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  • · Fachbeitrag · Insolvenzrecht

    Restschuldbefreiung: Schuldner muss geerbtes Vermögen anteilig herausgeben

    von RiOLG Dr. Andreas Möller, Hamm

    • 1.Der Schuldner, der während der Laufzeit der Abtretungserklärung Vermögen von Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein späteres Erbrecht erwirbt, hat seine Obliegenheit zur Herausgabe der Hälfte des Werts durch Zahlung des entsprechenden Geldbetrags zu erfüllen.
    • 2.Die Obliegenheit, die Hälfte des Werts des erworbenen Vermögens an den Treuhänder herauszugeben, kann auch nicht durch Übertragung eines Anteils am Nachlass erfüllt werden, wenn der Schuldner Mitglied einer Erbengemeinschaft geworden ist.
    • 3.Setzt die Erfüllung der Obliegenheit zur Herausgabe des hälftigen Werts des erworbenen Vermögens die Versilberung des Nachlasses voraus, ist dem Schuldner vor der Entscheidung über den Antrag auf Restschuldbefreiung Gelegenheit zu geben, diese zu betreiben.
    • 4.Über den Antrag auf Restschuldbefreiung sowie über etwaige Versagungsanträge kann so lange nicht entschieden werden, wie der Schuldner ausreichende Bemühungen um die Verwertung des Nachlasses nachvollziehbar darlegt und gegebenenfalls beweist.

    (BGH 10.1.13, IX ZB 163/11, FamRZ 13, 448, Abruf-Nr. 130470)

     

    Sachverhalt

    Das Insolvenzverfahren der Schuldnerin S ist 2003 eröffnet und in 2006 aufgehoben worden, nachdem das Insolvenzgericht die Restschuldbefreiung angekündigt hatte. Der Beteiligte zu 2, T, wurde zum Treuhänder bestellt. 2009 erbten S und ihr Bruder je ½ nach ihrem verstorbenen Vater. S unterrichtete T von der Erbschaft. Zu dem Wert des Nachlasses gehörte ein Grundstück. Das Nachlassgericht hatte den Wert auf 216.531,75 EUR festgesetzt. T verlangte die Zahlung von 54.132,93 EUR zur Masse. Die anwaltlich vertretene S zahlte nicht. Ihr Bruder stimme einem Verkauf des Grundstücks nicht zu.

     

    Die Beteiligte zu 1, Gläubigerin G, beantragte die Versagung der Restschuldbefreiung, weil S ihrer Pflicht zur Herausgabe des hälftigen Werts der Erbschaft nicht nachgekommen sei. Das Insolvenzgericht versagte die Restschuldbefreiung. Auf die sofortige Beschwerde der S hat das LG den Beschluss aufgehoben und den Versagungsantrag der G zurückgewiesen. Die erfolgreiche Rechtsbeschwerde führte zur Aufhebung und Rückverweisung.

     

    Entscheidungsgründe

    S hat nicht gegen ihre Obliegenheit aus § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO verstoßen. Hiernach obliegt es dem Schuldner, während der Laufzeit der Abtretungserklärung Vermögen, das er von Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht erwirbt, zur Hälfte des Werts an den Treuhänder herauszugeben. Hierzu muss er einen Geldbetrag in Höhe des hälftigen Werts der Erbschaft an den Treuhänder leisten. Er ist weder berechtigt noch verpflichtet, die zur Erbschaft gehörenden Gegenstände auf den Treuhänder zu übertragen.

     

    Die Verpflichtung zur Geldzahlung ergibt sich nicht eindeutig aus dem Wortlaut des § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Einerseits ist „das ererbte Vermögen“ an den Treuhänder herauszugeben. Andererseits soll dies nur „zur Hälfte des Werts“ erfolgen. Der Begriff der „Herausgabe“ ist ebenfalls nicht eindeutig. Die Gesetzgebungsmaterialien geben keinen näheren Aufschluss. Mit der Frage, in welcher Form die Herausgabe erfolgen muss, befasst sich die Begründung des Regierungsentwurfs nicht. Dass nur der Wert in Geld, nicht aber sonstige Vermögensgegenstände an den Treuhänder herauszugeben sind, folgt aus dem Zusammenspiel des § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO mit der Regelung der Aufgaben, Befugnisse und Vergütung des Treuhänders.

     

    Die Verwertung des Vermögens des Schuldners gehört in der sogenannten Wohlverhaltensphase, also nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens, nicht zu den Aufgaben des Treuhänders (so auch Preuß, NJW 99, 3450). Gehört es aber nicht zu den Aufgaben des Treuhänders, andere Vermögensgegenstände als Geld zu verwalten, kann der Schuldner seiner Obliegenheit aus § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO nur durch Zahlung einer Geldsumme in Höhe des hälftigen Werts des angefallenen Vermögens genügen. Besteht das von Todes wegen erworbene Vermögen nicht (nur) aus Geld, muss der Schuldner es versilbern, wenn er den zur Erfüllung der Obliegenheit erforderlichen Geldbetrag nicht anders aufbringen kann. Das Angebot der S auf Abtretung des Anspruchs auf den anteiligen Kaufpreis für das Grundstück oder des Ausgleichsanspruchs gegen den Miterben ersetzt die Herausgabe nicht.

