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  • · Fachbeitrag · Erbschaftsteuer

    Keine Steuerbefreiung für letztwillige Zuwendung eines Wohnungsrechts an Ehegatten

    von RA und Notar a.D. Jürgen Gemmer, FA Steuerrecht, Magdeburg

    Ein steuerbegünstigter Erwerb eines Familienheims i.S. des § 13 Abs. 1 Nr. 4b S. 1 ErbStG liegt nur vor, wenn der länger lebende Ehegatte von Todes wegen endgültig zivilrechtlich Eigentum oder Miteigentum an einer als Familienheim begünstigten Immobilie des vorverstorbenen Ehegatten erwirbt und diese zu eigenen Wohnzwecken selbst nutzt. Die von Todes wegen erfolgende Zuwendung eines dinglichen Wohnungsrechts an dem Familienheim erfüllt nicht die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung (BFH 3.6.14, II R 45/12, DStR 14, 1670, Abruf-Nr. 142413).

     

    Sachverhalt

    Die Klägerin (Kl.) ist zu 1/3 Miterbin ihres verstorbenen Ehemanns (E). Weitere Miterben sind die beiden Kinder des E. Zum Nachlass gehörte u.a. ein mit einem Zweifamilienhaus bebautes Grundstück. Entsprechend den testamentarischen Verfügungen des E wurde das Eigentum daran jeweils zur Hälfte auf die beiden Kinder übertragen und der Kl. unentgeltlich ein lebenslanges, dinglich gesichertes Wohnungs- und Mitbenutzungsrecht an der im Haus befindlichen Wohnung eingeräumt, die die Kl. und E bis zu dessen Tod bewohnt hatten. Das beklagte Finanzamt (FA) hielt § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG für nicht anwendbar. Es bezog daher den Kapitalwert des der Kl. eingeräumten Wohnungs- und Mitbenutzungsrechts in die Ermittlung von deren steuerpflichtigem Erwerb ein. Einspruch, Klage und Revision blieben erfolglos. Durch den während des Revisionsverfahrens ergangenen Änderungsbescheid erklärte das FA die Steuerfestsetzung für vorläufig wegen der Verfassungsmäßigkeit des ErbStG, § 165 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AO.

    Entscheidungsgründe

    Die Zuwendung des Wohnungs- und Mitbenutzungsrechts an die Kl. unterliegt als Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer, § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V. mit § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Die Steuerbefreiung des § 13 Abs. 1 Nr. 4b S. 1 ErbStG greift nicht.

     

    Steuerfrei: Zur Selbstnutzung bestimmtes Familienheim

    Gem. § 13 Abs. 1 Nr. 4b S. 1 ErbStG bleibt u.a. der Erwerb von Todes wegen des (Mit-)Eigentums an einem im Inland belegenen bebauten Grundstück i.S. des § 181 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BewG durch den überlebenden Ehegatten steuerfrei, soweit der Erblasser darin bis zum Erbfall eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat und die beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist (Familienheim). Der Erwerber kann die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b S. 2 ErbStG jedoch nicht beanspruchen, soweit er das begünstigte Vermögen aufgrund einer letztwilligen oder rechtsgeschäftlichen Verfügung des Erblassers auf einen Dritten übertragen muss. Dritter i.d. Sinn kann auch ein Miterbe sein. Erfüllt der Dritte die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG, steht ihm die Steuerbefreiung zu.

     

    Nicht steuerfrei: letztwillige Zuwendung des Wohnungsrechts an Ehegatten

    Die von Todes wegen erfolgte Zuwendung eines dinglichen Wohnungs- und Mitbenutzungsrechts an einer vom Erblasser bis zum Eintritt des Erbfalls zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung an den überlebenden Ehegatten erfüllt nicht die Voraussetzungen der Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b S. 1 ErbStG.

