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  • · Fachbeitrag · Insolvenzrecht

    Aufhebung der Erbeinsetzung kann insolvenzrechtlich nicht angefochten werden

    von RiOLG Dr. Andreas Möller, Hamm

    Die Mitwirkung des vertraglich eingesetzten Erben an der Aufhebung seiner Erbeinsetzung ist höchstpersönlich und kann nicht angefochten werden (BGH 20.12.12, IX ZR 56/12, ZIP 13, 272, Abruf-Nr. 130304).

    Sachverhalt

    Die Schuldnerin S erklärte sich bereit, die über 80-jährige Erblasserin E bei sich aufzunehmen und zu pflegen. In Anerkennung dieser Pflegeleistung setzte E die S 2003 in einem notariellen Vertrag zur Erbin und die Tochter der S, die Beklagte B, zur Ersatzerbin ein. 2005 hoben die Vertragsparteien durch notariellen Vertrag die Erbeinsetzung der S auf. E setzte S zur alleinigen, nicht befreiten Vorerbin ein und berief B zur Nacherbin und Ersatzerbin.

     

    2006 wurde über das Vermögen der S das Insolvenzverfahren eröffnet. 2009 verstarb E. Der Kläger K focht den zweiten Erbvertrag gegenüber B an. Mit der Klage will er erreichen, dass B ihre Rechte aus dem zweiten Erbvertrag auf ihn überträgt. Das LG gab der Klage statt, das OLG hat auf die Berufung der B das Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen.

    Entscheidungsgründe

    Die Revision des K führt nicht zum Erfolg. K kann die im zweiten Erbvertrag vereinbarte Aufhebung der im ersten Vertrag erfolgten Erbeinsetzung der S nicht nach § 133 InsO anfechten. Auch kann er sich nicht gegen die Mitwirkung der S am zweiten Erbvertrag oder die Erbeinsetzung der B wenden.

    Wegen der Bindungswirkung des ersten Erbvertrags konnte B die Rechtsstellung als Nacherbin nur im Einvernehmen mit S und E erlangen, § 2290 Abs. 1 S. 1, § 2291 Abs. S. 1 BGB. Die Aufhebung der Erbeinsetzung unterfällt als höchstpersönliche Entscheidung der S nicht der Insolvenzanfechtung.

     

    Grundsätze für den erbrechtlichen Erwerb im Insolvenzverfahren

    Für den erbrechtlichen Erwerb im Insolvenzverfahren gelten nach der Rechtsprechung des BGH folgende Grundsätze:

     

    • Wird der Schuldner vor oder während des Insolvenzverfahrens Erbe, fällt der Nachlass vorläufig in die Masse (§ 1922 Abs. 1 BGB, § 35 Abs. 1 InsO).

     

    • Hat der Erbe die Erbschaft angenommen, kann er sie gemäß § 1943 BGB nicht mehr ausschlagen, sondern es tritt Vollerwerb ein. Ab diesem Zeitpunkt ist der Nachlass Bestandteil der Insolvenzmasse, sofern nicht eine Trennung der Vermögensmassen durch Insolvenzverwalter, Erben oder Nachlassgläubiger herbeigeführt wird (BGH FamRZ 06, 1111).
    • Die Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft steht wegen ihrer höchstpersönlichen Natur (BGH EE 11, 94) ausschließlich dem Schuldner zu, § 83 Abs. 1 InsO. Die wirksame Ausschlagung beseitigt den Anfall der Erbschaft von Anfang an, § 1953 Abs. 1 BGB. Der Erbe begeht keine Obliegenheitsverletzung nach § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO, wenn er die ihm in der Wohlverhaltensperiode angefallene Erbschaft ausschlägt (BGH, a.a.O.).

     

    • Auch der Erbverzicht gemäß §§ 2346 ff. BGB ist nicht anfechtbar. Denn der Verzichtende gibt nur die Aussicht auf ein künftiges Erbrecht auf.

     

    • Beim Vermächtnisnehmer gilt Vergleichbares: Seine Forderung kommt mit dem Erbfall zur Entstehung (§ 2176 BGB) und fällt in die Masse. Der Vermächtnisnehmer kann das Vermächtnis nach § 2180 Abs. 2 S. 1 BGB annehmen oder ausschlagen. Auch dieses Recht ist höchstpersönlich und steht in seiner Insolvenz allein dem Schuldner zu, § 83 Abs. 1 InsO. Die Ausschlagung des Vermächtnisses ist ebenso wenig anfechtbar wie der Verzicht darauf. Ausschlagung und Verzicht stellen hier folgerichtig keine Obliegenheitsverletzung nach § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO dar (BGH ZEV 09, 469).

     

    • Auch der Pflichtteilsanspruch entsteht mit dem Erbfall, § 2317 Abs. 1, § 1922 Abs. 1 BGB. Von diesem Zeitpunkt an gehört er zum Vermögen des Pflichtteilsberechtigten. Vor Anerkennung des Pflichtteilsanspruchs durch den Erben oder der Rechtshängigkeit des Anspruchs können die Gläubiger des Pflichtteilsberechtigten den in seiner zwangsweisen Verwertbarkeit aufschiebend bedingten Pflichtteilsanspruch nur pfänden, nicht jedoch auf sich überweisen lassen, § 852 Abs. 1 ZPO, § 35 Abs. 1, § 36 Abs. 1 InsO (BGH EE 11, 21). Wegen der familiären Verbundenheit zwischen Erblasser und Pflichtteilsberechtigtem ist allein Letzterem die Entscheidung darüber vorbehalten, ob der Anspruch gegenüber dem Erben durchgesetzt werden soll. Das persönliche Entscheidungsrecht des Schuldners darf nicht durch die Anfechtungsvorschriften unterlaufen werden (BGH FamRZ 97, 1001). Der Verzicht auf eine Geltendmachung in der Wohlverhaltensphase stellt keine Obliegenheitsverletzung des Schuldners dar (BGH FamRZ 09, 1486).

