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  • · Fachbeitrag · Erbschaftsteuer

    Erbschaftsteuer ist eine Eigenschuld des Erben

    von RA Dr. Gudrun Möller, FA Familienrecht, Münster

    Die Erbschaftsteuer ist eine Eigenschuld des Erben und keine Nachlassverbindlichkeit gem. § 1967 BGB, § 325 InsO (FG Münster 30.4.14, 3 K 1915/12 Erb, ZInsO 14, 14, Abruf-Nr. 142211).

     

    Sachverhalt

    Der Erblasser wurde von seiner Tochter (T) und seiner Lebensgefährtin (L) zu je 1/2 beerbt. Das AG hat einen entsprechenden Erbschein erteilt. Nachdem der Beklagte (Finanzamt) die L vergeblich zur Abgabe einer Erbschaftsteuererklärung aufgefordert hatte, schätzte er die Besteuerungsgrundlagen und setzte die Erbschaftsteuer durch Bescheid fest. Der Bescheid wurde öffentlich zugestellt. Der Bescheid ist bestandskräftig. Mit Schreiben zeigte die Rechtsanwaltskanzlei R an, die L habe ihren Erbteil auf die T übertragen. Der Nachlass sei überschuldet. Das Nachlassinsolvenzverfahren wurde eröffnet. Der Beklagte meldete die Erbschaftsteuer als Nachlassforderung zur Insolvenztabelle an. Der Kläger widersprach der Anmeldung im Prüfungstermin. Der Beklagte erließ deshalb über die Erbschaftsteuer gemäß Bescheid gegenüber dem Kläger einen auf § 251 Abs. 3 AO gestützten Feststellungsbescheid, gegen den der Kläger Einspruch einlegte. Den Einspruch wies der Beklagte zurück. Mit der Klage verfolgt der Kläger sein Begehren auf Aufhebung des Feststellungsbescheides erfolgreich weiter.

     

    Entscheidungsgründe

    Die Erbschaftsteuerforderung des Beklagten kann nicht als Insolvenzforderung durch Feststellungsbescheid gemäß § 251 Abs. 3 AO geltend gemacht werden. Gemäß § 251 Abs. 3 AO ist die Finanzbehörde befugt, soweit sie im Insolvenzverfahren einen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis als Insolvenzforderung geltend macht, diesen im Bestreitensfall durch Bescheid festzustellen. Voraussetzung ist, dass es sich bei dem Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis um eine Insolvenzforderung handelt. In einem Nachlassinsolvenzverfahren kommen daher nur solche Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis als Insolvenzforderung in Betracht, bei denen es sich um Nachlassverbindlichkeiten handelt, § 325 InsO.

     

    Zu den Nachlassverbindlichkeiten gehören die vom Erblasser herrührenden Schulden (Erblasserschulden) und die den Erben als solchen treffenden Verbindlichkeiten, insbesondere die Verbindlichkeiten aus Pflichtteilsrechten, Vermächtnissen und Auflagen (Erbfallschulden), § 1967 Abs. 2 BGB. Demgegenüber sind Eigenschulden des Erben, die vor oder nach dem Erbfall in der Person des Erben entstehen und ihn als Träger seines Eigenvermögens berühren, keine Nachlassverbindlichkeiten (MüKo/Küpper, BGB, 6. Aufl., § 1967 Rn. 25). Eigenverbindlichkeiten des Erben sind auch sog. Nachlasserbenschulden, die der Erbe bei der Verwaltung des Nachlasses eingeht. Soweit bei Eingehung dieser Verbindlichkeiten auch ein Zusammenhang mit der Abwicklung des Nachlasses besteht, kann nach außen sowohl eine Nachlass- als auch eine Eigenverbindlichkeit entstehen (Palandt/Weidlich, BGB, 73. Aufl., § 1967 Rn. 8). Danach ist die Erbschaftsteuer eine Eigenschuld des Erben und keine Nachlassverbindlichkeit gem. § 1967 BGB, § 325 InsO. Dies ergibt sich nach der zivilrechtlichen Rechtsprechung (OLG Hamm MDR 90, 1014 = Rpfleger 90, 463; OLG Frankfurt 27.1.12 24 U 38/11; OLG Koblenz Gewerbemiete und Teileigentum (GuT) 12, 186; a.A. OLG Naumburg FamRZ 07, 1047 = ZEV 07, 381; Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 251 AO Tz. 137). Dieser Rechtsprechung schließt sich der Senat für diesen Fall an. Dies folgt aus dem Umstand, dass die Erbschaftsteuer der Höhe nach an das persönliche Verwandtschaftsverhältnis des einzelnen Erben gegenüber dem Erblasser anknüpft, § 15 ErbStG.

