seite 182 | ID 45417186