     

    Geltung der Grundsätze nach Aufhebung eines Erbvertrags

    Auch die Zustimmung der S zur Aufhebung ihrer erbvertraglichen Einsetzung als Erbin ist höchstpersönlicher Natur, die nicht durch den anfechtungsrechtlichen Rückgewähranspruch (§ 143 Abs. 1 InsO) unterlaufen werden darf.

     

    Durch den zweiten Erbvertrag hat S auf ihre unbeschränkte Erbeinsetzung verzichtet und sich zur nicht befreiten Vorerbin nach §§ 2112 ff. BGB einsetzen lassen. Als solche ist sie nach dem Erbfall Inhaberin des Nachlasses und kann über die zur Erbschaft gehörenden Gegenstände verfügen. Gemäß § 2115 S. 1 BGB ist eine Verfügung über einen Erbschaftsgegenstand, die im Wege der Zwangsvollstreckung, der Arrestvollziehung oder durch den Insolvenzverwalter erfolgt, bei Eintritt der Nacherbfolge insoweit unwirksam, als sie das Recht des Nacherben vereiteln oder beeinträchtigen würde.

     

    K kann den zweiten Erbvertrag oder die Mitwirkung der S an ihm nicht anfechten. Dies würde auch für einen Erbverzicht nach § 2346 BGB gelten.

    Eine Besonderheit besteht darin, dass S als Vertragserbin anders als der gesetzliche oder testamentarische Erbe eine geschützte Rechtsposition hatte. E konnte ihr die Erbenstellung ohne ihr Mitwirken nicht mehr entziehen. Auch beim Erbverzicht gibt der Verzichtende sein Pflichtteilsrecht auf, das der Erblasser ihm nicht ohne Weiteres entziehen könnte. Es ist anerkannt, dass der Verzicht des Pflichtteilsberechtigten auf die Geltendmachung seines Pflichtteils als höchstpersönliches Recht nicht anfechtbar ist. Die Stellung des Vertragserben, der nach § 2290 Abs. 1 BGB an der Aufhebung seiner Erbeinsetzung mitwirkt, unterscheidet sich nicht wesentlich von dem Erben, der die Erbschaft ausschlägt oder auf die Erbschaft verzichtet.

     

    Ebenso wenig bestehen wesentliche Unterschiede zu dem Vermächtnisnehmer, der das Vermächtnis ausschlägt und dem Pflichtteilsberechtigten, der seinen Anspruch gegen den Erben nicht geltend macht. Ein solcher Vertragserbe ist deswegen nicht anders zu behandeln. Auch er trifft mit der Mitwirkung an dem Aufhebungsvertrag nach § 2290 Abs. 1 BGB eine höchstpersönliche Entscheidung, ob und inwieweit er Erbe sein will.

    Praxishinweis

    § 773 S. 1 ZPO sichert § 2115 S. 1 BGB vollstreckungsrechtlich ab. Wird über einen Erbschaftsgegenstand, der der Nacherbfolge unterliegt, durch Zwangsvollstreckung oder sonst im Sinne von § 2115 S. 1 BGB verfügt (Zwangsverfügung), wird die Verfügung bei Eintritt der Nacherbfolge ganz oder teilweise unwirksam, sofern und soweit sie das Recht des (oder der) Nacherben beeinträchtigen würde. Gemäß § 773 S. 1 ZPO darf ein solcher Gegenstand im Rahmen der Zwangsvollstreckung nicht veräußert oder überwiesen werden, wenn diese Verfügung im Nacherbfall unwirksam würde. § 83 Abs. 2 InsO untersagt dem Insolvenzverwalter die Veräußerung. Er kann nur die Erbschaftsnutzungen verwerten (MüKo/Grunsky, BGB, 5. Aufl., § 2115 Rn. 3, 8).

     

    Der Nacherbe kann seine Rechte mit der Widerspruchsklage nach § 771 ZPO wahren, § 773 S. 2 ZPO. § 773 S. 1 ZPO verbietet jedoch nicht allgemein die Zwangsvollstreckung in das der Nacherbfolge unterliegende Erbschaftsvermögen. Die Vorschrift verbietet für Grundstücke nur die Veräußerung.

     

    Im Übrigen steht das Erbschaftsvermögen, das bis zum Nacherbfall ausschließlich dem Vorerben als dem derzeitigen Alleinerben zusteht, dem Zugriff seiner Gläubiger im Wege der Zwangsvollstreckung ebenso offen wie sein Eigenvermögen. Zulässig sind zum Beispiel:

     

    • Pfändung,
    • Eintragung einer Sicherungshypothek,
    • Anordnung der Zwangsversteigerung oder
    • Anordnung der Zwangsverwaltung.

     

    Weiterführender Hinweis

    • EE 10, 50: Während der Wohlverhaltensperiode muss kein Pflichtteilsanspruch geltend gemacht werden
    Quelle: Ausgabe 03 / 2013 | Seite 44 | ID 37898940