     

    Nichts anderes gilt, wenn der Schuldner Miterbe geworden ist. Der Anteil an einer Erbengemeinschaft (§ 2032 BGB) gehört mit Ablauf der Ausschlagungsfrist endgültig zum Vermögen des Erben. Die Verwertung des Anteils ist auch rechtlich möglich, da ein Miterbe über seinen Anteil am Nachlass insgesamt verfügen kann (§ 2033 Abs. 1 S. 1 BGB). Er kann nach §§ 2042 ff. BGB die Auseinandersetzung und Teilung des Nachlasses auch gegen den Willen der anderen Miterben betreiben. Besteht der Nachlass nach Berichtigung der Nachlassverbindlichkeiten und Teilung der beweglichen Habe nur noch aus einem Grundstück, kann der Erbe unmittelbar die Teilungsversteigerung betreiben (§§ 180 ff. ZVG). Selbst, wenn der Erblasser durch letztwillige Verfügung die Auseinandersetzung ausgeschlossen hat (§ 2044 Abs. 1 BGB), kann ein Miterbe bei Vorliegen eines wichtigen Grunds die Auseinandersetzung verlangen (§ 2044 Abs. 1 S. 2, § 749 Abs. 2 BGB).

     

    Wichtig | Die Verpflichtung zur Herausgabe der Hälfte des Werts der Erbschaft aus § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO ist nach Ansicht des BGH ein wichtiger Grund nach § 2044 Abs. 1 S. 2, § 749 Abs. 2 BGB. Ein Miterbe kann hiernach bei Vorliegen eines wichtigen Grunds die Auseinandersetzung verlangen.

     

    Die Verwertung des Anteils an einer Miterbengemeinschaft ist dem Schuldner in der Regel zumutbar. Nach gefestigter Rechtsprechung des BGH stellen die Ausschlagung einer Erbschaft, der Verzicht auf ein Vermächtnis oder auf die Geltendmachung eines Pflichtteilanspruchs keine Obliegenheitsverletzungen dar. Die Entscheidung über die Annahme oder Ausschlagung einer Erbschaft ist ebenso wie die über die Geltendmachung eines Pflichtteils oder eines Vermächtnisses höchstpersönlicher Natur.

     

    Die Entscheidung darüber, ob eine Erbengemeinschaft auseinandergesetzt oder durch die Veräußerung des Erbteils für einen Dritten geöffnet werden soll, kann zwar einen persönlich geprägten Charakter haben. Die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft ist jedoch der im BGB vorausgesetzte Normalfall. Die Erbengemeinschaft ist nicht auf Dauer angelegt. Das Gesetz schützt sie auch nicht umfassend gegen die Veräußerung eines Erbteils und ein damit verbundenes Eindringen eines Dritten in die Erbengemeinschaft. Die Veräußerung des Anteils ist gemäß § 2033 Abs. 1 S. 1 BGB zulässig und führt für den Miterben nur zu einem Vorkaufsrecht aus § 2034 Abs. 1 BGB. Soweit der Anteil am Nachlass veräußert werden kann, kann er auch gepfändet werden (§ 859 Abs. 2 ZPO). Auch der Pfändungsgläubiger kann durch einen Antrag auf Teilungsversteigerung gemäß § 2042 Abs. 2, § 753 BGB, §§ 180 ff. ZVG die Auseinandersetzung des Nachlasses betreiben.

     

    Ein Vermögenswert, der außerhalb des Insolvenzverfahrens dem Zugriff der Gläubiger offensteht, verdient im Insolvenzverfahren und nach dessen Aufhebung in der Wohlverhaltensperiode keinen besonderen Schutz. Mangels Entscheidungsreife ist dem Senat eine eigene Sachentscheidung nicht möglich. Daher hebt er den Beschluss auf. Es ist zu prüfen, ob S alles ihr Mögliche und Zumutbare unternommen hat und noch unternimmt, um ihren Anteil am Nachlass zu verwerten und mit dem Verwertungserlös ihrer Obliegenheit aus § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO nachkommt.

     

    Praxishinweis

    Der BGH hat für folgende Situation das Recht fortgebildet: Der Schuldner erwirbt während der Laufzeit der Abtretungserklärung Vermögen von Todes wegen. Die Herausgabe des hälftigen Werts des erworbenen Vermögens ist von der Verwertung des Nachlasses abhängig. Die Verwertung kann bis zum Ende der Laufzeit nicht abgeschlossen werden. Es gilt: Das Insolvenzgericht hat die Entscheidung über den Antrag auf Restschuldbefreiung und über Versagungsanträge aufzuschieben, wenn und solange der Schuldner nachvollziehbar darlegt und in geeigneter Weise nachweist, dass er die Verwertung des Nachlasses betreibt, aber noch nicht zu Ende gebracht hat.

     

    Nur so kann sichergestellt werden, dass das erworbene Vermögen hälftig zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger herangezogen wird. Mit der Erteilung der Restschuldbefreiung vor Herausgabe des hälftigen Werts des erworbenen Vermögens wären die Insolvenzgläubiger endgültig ausgeschlossen. Eine Nachtragsverteilung ist in diesen Fällen nicht vorgesehen. Die Verwertung nimmt trotz aller Anstrengungen häufig längere Zeit in Anspruch. Es wäre unbillig, dem Schuldner, dessen hinreichende Bemühungen um eine Verwertung des Nachlasses noch nicht zum Abschluss gelangt sind, die Restschuldbefreiung zu versagen, nur weil die Laufzeit der Abtretungserklärung beendet ist. Eine durch übermäßigen Zeitdruck bedingte Verschleuderung des erworbenen Vermögens liegt nicht im Interesse der Insolvenzgläubiger.

     

    Nach Auffassung des BGH muss der Schuldner seine Bemühungen um die Verwertung des Nachlasses darlegen und beweisen. Sollte sich die Verwertung als undurchführbar erweisen, kann die Restschuldbefreiung nicht wegen einer schuldhaften Obliegenheitsverletzung versagt werden.

     

    Quelle: Ausgabe 06 / 2013 | Seite 92 | ID 39064480