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  • · Fachbeitrag · Einkommensteuer

    Vor dem Erbfall erklärter Erbteilsverzicht/ Pflichtteilsverzicht nicht einkommensteuerbar

    von RA Holger Siebert, FA Steuerrecht und Erbrecht, Alsfeld

    • 1. Der vor Eintritt des Erbfalls erklärte Erb- und/oder Pflichtteilsverzicht ist ein erbrechtlicher, bürgerlich-rechtlich wie steuerrechtlich, unentgeltlicher Vertrag, der der Regulierung der Vermögensnachfolge dienen soll und nicht der Einkommensteuer unterliegt.
    • 2. Wird die Höhe der aus einem derartigen Vertrag zu zahlenden monatlichen Rente so ermittelt, dass die Beteiligten einen vom Erblasser vorgegebenen Basisbetrag zugrunde legen, der zunächst durch die statistische Lebenserwartung des Rentenberechtigten zum Zeitpunkt des Zahlungsbeginns und anschließend nochmals durch zwölf dividiert wird, enthält die monatliche Zahlung keinen Zinsanteil.

    (BFH 20.11.12, VIII R 57/10, ZEV 13, 223, Abruf-Nr. 130636)

     

    Sachverhalt

    Vater V hatte im Rahmen der sogenannten vorweggenommenen Erbfolge seinem Sohn K1 ein Grundstück und einen Betrieb übertragen. K1 verpflichtete sich dafür in einem notariellen Vertrag, monatlich etwa 2.200 EUR an seine Schwester K2 zu zahlen. Gleichzeitig verzichteten K1 und K2 schon vorab auf ihren Pflichtteil für ein späteres Erbe. Nach dem Tod des V bezog die Klägerin, K2, ab dem 1.3.01 fortlaufend die vereinbarten Rentenzahlungen. Das Finanzamt unterwarf die Zahlungen im Streitjahr in vollem Umfang der (Einkommen-) Besteuerung mit der Begründung, es handele sich um Versorgungsleistungen, die grundsätzlich als dauernde Last anzusehen seien. K2 war hingegen der Ansicht, dass in vollem Umfang von einer Besteuerung abzusehen sei. Es handele sich um nicht steuerbare Unterhaltsleistungen in Form von Gleichstellungsgeldern.

     

    Das FG gab der Klage teilweise statt. Auf die Revision K2 hat der BFH das Urteil aufgehoben und der Klage in Bestätigung seiner Rechtsprechung (BFH 9.2.10, VIII R 43/06, FamRZ 10, 1340) vollumfänglich stattgegeben.

     

    Entscheidungsgründe

    Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, dass die von der K2 vereinnahmten Bezüge keine wiederkehrenden Leistungen aus einer Vermögensübergabe im Wege vorweggenommener Erbfolge gegen Versorgungsleistungen darstellen. Damit sind sie nicht gemäß § 22 Nr. 1 S. 1 EStG steuerbar. Nach Würdigung der Gesamtumstände ist das FG zu der Ansicht gelangt, die Zahlungen des beigeladenen K1 dienten im Ergebnis der vermögensrechtlichen Gleichstellung der K2 mit K1, nicht aber ihrer Versorgung. An diese Würdigung ist der Senat nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden. Sind, wie hier, Empfänger der wiederkehrenden Leistungen die Geschwister des Übernehmers, besteht die widerlegbare Vermutung, dass sie nicht versorgt, sondern gleichgestellt werden sollen (BFHE 190, 365; BMFIN, Einkommensteuerliche Behandlung von wiederkehrenden Leistungen BStBl I 2010, 227, Rn. 50).

     

    Die tatrichterliche Überzeugungsbildung der Vorinstanz (§ 96 Abs. 1 FGO) ist nur insoweit reversibel, als Verstöße gegen die Verfahrensordnung, gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze vorliegen. Solche Verstöße sind nicht erkennbar. Außerdem binden die vorinstanzlichen Schlussfolgerungen den BFH als Revisionsgericht schon, wenn sie nur möglich, also vertretbar sind. Sie müssen nicht zwingend sein (ständige Rechtsprechung).

     

    Der Erb- und/oder Pflichtteilsverzicht unterliegt nicht der Einkommensteuer. Anders wäre die Rechtslage nur zu beurteilen, wenn der Erbfall bereits eingetreten wäre und K2 als Pflichtteilsberechtigte von K1 unter Anrechnung auf ihren Pflichtteil wiederkehrende Leistungen erhielte (BFH ZEV 10, 425). In einem solchen Fall wäre das Merkmal der Überlassung von Kapital zur Nutzung im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG jedenfalls erfüllt, wenn K2 rechtlich befugt gewesen wäre, den niedrigeren Barwert im Rahmen ihres Pflichtteilsanspruchs geltend zu machen (BFHE 170, 98).

     

    MERKE |  Die Steuerbarkeit der empfangenen Rentenzahlungen folgt auch nicht aus § 22 Nr. 1 S. 3a) aa) S. 3 beziehungsweise § 22 Nr. 3 EStG. Wiederkehrende Zahlungen als Gegenleistung für den Verzicht eines zur gesetzlichen Erbfolge Berufenen auf seinen potenziellen künftigen Erb- und/oder Pflichtteil sind beim Empfänger grundsätzlich nicht als wiederkehrende Bezüge im Sinne von § 22 Nr. 1 EStG oder § 22 Nr. 3 EStG steuerbar.

     

     

    Die Steuerbarkeit folgt insbesondere nicht aus der Zahlungsweise in Form einer Rente. Denn allein der Umstand, dass eine Leistung nicht in einem Betrag, sondern in wiederkehrenden Zahlungen zu erbringen ist, kann deren Steuerbarkeit nicht begründen.

     

    Es besteht keine Zinspflicht gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Eine solche setzt die Überlassung von Kapital gegen Entgelt voraus. Anzusetzen sind insoweit alle Entgelte, die für eine Kapitalüberlassung im weitesten Sinne zugeflossen sind. Es muss sich entweder originär um Zinsen nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG oder zumindest um Entgelt nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG handeln. Voraussetzung ist also eine Vermögensmehrung, die bei wirtschaftlicher Betrachtung Entgelt für die Kapitalnutzung ist. Eine entgeltliche Kapitalüberlassung der K2 an ihren Bruder hat nicht stattgefunden. Wenn die zur Gleichstellung zu entrichtende Rente so ermittelt wird, dass der Basisbetrag durch die statistische Lebenserwartung des Rentenberechtigten dividiert und der sich daraus ergebende Jahresbetrag durch zwölf geteilt wird, kann diese Rente keinen Zinsanteil enthalten.

     

    Praxishinweis

    Ein vorsorglicher Hinweis auf die beabsichtigte Gleichstellung der Geschwister in der vertraglichen Regelung empfiehlt sich in jedem Fall. Da solche der Gleichstellung dienenden Zahlungen nicht auch notwendigerweise einen steuerbaren Zinsanteil enthalten, empfiehlt sich zudem, die Grundlage der Rentenhöhe am Basisbetrag und der statistischen Lebenserwartung des Zahlungsempfängers ausdrücklich festzumachen.

     

    Quelle: Ausgabe 08 / 2013 | Seite 130 | ID 40332770