     

    Nach dem Wortlaut setzt die Vorschrift ausdrücklich den Erwerb von (Mit-)Eigentum am Familienheim durch den überlebenden Ehegatten voraus. Die Begriffe „Eigentum“ und „Miteigentum“ sind dabei im zivilrechtlichen Sinn zu verstehen. Wie sich auch aus dem systematischen Zusammenhang zu den S. 2 und 3 ergibt, liegt ein Erwerb i.S. des § 13 Abs. 1 Nr. 4b S. 1 ErbStG nur vor, wenn der Erblasser zivilrechtlicher Eigentümer oder Miteigentümer (§ 1008 BGB) des Familienheims war und der überlebende Ehegatte das zivilrechtliche (Mit-)Eigentum am Familienheim von Todes wegen erwirbt (Fischer/Jüptner/Pahlke/Wachter/Kobor, ErbStG, 5. Aufl., § 13 Rn 36). Die Einräumung eines dinglichen Wohnungs- und Mitbenutzungsrechts gewährt dem Rechtsinhaber demgegenüber nur ein Nutzungsrecht (§ 1093 BGB). Es lässt aber die zivilrechtlichen Eigentumsverhältnisse unberührt und genügt daher nicht den Anforderungen des § 13 Abs. 1 Nr. 4b S. 1 ErbStG (Reimann, ZEV 10, 174, 178). Davon abgesehen begründet ein solches Recht auch kein wirtschaftliches Eigentum des Berechtigten i.S. des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO (BFH BFH/NV 07, 1471, m.w.N.).

     

    Der Zweck des § 13 Abs. 1 Nr. 4b S. 1 ErbStG rechtfertigt es ebenfalls nicht, die Vorschrift auf den Erwerb eines dinglichen Wohnungs- und Mitbenutzungsrechts durch den Überlebenden anzuwenden. Eine Auslegung gegen den Wortlaut eines Gesetzes kommt nur in Betracht, wenn die wortgetreue Gesetzesanwendung offensichtlich dem Willen des Gesetzgebers widerspricht und zum offenbar sinnwidrigen Ergebnis führt, das durch die beabsichtigte Auslegung vermieden oder jedenfalls entscheidend gemindert würde, ohne andere Wertungswidersprüche hervorzurufen (s. statt vieler: BFH BStBl II 13, 742 = ZEV 13, 464).

     

    Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Die Beschränkung des Anwendungsbereichs des § 13 Abs. 1 Nr. 4b S. 1 ErbStG auf den Erwerb des (Mit-)Eigentums am Familienheim ist nicht sinnwidrig. Sie entspricht vielmehr der Absicht des Gesetzgebers, die Gewährung einer Steuerbefreiung auf den Erwerb von Wohneigentum durch den überlebenden Ehegatten zu begrenzen. Das mit der Vorschrift verfolgte Ziel, die Substanz des begünstigten Immobilienvermögens innerhalb der ehelichen Lebensgemeinschaft zu erhalten, kommt auch in § 13 Abs. 1 Nr. 4b S. 2 und 3 ErbStG zum Ausdruck. Durch den darin normierten Wegfall der Steuerbefreiung für den Fall, dass der überlebende Ehegatte das Familienheim aufgrund einer letztwilligen oder rechtsgeschäftlichen Verfügung des Erblassers auf einen Dritten überträgt oder bei der Nachlassteilung auf einen Miterben überträgt, soll sichergestellt werden, dass nur demjenigen eine Steuerbefreiung gewährt wird, der endgültig das Eigentum an dem Familienheim erhält und dieses selbst zu eigenen Wohnzwecken nutzt.

     

    Daher scheidet auch eine analoge Anwendung des § 13 Abs. 1 Nr. 4b S. 1 ErbStG aus. Eine planwidrige Regelungslücke liegt nur vor, wenn das Gesetz unvollständig und ergänzungsbedürftig ist und seine Ergänzung nicht einer gesetzlich gewollten Beschränkung auf bestimmte Tatbestände widerspricht (BFH BStBl II 12, 678; 13, 104). An einer solchen planwidrigen Gesetzeslücke fehlt es hier. Angesichts der mit der Steuerfreistellung verfolgten Ziele und der in § 13 Abs. 1 Nr. 4b S. 2 und 3 ErbStG getroffenen Regelungen zum Wegfall der Steuerbefreiung bei Weitergabe des Wohneigentums ist davon auszugehen, dass sich der Gesetzgeber bewusst dafür entschieden hat, nur die Übertragung des Wohneigentums auf den überlebenden Ehegatten und nicht auch die Einräumung eines dinglichen Wohnungs- und Mitbenutzungsrechts am Familienheim zu begünstigen.

