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  • · Fachbeitrag · Grundbuchrecht

    Löschung eines Nacherbenvermerks

    von RiOLG Dr. Andreas Möller, Hamm

    • 1. Ein Nacherbenvermerk ist zu löschen, wenn dem Grundbuchamt nachgewiesen wird, dass das Grundstück aufgrund einer mit Zustimmung des Nacherben vorgenommenen Verfügung des Vorerben aus dem Nachlass ausgeschieden ist.
    • 2. Ist der Nacherbe unbekannt, bedarf die Verfügung der Zustimmung eines für ihn bestellten Pflegers. Ein nur abstrakt bestimmter Nacherbe ist im Zweifel ebenso bekannt wie ein namentlich bezeichneter Erbe, wenn feststeht, wer die abstrakte Bestimmung erfüllt und sich daran bis zum Nacherbfall außer durch den Tod der bestimmten Person nichts mehr ändern kann.
     

    Sachverhalt

    Dem Erben E (ASt 1) wurde ein Erbschein erteilt, der ihn als nicht befreiten Vorerben seines Vaters V ausweist. Er wurde in den Grundbüchern eingetragen. Zugleich erfolgte in Abt. II die Eintragung eines Nacherbenvermerks. Danach ist Nacherbe, wer nach § 49 der Erb- und Brudereinigung der Fürstlich- und Gräflich Solmsischen Häuser vom 18.3.1915 (im Folgenden: Erbeinigung) als Erbe des E berufen ist. Danach vererbt sich das Stammgut im Mannesstamme des besitzenden Hauses nach dem Recht der Erstgeburt und der agnatischen Linearfolge. Später übertrug E den Grundbesitz auf seinen Sohn S (ASt 2), der in das Grundbuch eingetragen wurde. E und S haben die Löschung der Nacherbenvermerke beantragt. Das Grundbuchamt (GBA) hat diese davon abhängig gemacht, dass ein für die unbekannten Nacherben zu bestellender Pfleger der Übertragung zustimmt und dies betreuungsgerichtlich genehmigt wird. Die dagegen von beiden eingelegten Beschwerden blieben erfolglos. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgen sie den Löschungsantrag weiter.

     

     

    Entscheidungsgründe

    E und S begehren die Löschung des Nacherbenvermerks wegen Unrichtigkeit des Grundbuchs, da der Grundbesitz mit Wirkung gegenüber dem Nacherben aus dem Nachlass ausgeschieden sei. Wenn ein nicht befreiter Vorerbe (E) über ein zum Nachlass gehörendes Grundstück verfügt, scheidet es aus dem Nachlass aus, wenn alle Nacherben, auch bedingt eingesetzte, dem Verfügungsgeschäft zustimmen. Einer Zustimmung etwaiger vom Erblasser bestimmter Ersatznacherben, die nur für den Fall des Wegfalls des Nacherben eingesetzt sind (§ 2096 BGB), bedarf es hingegen nicht (BGHZ 40, 115, 119; BayObLG DNotZ 93, 404, 406; MüKo/Grunsky, BGB, 6. Aufl., § 2102 Rn. 12). Das gilt auch, wenn die Verfügung des Vorerben - wie hier - in der Übertragung des Grundstücks auf den Nacherben selbst besteht (BayObLG NJW-RR 05, 956 = FamRZ 05, 1862; Demharter, GBO, 29. Aufl., § 51 Rn. 42).

     

    Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts ist der Nacherbe nicht unbekannt. Nur wenn er unbekannt ist, bedarf es der Zustimmung eines für ihn bestellten Pflegers und einer betreuungsgerichtlichen Genehmigung, § 1913 S. 2, § 1915 Abs. 1 S. 1 und 3, § 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Ein Nacherbe ist nicht unbekannt, weil ungewiss ist, ob er den Nacherbfall erleben, also den Vorerben überleben wird, vgl. § 2108 Abs. 2 S. 1 BGB. Ein Nacherbe ist auch bekannt, wenn dieser in der letztwilligen Verfügung nur abstrakt bestimmt worden ist (z.B. erstgeborenes Kind) und feststeht, wer die abstrakte Bestimmung erfüllt und sich daran bis zum Nacherbfall außer durch den Tod der bestimmten Person nichts mehr ändern kann (vgl. Soergel/Zimmermann, BGB, 13. Aufl., § 1913 Rn. 3). Unbekannt ist ein Nacherbe hingegen, wenn er bzw. der Kreis der Nacherben erst im Zeitpunkt des Eintritts des Nacherbfalls bestimmt werden kann (BayObLG FamRZ 01, 1561, 1562) oder wenn er nur für den Fall als Nacherbe berufen sein soll, dass er den Vorerben überlebt (vgl. RG WarnR 10 [1917], 434, 436; siehe aber Kanzleiter, DNotZ 70, 326, 332 f.).

     

    Dass der S bekannter Nacherbe ist und daher dem Verfügungsgeschäft des Vorerbens wirksam zustimmen konnte, ist grundsätzlich durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachzuweisen, § 22 Abs. 1 S. 1, § 29 GBO. Entbehrlich ist ein solcher Nachweis allerdings bei sog. gerichtskundigen Tatsachen, zu denen insbesondere das aus dem Grundbuch Ersichtliche, wie der hier in Abt. II eingetragene Nacherbenvermerk, gehört.

