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  • · Fachbeitrag · Erbschaftsteuer

    Rückwirkende Anwendung des ErbStG 2009:BFH legt zeitliche Grenze fest

    von RA Holger Siebert, FA Steuerrecht und Erbrecht, Alsfeld

    Das Erbschaftsteuerreformgesetz (ErbStRG) vom 24.12.08 hatte in seinem Art. 3 ein Wahlrecht vorgesehen, wonach eine rückwirkende Anwendung des ErbStG 2009 auf Erwerbe von Todes wegen, für die eine Steuer nach dem 31.12.06 und vor dem 1.1.09 entstanden ist, möglich war. Dieses Wahlrecht konnte bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung, längstens bis einschließlich 30.6.09 ausgeübt werden, unabhängig davon, ob die Steuer vor dem 1.1.09 festgesetzt worden war (BFH 21.11.12, II B 78 12, DStR 13, 30, Abruf-Nr. 130033).

    Sachverhalt

    Der Kläger ist Alleinerbe seines im Dezember 2007 verstorbenen Vaters. Aufgrund der im Oktober 2008 abgegebenen Erbschaftsteuererklärung setzte das Finanzamt die Erbschaftsteuer mit Bescheid vom 10.3.09 auf 160.151 EUR fest. Der Bescheid erging hinsichtlich der Steuerberatungs- und Erbscheinkosten nach § 165 Abs. 1 AO teilweise vorläufig.

     

    Der Kläger erhob am 31.3.10 Klage und beantragte nach Art. 3 Abs. 1 S. 1 ErbStRG vom 24.12.08 die Anwendung der geänderten Vorschriften des ErbStG in der ab 1.1.09 geltenden Fassung (ErbStG 2009). Dem entsprach die Finanzbehörde wegen der verspäteten Antragstellung nicht. Das FG wies die Klage hinsichtlich des nach Art. 3 Abs. 1 S. 1 ErbStRG gestellten Antrags ab.

     

    Entscheidungsgründe

    Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers bleibt erfolglos. Nach Art. 3 Abs. 1 S. 1 ErbStRG kann ein Erwerber bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung eine rückwirkende Anwendung beantragen. Die geänderten Vorschriften des ErbStG 2009 können mit Ausnahme des § 16 ErbStG 2009 und des Bewertungsgesetzes auf Erwerbe von Todes wegen angewendet werden, für die eine Steuer nach dem 31.12.06 und vor dem 1.1.09 entstanden ist. Wurde die Steuer, die auf einen Erwerb von Todes wegen nach dem 31.12.06 und vor dem 1.1.09 entstanden ist, vor dem 1.1.09 festgesetzt, kann der Antrag in sechs Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes gestellt werden. In diesem Fall kann die Steuerfestsetzung entsprechend geändert werden.

     

    Für das in Art. 3 Abs. 2 ErbStRG eingeräumte Antragsrecht, das für Steuerfestsetzungen vor dem 1.1.09 gilt, ist die Antragsfrist von sechs Monaten nach Inkrafttreten des ErbStRG ausdrücklich in der Vorschrift aufgenommen. Eine entsprechende Bestimmung fehlt etwa für das Antragsrecht nach Art. 3 Abs. 1 S. 1 ErbStRG. Dennoch ergibt sich aus der von vornherein beschränkten zeitlichen Geltung des Art. 3 ErbStRG und der Gesetzesbegründung, dass die Ausübung des Antragsrechts nach Art. 3 Abs. 1 S. 1 ErbStRG nur für den Zeitraum von sechs Monaten von Inkrafttreten des ErbStRG bis zum Außerkrafttreten des Art. 3 ErbStRG ermöglicht werden sollte.

     

    Der Begründung zum Entwurf des ErbStRG ist zu entnehmen, dass das Wahlrecht gemäß Art. 3 ErbStRG auf rückwirkende Anwendung des geänderten Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts eingefügt wurde, um eine möglicherweise eintretende verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung auszuschließen. Auch in der Literatur wird weitaus überwiegend die Auffassung vertreten, dass das einschlägige Antragsrecht nur bis einschließlich 30.6.09 ausgeübt werden kann.

     

    Die Finanzverwaltung hat bereits in gleich lautenden Erlassen vom 23.2.09 darauf hingewiesen, dass bei einer Steuerfestsetzung nach dem 31.12.08 der Antrag nach Art. 3 Abs. 1 S. 1 ErbStRG bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung, längstens bis zum 30.6.09 gestellt werden kann. Die Antragstellung war hier schon vor oder mit Abgabe der Erklärung möglich.

     

    Praxishinweis

    Die rückwirkende Anwendung des durch das ErbStRG geänderten Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts ist in Art. 3 ErbStRG geregelt, der zum 1.7.09 außer Kraft trat (Art. 6 Abs. 3 ErbStRG). In einem engen zeitlichen Fenster bietet das Gesetz die Option, Erwerbe von Todes wegen aus dem Zeitraum 1.1.07 bis 31.12.08 nach neuem Recht besteuern zu lassen.

     

    Mit den benannten, zeitnah zum Inkrafttreten des ErbStRG am 1.1.09 ergangenen Anwendungserlassen der obersten Finanzbehörden der Länder vom 23.2.09 wird auch von Verwaltungsseite dokumentiert, dass das Antragsrecht nach Art. 3 ErbStRG nur in engen zeitlichen Grenzen ausgeübt werden kann. Diesem Umstand wird zugunsten des Steuerpflichtigen dadurch Rechnung getragen, dass er den Antrag auf Anwendung des neuen Rechts in Altfällen schon vor oder mit Abgabe der Erbschaftsteuererklärung fristwahrend stellen und diesen unter Umständen auch nach dem 30.6.09 widerrufen kann, jedoch nicht in den Fällen nach Art. 3 Abs. 3 ErbStRG.

     

    Auch in der Literatur wird überwiegend die Auffassung vertreten, dass das Antragsrecht nach Art. 3 Abs. 1 S. 1 ErbStRG nur bis einschließlich 30.6.09 ausgeübt werden kann (Theissen, ZEV 09, 227; Stöckel, NWB 09, 1262; Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, 2012, § 37 Rn. 38, 45; a.A. Geck in Kapp/Ebeling, ErbStG, 2009, § 37 Rn. 9). Die Finanzverwaltung hatte bereits in gleich lautenden Erlassen vom 23.2.09 darauf hingewiesen, dass bei einer Steuerfestsetzung nach dem 31.12.08 der Antrag nach Art. 3 Abs. 1 S. 1 ErbStRG bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung, längstens bis zum 30.6.09 gestellt werden kann.

     

    Weiterführende Hinweise

    • EE 08, 101, zum Wahlrecht des alten oder neuen Erbschaftsteuerrechts
    • EE 07, 88, zu den Reformbestrebungen durch die Erbschaftsteuerreform
    • EE 07, 1, zu den Erwartungen durch die Erbschaftsteuerreform
    Quelle: Ausgabe 03 / 2013 | Seite 42 | ID 37904420