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  • · Fachbeitrag · Nachlassinsolvenz

    Herausgabeprozess des Nachlassinsolvenzverwalters gegen die Erben

    von RiOLG Dr. Andreas Möller, Hamm

    • 1. Im Herausgabeprozess des Nachlassinsolvenzverwalters gegen den Erben ist nicht zu prüfen, ob die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens zu Recht erfolgt ist. Das Prozessgericht ist an den rechtskräftigen Eröffnungsbeschluss des Insolvenzgerichts gebunden.
    • 2. Wird im Nachlassinsolvenzverfahren die Forderung eines Gläubigers widerspruchslos zur Insolvenztabelle festgestellt, ist das Prozessgericht im Rechtsstreit zwischen Nachlassinsolvenzverwalter und Erben, in dem um die Herausgabe des durch eine Verwaltungsmaßnahme Erlangten gestritten wird, an die Feststellung gebunden.

    (BGH 10.10.13, IX ZR 30/12, WM 14, 38, Abruf-Nr. 140020)

     

    Sachverhalt

    Der Kläger ist Insolvenzverwalter (I) des Nachlasses des Erblassers (E) . Die Beklagte ist die Mutter (M) des E, die neben dessen Ehefrau (F) Miterbin zu 1/4 wurde. Im Teilerbauseinandersetzungsvertrag vereinbarten die Miterben, dass F zum Ausgleich für die von ihr übernommenen Geschäftsbeteiligungen des E einen Betrag an M zahlen sollte. Das Finanzamt (FA) setzte gegen die F Erbschaftsteuer fest. Diese konnte die Erbschaftsteuer nicht bezahlen. Sie beantragte die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens, das eröffnet wurde. In diesem Verfahren hat das FA eine Erbschaftsteuerforderung zuzüglich Kosten angemeldet, die widerspruchslos zur Insolvenztabelle festgestellt worden ist. I macht gegen M einen Anspruch auf Zahlung eines Teilbetrags geltend. Klage und Berufung sind erfolglos geblieben. Die Revision des I führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

     

    Entscheidungsgründe

    Die Frage, ob das Nachlassinsolvenzverfahren zu Recht eröffnet worden ist, ist nicht Gegenstand des Herausgabeprozesses nach § 1978 Abs. 1 BGB. Das FA hat gegen den Nachlass eine zur Insolvenztabelle festgestellte Erbschaftsteuerforderung, die im Rahmen der Herausgabeklage des Nachlassinsolvenzverwalters gegen die Miterben nicht mehr infrage gestellt werden kann.

     

    Wenn das Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet (oder Nachlassverwaltung angeordnet) ist, ist der Erbe gem. § 1978 Abs. 1 S. 1 BGB den Nachlassgläubigern für die bisherige Verwaltung des Nachlasses so verantwortlich, als wenn er von der Annahme der Erbschaft an die Verwaltung für sie als Beauftragter zu führen gehabt hätte. Von den Erben als Berechtigten vorgenommene Verfügungen bleiben wirksam. Die Erben werden aber für ihre Verwaltungsmaßnahmen den Nachlassgläubigern gegenüber so verantwortlich gemacht, als hätten sie den Nachlass von der Annahme der Erbschaft an im Auftrag der Nachlassgläubiger verwaltet (Erman/Schlüter, BGB, 13. Aufl., § 1978 Rn. 3). Aufwendungen, die die Erben bei der Verwaltung des Nachlasses gehabt haben, können sie nach § 1978 Abs. 3 BGB ersetzt verlangen.

     

    Sofern ein Nachlassinsolvenzverfahren durch rechtskräftigen Beschluss eröffnet ist, ist § 1978 Abs. 1 BGB anwendbar. Nur wenn ein Verfahrensfehler vorliegt, der zur Nichtigkeit der Insolvenzeröffnung führt, ist der Eröffnungsbeschluss nicht gegenüber jedermann bindend.

     

    MERKE | Die Frage, ob die Erbengemeinschaft schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens auseinandergesetzt worden ist, ist unerheblich. Nach § 316 Abs. 2 InsO ist die Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch noch zulässig, wenn bei einer Mehrheit von Erben die Teilung des Nachlasses bereits erfolgt ist.

     

    Unerheblich ist, ob das FA wegen der Erbschaftsteuerverbindlichkeit Nachlassgläubigerin war und die Forderung zur Insolvenztabelle anmelden konnte. Diese Verbindlichkeit ist infolge der Feststellung zur Tabelle als Insolvenzforderung zugrunde zu legen. Die Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle hat die Wirkungen eines rechtskräftigen Urteils, § 178 Abs. 3 InsO. Die festgestellte Forderung kann nur noch mit solchen Rechtsbehelfen angefochten werden, die gegen ein rechtskräftiges Urteil wirken. Der Streit um die Frage, ob im Nachlassinsolvenzverfahren Erbschaftsteuerforderungen gegen Miterben als Nachlassverbindlichkeiten zu qualifizieren sind, hätte nur im Tabellenfeststellungsverfahren oder im Streitverfahren zur Beseitigung des Widerspruchs ausgetragen werden können, wenn die Forderung durch einen nach § 178 S. 1 InsO Berechtigten bestritten worden wäre.

     

    Der Rechtskraftwirkung (§ 201 Abs. 2 InsO) steht nicht entgegen, dass die Rechtskraftwirkung der Feststellung zur Insolvenztabelle (§ 178 Abs. 3 InsO) grundsätzlich nur für Insolvenzforderungen gilt. Eine Forderung, die aus Rechtsgründen nicht zur Insolvenztabelle angemeldet werden kann, wird nicht ohne Weiteres durch eine versehentliche Eintragung in die Tabelle zur Insolvenzforderung. Die Erbschaftsteuerforderung, die sich gegen die Miterbin richtet, ist grundsätzlich eine Insolvenzforderung i.S. des § 38 Abs. 1 InsO. Denn für die Steuer der am Erbfall Beteiligten haftet der Nachlass zumindest bis zur Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft, § 20 Abs. 3 ErbStG. Zwar ist streitig, ob der Nachlass auch noch nach dessen Auseinandersetzung haftet. Es handelt sich aber um eine Forderung, deren Anmeldung im Nachlassinsolvenzverfahren nicht gesetzlich ausgeschlossen ist. Mit der Eintragung in die Insolvenztabelle ist die streitbefangene Forderung als Nachlassverbindlichkeit und damit als Insolvenzforderung rechtskräftig festgestellt worden.

     

    Die weiteren Voraussetzungen des § 1978 Abs. 1 S. 1 BGB sind erfüllt. Die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft und die Auszahlung der geschuldeten Beträge sind Verwaltungsmaßnahmen, die unter § 1978 BGB fallen.

     

    Praxishinweis

    Im Nachlassinsolvenzverfahren nimmt jeder Miterbe die Stellung des Schuldners ein. Sein Widerspruch steht zwar gemäß § 178 Abs. 1 S. 2 InsO der Feststellung zur Tabelle nicht entgegen, verhindert aber den Eintritt der Rechtskraftwirkung gem. § 201 Abs. 2 InsO, solange der Widerspruch nicht durch Urteil beseitigt ist. Ohne ein Bestreiten wirkt die Eintragung in die Insolvenztabelle auch gegenüber den Miterben wie ein rechtskräftiges Urteil.

    Quelle: Ausgabe 03 / 2014 | Seite 38 | ID 42514457