     

    Wer Nacherbe ist, kann das Rechtsbeschwerdegericht selbstständig auslegen. Der Wortlaut von § 49 der Erbeinigung ist nicht eindeutig. Nächstliegend ist die Annahme, dass die Bezugnahme der Erbeinigung der abstrakten Bestimmung des Nacherben dienen und in gleicher Weise wirken soll wie etwa die Einsetzung des „erstgeborenen Kindes“. Wer nach § 49 der Erbeinigung als Erbe des E berufen ist, lässt sich in der gleichen Weise individualisieren. Sobald der E einen männlichen Nachkommen aus einer von der Erbeinigung anerkannten Verbindung hat, ist dieser der nach dem Recht der Erstgeburt und der agnatischen Linearfolge bestimmte Erbe des E. Hieran kann sich nichts mehr ändern. Denn dieser Nachkomme ist und bleibt der erstgeborene Sohn des E. § 49 Erbeinigung ordnet eine Vererbung nach dem Recht der Erstgeburt und der agnatischen Linearfolge an. Das Vermögen soll stets dem erstgeborenen männlichen Nachkommen zufallen und dessen erstgeborener männlicher Nachkomme wird der Nacherbe. Dass der danach als Nacherbe Berufene den Nacherbfall möglicherweise nicht erlebt, stellt das Prinzip nicht in Frage. Denn unter der Geltung der Erbeinigung kann sein Erbe wiederum nur sein erstgeborener Sohn werden. Gibt es einen solchen nicht, kommt wegen der Anordnung der agnatischen Linearfolge der nächste männliche Stamm zum Zuge.

     

    Es kann nicht angenommen werden, dass § 49 der Erbeinigung dem erstgeborenen Sohn des Familienoberhaupts die Rechte, die einem Nacherben vor dem Eintritt des Nacherbfalls zustehen, entziehen und stattdessen einem gerichtlich bestellten Pfleger übertragen will. Das aber wäre die Konsequenz, wenn zum Nacherben nur ein im Zeitpunkt des Nacherbfalls noch lebender Nachkomme des Erblassers berufen ist. Verfügungen über das Grundvermögen müssten unterbleiben oder bedürften der Zustimmung familienfremder Dritter (Pfleger und Betreuungsgericht). Eine solche Beschränkung des Familienoberhaupts liegt insbesondere bei einem Adelsgeschlecht fern. Nächstliegend ist vielmehr die Annahme, dass Entscheidungen über Grundstücksverfügungen in der Familie bleiben und mit Zustimmung des (voraussichtlich) künftigen Familienoberhaupts möglich sein sollen.

     

    Für den Nachweis der Unrichtigkeit des Nacherbenvermerks aufgrund einer Übertragung der in den Nachlass fallenden Grundstücke an den Nacherben reicht es daher aus, dass S belegt (§ 29 GBO), dass er die in § 49 der Erbeinigung enthaltenen Kriterien erfüllt. Dass er der erstgeborene Sohn des E ist, kann er ggf. durch eidesstattliche Versicherung belegen (OLG Frankfurt a.M. OLGZ 85, 411, 412 = Rpfleger 86, 51).

     

    Praxishinweis

    Im grundbuchrechtlichen Antragsverfahren folgt die Beschwerdeberechtigung nicht schon daraus, dass das GBA eine Zwischenverfügung formell (auch) gegenüber dem jeweiligen Beschwerdeführer erlassen hat. Hinzukommen muss vielmehr, dass er gemäß § 13 Abs. 1 S. 2 GBO antragsberechtigt ist. Bei der vorliegenden Berichtigung des Grundbuchs gemäß § 22 GBO, ist antragsberechtigt derjenige, dessen Recht nicht oder nicht richtig eingetragen ist und derjenige, der zu Unrecht eingetragen ist, also der Buchberechtigte, der sein Buchrecht letztlich unmittelbar durch die berichtigende Eintragung verliert. Der E ist nicht beschwerdeberechtigt. Der im Grundbuch eingetragene Nacherbenvermerk betrifft seine dingliche Rechtsposition nicht, da er das Grundstückseigentum auf den S übertragen hat und es zu einer Unwirksamkeit der Übertragung nach § 2113 BGB erst mit dem Eintritt des Nacherbfalls kommen kann. Das rechtliche Interesse des E, dass die von ihm mit dem S getroffenen schuldrechtlichen Vereinbarungen, die neben der Übertragung der Grundstücke auch auf eine Löschung der Nacherbenvermerke abzielen, uneingeschränkt vollzogen werden, reicht nicht aus, um eine Antragsberechtigung nach § 13 Abs. 1 S. 2 GBO und die daraus abzuleitende Beschwerdeberechtigung zu begründen (OLG Hamm FGPrax 95, 14).

     

    Weiterführender Hinweis

    • Die Erbeinigung ist veröffentlicht im Hessischen Regierungsblatt 1915, S. 71 
    Quelle: Ausgabe 07 / 2014 | Seite 110 | ID 42737983