     

    § 20 Abs. 1 ErbStG regelt ausdrücklich, dass Steuerschuldner der Erwerber ist, nicht der Nachlass als Ganzes. § 20 Abs. 3 ErbStG begründet nur eine Mithaftung des Nachlasses bis zur Auseinandersetzung. Dies wäre entbehrlich, wenn es sich ohnehin um eine Nachlassverbindlichkeit handeln würde. § 10 Abs. 8 ErbStG bestimmt, dass die Erbschaftsteuer nicht nachlassmindernd zu berücksichtigen ist. Der Erbe wird zwar in seiner Eigenschaft als Erbe belastet. Er haftet jedoch nicht für die Erbschaftsteuerschuld anderer Erben, Pflichtteilsberechtigter oder Vermächtnisnehmer. Daraus folgt, dass der Nachlass gerade nicht belastet mit der Erbschaftsteuerschuld auf den Erben im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übergeht. Vielmehr knüpft die Entstehung der Steuerschuld individuell an jeden Erwerb durch einen Erbfall an, gehört deshalb nicht zur Abwicklung des Nachlasses.

     

    Auch unter dem Gesichtspunkt der Haftung scheidet eine Qualifizierung der Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeit aus. Denn aus § 20 Abs. 3 ErbStG ergibt sich, dass eine Haftung des Nachlasses für die Steuer nur bis zu dessen Auseinandersetzung in Betracht kommt, die hier aber bereits vor Festsetzung der Erbschaftsteuer und vor der Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens erfolgt war. Auch aus dem das o.a. Urteil des OLG Frankfurt aufhebende Urteil des BGH sind keine anderweitigen Schlüsse zu ziehen (MDR 14, 114 = FamRZ 14, 298). Der dort entschiedene Fall unterscheidet sich vom vorliegenden Fall dadurch, dass dort die Erbschaftsteuer rechtskräftig zur Nachlassinsolvenztabelle angemeldet und die Qualität der Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeit deshalb nicht mehr zu beurteilen war.

     

    § 45 Abs. 2 AO verweist auf das BGB und damit auf § 1967 Abs. 2 BGB, der aber aus den genannten Gründen hier nicht einschlägig ist.

     

    Praxishinweis

    Aus der Entscheidung des BFH (NJW 93, 350) ergeben sich nach Ansicht des Senats keine Argumente für eine Qualifizierung der Erbschaftsteuerschuld als Nachlassverbindlichkeit i.S. des § 1967 Abs. 2 BGB, § 325 InsO. Dasselbe gilt für die Entscheidung des BFH in BStBl. II 98, 705 = ZEV 98, 441. Betroffen war in dem Fall die in der Person des Erben entstandene Einkommensteuer aus einem vom Erblasser angestoßenen Veräußerungsgeschäft.

     

    Das FG hat die Revision zur Fortbildung des Rechts zugelassen, § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO. Eine BFH-Entscheidung zur Qualifizierung der Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeit i.S. des § 1967 Abs. 2 BGB ist nicht ersichtlich.

    Quelle: Ausgabe 09 / 2014 | Seite 152 | ID 42763922