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  • · Fachbeitrag · Gesellschaftsrecht

    Unzumutbare Abfindungsvereinbarung mit minderjährigem Erben nicht genehmigungsfähig

    von RA Dr. Stephan Arens, Bonn/Koblenz

    Das Kind hat als Gesamtrechtsnachfolger seiner Mutter einen Anspruch auf Vertragsanpassung gegenüber den übrigen Gesellschaftern, wenn sich die Differenz zwischen dem Buchwertanteil der Erblasserin und ihrem Ertragswertanteil zum Todeszeitpunkt dermaßen vergrößert hat, dass ein Festhalten an der Abfindungsbeschränkung durch die gesellschaftsvertragliche Buchwertklausel nicht mehr zumutbar ist. Die Genehmigung für eine auf dem Buchwert beruhende Abfindungsvereinbarung ist dann zu versagen (OLG Bremen 13.3.13, 4 UF 7/12, ZEV 13, 460, Abruf-Nr. 132939).

     

    Sachverhalt

    Der Vater V beantragt die familiengerichtliche Genehmigung von Rechtsgeschäften, die er für seine minderjährige Tochter T aufgrund der Unternehmensbeteiligung ihrer verstorbenen Mutter M und der auf sie als Miterbin übergegangenen Rechte getätigt hat. M war im Todeszeitpunkt mit einer Kommanditeinlage von 104.000 EUR an der B. GmbH & Co. KG und mit einem Geschäftsanteil im Nennbetrag von 6.500 EUR an der B. Verwaltungs-GmbH (Komplementärgesellschaft) beteiligt. § 14 Ziffer IV des Gesellschaftsvertrags der GmbH & Co. KG sieht vor, dass nach dem Tod eines Kommanditisten dessen Erben aus der Gesellschaft ausscheiden und nach § 12 des Gesellschaftsvertrags abgefunden werden. Die Abfindungsregelung enthält folgenden Text: „Die Auseinandersetzungsbilanz ist nach den gleichen Grundsätzen zu erstellen, nach denen der Jahresabschluss gemäß § 7 errichtet wird. Eine Auflösung etwa vorhandener stiller Reserven findet nicht statt; ein Firmenwert ist nicht zu berücksichtigen. Das Auseinandersetzungsguthaben des ausscheidenden Gesellschafters ist die Summe oder der Saldo aus seinem Kapitalkonto I und seinen sonstigen Konten, die positives oder negatives Eigenkapital sind (...). Die Gesellschafter bekunden mit Nachdruck ihren Entschluss, dass ein ausscheidender Gesellschafter nur die vereinbarte Buchwertabfindung erhalten soll (…).“

     

    V hat die familiengerichtliche Genehmigung der Anmeldung des Ausscheidens der M unter Fortführung der GmbH & Co. KG zur Eintragung in das Handelsregister und der Abfindungsvereinbarung betreffend die Kommanditeinlagen an der GmbH & Co. KG auf Grundlage der gesellschaftsvertraglichen Regelungen beantragt. Die für das betroffene Kind bestellte Ergänzungspflegerin hat der Genehmigung der Rechtsgeschäfte widersprochen. Das AG hat den Antrag auf familiengerichtliche Genehmigung zurückgewiesen. Die Beschwerde hiergegen hat in der Sache keinen Erfolg gehabt.

     

    Entscheidungsgründe

    Die von V beantragte Genehmigung ist zu Recht abgelehnt worden. Maßstab für eine Genehmigung nach § 1643 Abs. 1, § 1822 Nr. 3 BGB ist das nach pflichtgemäßem Ermessen zu berücksichtigende Kindeswohl.

     

    Für die Frage der Genehmigungsfähigkeit der Abfindungsvereinbarung ist entscheidend, ob der Abfindungsanspruch des Kindes der Höhe nach der tatsächlich geschuldeten Abfindung entspricht. Vorliegend steht durch Sachverständigengutachten fest, dass die in der genehmigungspflichtigen Abfindungsvereinbarung vorgesehene Abfindung fehlerhaft berechnet wurde. Zudem muss T sich nicht mehr auf die Abfindungsbeschränkung des Gesellschaftsvertrags verweisen lassen, da zum Todeszeitpunkt der M die Differenz zwischen dem als Abfindung vertraglich geschuldeten Buchwert und dem wirklichen Wert des Anteils am Unternehmen so groß war, dass ein Festhalten an der Abfindungsbeschränkung unzumutbar wäre. Nach dem Sachverständigengutachten geht das Gericht davon aus, dass die Buchwertklausel nicht bereits bei ihrer Vereinbarung unwirksam war. Infolge der bis zum Todestag der M eingetretenen Auseinanderentwicklung zwischen Buchwert und Ertragswert ist nach Treu und Glauben und der Treuepflicht der Gesellschafter eine Anpassung der Abfindungsregelung angezeigt. Die minderjährige T kann sie von den übrigen Gesellschaftern verlangen.

     

    Praxishinweis

    Grundsätzlich kann die gesetzliche Abfindungsregelung derart abbedungen werden, dass gesellschaftsvertraglich eine Abfindung nach dem Buchwert vereinbart wird. Nicht jede Buchwertklausel ist von Anfang an nichtig. Zu unterscheiden sind eine Unwirksamkeit der Klausel bereits bei Abschluss des Gesellschaftsvertrags und eine „schleichende Unwirksamkeit“:

     

    • Unwirksamkeit von Anfang an: Aus § 161 Abs. 2, § 105 Abs. 3 HGB, § 723 Abs. 3 BGB ergibt sich, dass eine Beschränkung der Abfindung auf den Buchwert unwirksam ist, wenn die Vereinbarung aufgrund wirtschaftlich nachteiliger Folgen, die Kündigungsfreiheit des Gesellschafters unvertretbar einengt (z.B. wegen eines erheblichen Missverhältnisses zwischen Buchwert und wirklichem Wert). Feste Prozentsätze gibt es insoweit nicht. Vorliegend war die Abfindungsvereinbarung bei Gründung der Gesellschaft beschränkt auf den Buchwert wirksam. Zu diesem Zeitpunkt betrug der gutachterlich festgestellt wirkliche Wert des Unternehmens 275.500 EUR. Der Buchwert des Anteils betrug 190.000 EUR, sodass der Ertragswertanteil den Buchwertanteil um 45 Prozent überstieg.