     

    Es ist mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Besteuerung vereinbar, dass die Steuerbefreiung des § 13 Abs. 1 Nr. 4b S. 1 ErbStG nur eingreift, wenn der überlebende Ehegatte das (Mit-)Eigentum an dem Familienheim erwirbt, ohne es aufgrund einer letztwilligen oder rechtsgeschäftlichen Verfügung des Erblassers auf einen Dritten übertragen zu müssen, nicht aber, wenn ihm nur ein dingliches Wohnungsrecht an der Familienwohnung zugewendet wird.

     

    Zudem ist zu beachten, dass die in § 13 Abs. 1 Nr. 4b S. 1 ErbStG vorgesehene Steuerbefreiung auch verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegt. Die vom BFH erhobenen Bedenken bestehen hier gleichermaßen (BStBl II 13, 1051 Rn. 11, zu § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG a.F.). Wie das BVerfG ausgeführt hat, muss der Gesetzgeber bei der Steuerfreistellung des zur individuellen Lebensgestaltung bestimmten Vermögens Grundeigentümer und Inhaber anderer Vermögenswerte im gleichen Individualbedarf steuerlich gleichbehandeln (BVerfGE 93, 121 = BStBl II 95, 655). Es ist zweifelhaft, ob § 13 Abs. 1 Nr. 4b S. 1 ErbStG mit diesem Gleichbehandlungsgebot vereinbar ist. Eine Anwendung dieser Vorschrift über ihren Wortlaut hinaus wäre jedenfalls verfassungsrechtlich noch bedenklicher und ist somit ausgeschlossen. Da die Steuerfestsetzung durch den Änderungsbescheid hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des ErbStG für vorläufig erklärt wurde, braucht das Verfahren bis zur Entscheidung des BVerfG über den Vorlagebeschluss des BFH nicht ausgesetzt zu werden (BStBl II 12, 899). Denn wegen der Vorläufigkeit der Steuerfestsetzung droht der Kl. kein Rechtsverlust. Sollte die Steuerfestsetzung wegen Verfassungswidrigkeit des ErbStG aufzuheben sein, erfolgt die Aufhebung wegen des Vorläufigkeitsvermerks von Amts wegen.

    Praxishinweis

    Der BFH hat offen gelassen, ob die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b S. 1 ErbStG zu gewähren wäre, wenn der überlebende Ehegatte das ihm letztwillig zugewendete (Mit-)Eigentum am Familienheim unter Vorbehalt eines Wohnungsrechts auf einen Dritten überträgt, ohne dazu verpflichtet zu sein. Der Ehegatte hätte - anders als hier - unbeschränktes Eigentum erworben, über das er frei verfügen könnte. Ob diese Umstände eine Steuerbefreiung rechtfertigen, erscheint fraglich. Der Wortlaut lässt zwar nicht darauf schließen, dass das Familienheim während der Behaltensfrist von zehn Jahren im Eigentum des Überlebenden verbleiben muss. Gleichwohl muss nach Ansicht des FA die Selbstnutzung der Wohnung als Eigentümer erfolgen (Abschn. 4 Abs. 6 S. 2 des Anwendungserlasses zur Umsetzung des Gesetzes zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts vom 25.6.09 (AEErbSt); RE 13.4, Abs. 6 ErbStR 2011). Eine Veräußerung innerhalb der Behaltensfrist sollte vermieden werden, auch an Kinder und selbst, wenn der Veräußerer die Immobilie weiterhin bewohnt, z.B. aufgrund eines Mietvertrags, Wohnungsrechts oder Nießbrauchs.

    Quelle: Ausgabe 10 / 2014 | Seite 171 | ID 42915451