     

    • Schleichende Unwirksamkeit: Durch Zeitablauf können der vereinbarte Abfindungs- und der tatsächliche Anteilswert weit auseinanderfallen. Dann kann dem betroffenen Gesellschafter das Festhalten an dem Vertrag nicht mehr zugemutet werden. Dies hängt nicht allein vom Ausmaß des zwischen dem Buchwert und dem wirklichen Wert entstandenen Missverhältnisses, sondern von den Einzelfallumständen ab (Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 35. Aufl., § 131 Rn. 64). Außer dem Verhältnis zwischen den genannten Werten gehören hierzu auch die Dauer der Mitgliedschaft des Ausgeschiedenen in der Gesellschaft, sein Anteil am Aufbau und am Erfolg des Unternehmens und der Anlass des Ausscheidens. Ist danach eine Korrektur nötig, kann sie in der Regel nicht in der Abfindungsbemessung nach dem vollen Verkehrswert bestehen. Im Fall betrug der Buchwertanteil der M an ihrem Todestag 312.000 EUR und ihr Ertragswertanteil 695.000 EUR. Der Ertragswertanteil beträgt rund 222 Prozent des Buchwertanteils.

     

    Die Anpassung des Abfindungsguthabens kann im gesellschaftsrechtlichen Streit um das Auseinandersetzungsguthaben vom Gericht vorgenommen werden. Nicht zu klären ist die Frage im Genehmigungsverfahren. Allerdings sieht das Gericht eine noch vorzunehmende Anpassung der Abfindung des betroffenen Kindes als genehmigungsfähig an, wenn durch sie die Hälfte der Differenz zwischen Buch- und Ertragswert zu dem Buchwertanteil hinzukäme (BGHZ 123, 281). Zwar können die Klauseln grundsätzlich wirksam zum Vertragsgegenstand gemacht werden, später aber unwirksam werden mit der Folge einer gerichtlichen Korrektur. Sobald sich Minderjährige an einer Gesellschaft beteiligen wollen/bereits Gesellschafter sind, sind umfangreiche Genehmigungspflichten zu beachten. Diese liegen in folgenden Fällen vor:

     

    Checkliste / Genehmigungspflichten

    • Abschluss eines Gesellschaftsvertrags, der zum Betrieb eines Erwerbsgeschäfts führt: Eine Genehmigungspflicht besteht unabhängig davon, ob es sich um eine GbR, eine oHG, eine KG oder die Gründung von Kapitalgesellschaften (GmbH, AG) handelt. Genehmigungspflichtig ist auch die Beteiligung an einer KG als Kommanditist (§ 1822 Nr. 3 BGB).

     

    • Änderung des Gesellschaftsvertrags einer Personengesellschaft: Das Bestehen einer Genehmigungspflicht ist umstritten. Der BGH hat dies für den Fall des Ausscheidens/des Eintritts eines anderen Gesellschafters verneint, wenn die Änderung in Rechte/Pflichten des Minderjährigen eingreift (NJW 62, 2344; NJW 68, 1471). Wegen des Schutzbedürfnisses des Vertretenen und der Schwierigkeit der Unterscheidung zwischen Änderung und Neuabschluss vertritt die Literatur die Ansicht, dass die Änderung von Gesellschaftsverträgen einer Personengesellschaft, an der ein Minderjähriger beteiligt ist, der Genehmigung bedürfe, § 1822 Nr. 3 BGB (MüKo/Wagenitz, BGB, 6. Aufl., § 1822 Rn. 28).

     

    • Satzungsänderung bei einer Kapitalgesellschaft: Der Genehmigungstatbestand des § 1822 Nr. 3 BGB (Gesellschaftsvertrag) wird verneint.

     

    • Erteilung einer Prokura: Sie ist an sich gemäß § 1822 Nr. 11 BGB genehmigungsbedürftig. Allerdings ist anerkannt, dass die Erteilung der Prokura nicht genehmigungsbedürftig ist, wenn diese für eine Handelsgesellschaft (OHG, KG) bzw. eine GmbH erteilt wird, an welcher der Mündel beteiligt ist (Palandt/Diederichsen, BGB, 72. Aufl., § 1822 Rn. 22).

     

    • Umwandlungen: Beschlüsse über Umwandlungsmaßnahmen nach dem UmwG können im Einzelfall die Genehmigungstatbestände des § 1822 Nr. 3 und 10 BGB auslösen (Wachter, Fachanwaltshandbuch Handels- und Gesellschaftsrecht, 2010, 2. Teil, 11. Kapitel Rn. 71).
     

    Wichtig | Aufgrund bestehender Unklarheiten empfiehlt es sich, die Genehmigung in Zweifelsfällen vorsorglich einzuholen.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Arens, EE 13, 106: Einzelheiten zur Gründung eines Familienpools (mit Gestaltungsempfehlungen für Abfindungsklauseln)

     

    Quelle: Ausgabe 10 / 2013 | Seite 167 | ID 40338080