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  • · Fachbeitrag · Geschäftswert

    Geschäftswert bei Pflichtteilsverzicht gegenüber dem Erstversterbenden von zwei Erblassern

    | Im Rahmen der Rechtsbeschwerde eines Notars auf Anweisung der Präsidentin des LG hatte sich der BGH mit dem Geschäftswert der Beurkundung eines Pflichtteilsverzichts gegenüber dem Erstversterbenden von zwei Erblassern zu befassen. Der BGH hat die dabei maßgebliche, bisher streitige Rechtsfrage dahin gehend entschieden, dass sich der Geschäftswert nach dem Vermögen beider Erblasser bemisst. |

     

    Sachverhalt

    Der Kostengläubiger (im Folgenden: Notar) beurkundete einen Pflichtteilsverzicht der Kinder der Kostenschuldner. Diese verzichteten gegenüber dem Erstversterbenden ihrer Eltern auf ihr Pflichtteilsrecht einschließlich Pflichtteilsergänzungsansprüchen ausschließlich zugunsten des länger lebenden Elternteils; der Verzicht wurde angenommen.

     

    In seiner Kostenrechnung erhob der Notar die Gebühren für die Beurkundung und den Vollzug des Geschäfts aus einem Geschäftswert, dem das Vermögen nur eines Elternteils zugrunde lag. Die Notarkasse hat die Auffassung vertreten, dass für den Wert des Pflichtteilsverzichts das Vermögen beider Ehegatten zu berücksichtigen sei. Auf Anweisung der Präsidentin des LG hat der Notar eine gerichtliche Entscheidung über die Kostenrechnung verlangt. Das LG hat die Kostenrechnung unter Berücksichtigung des Vermögens beider Ehegatten festgesetzt. Auf die hiergegen eingelegte Beschwerde des Notars hat das OLG den Beschluss des LG aufgehoben und die Kostenrechnung des Notars bestätigt. Gegen diese Entscheidung richtet sich die auf Anweisung der Präsidentin des LG eingelegte Rechtsbeschwerde des Notars, die zur Aufhebung des OLG-Beschlusses durch den BGH geführt hat.

     

    Entscheidungsgründe

    Der BGH (11.10.23, IV ZB 2622, Abruf-Nr. 238207) ist der Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, nach der das Vermögen beider Ehegatten zugrunde zu legen ist (vgl. OLG Düsseldorf JurBüro 19, 35; LG Arnsberg ZEV 22, 604), gefolgt. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, dass es sich um zwei selbstständige Pflichtteilsverzichtsverträge mit beiden Erblassern handele. Bei den beurkundeten Pflichtteilsverzichtsverträgen handele es sich in diesem Sinne um mehrere Beurkundungsgegenstände, da sie sich auf mehrere Rechtsverhältnisse, die Pflichtteilsrechte der Kinder nach beiden Elternteilen, beziehen. Die Pflichtteilsverzichte seien durch den Tod des jeweils anderen Erblassers auflösend bedingt. Das Beschwerdegericht sei jedoch zu Unrecht davon ausgegangen, dass deswegen nur einer der beiden Verzichte wirksam werde und die Kinder letztlich nur auf ein Pflichtteilsrecht verzichteten. Das Pflichtteilsrecht als durch die Beurkundung gestaltetes Rechtsverhältnis sei nicht der zukünftige Pflichtteilsanspruch auf Zahlung gegen den Erben, der erst mit dem Erbfall gemäß § 2317 Abs. 1 BGB entsteht. Pflichtteilsrecht und Pflichtteilsanspruch seien voneinander zu unterscheiden.

     

    Das Pflichtteilsrecht sei ein Rechtsverhältnis, das schon zu Lebzeiten des Erblassers bestehe, rechtliche Wirkungen äußere und gerichtlich festgestellt werden könne. Die Verzichtsverträge mit beiden Elternteilen hätten daher von der Beurkundung an rechtliche Wirkungen für mehrere Rechtsverhältnisse, die sich nicht darin erschöpften, dass zukünftig nur einer der Pflichtteilsansprüche nicht entstehen werde. Verträge unter den künftigen gesetzlichen Erben über den Pflichtteil eines von ihnen im Sinne von § 311b Abs. 5 BGB hätten die Veränderung dieser Rechtsverhältnisse zu berücksichtigen. Für die künftigen Erblasser bedeute die Beurkundung, dass von ihren letztwilligen Verfügungen abhängt, ob die vereinbarten Pflichtteilsverzichte wirkten oder nicht, da der Verzicht nur zugunsten des anderen Elternteils erklärt worden sei. Die Wirkung der Verzichtsverträge erschöpfe sich daher nicht darin, nur einen der künftigen Pflichtteilsansprüche am Entstehen zu hindern.

     

    Relevanz für die Praxis

    Mit dieser Entscheidung ist der Meinungsstreit in Rechtsprechung und Literatur im Sinne der bisher wohl schon h. M. nunmehr höchstrichterlich entschieden. Die Entscheidung gibt Anlass, die Rechtsbehelfe im Notarkostenrecht aufzuzeigen. Die Kostenrechnung des Notars, § 19 GNotKG, können gerichtlich überprüfen lassen der Kostenschuldner, § 127 Abs. 1 S. 1 GNotKG, und der Notar, wenn der Kostenschuldner ihm gegenüber die Kostenrechnung beanstandet hat, § 127 Abs. 1 S. 2 GNotKG. Weiter gilt:

     

    • Zuständig zur Entscheidung ist ausschließlich das LG, in dem der Notar seinen Amtssitz hat, § 127 Abs. 1 S. 1 GNotKG.

     

    • Über den Antrag entscheidet grundsätzlich die Kammer. Nach § 128 Abs. 2 GNotKG kann die Kammer die Sache durch Beschluss auch einem ihrer Mitglieder als Einzelrichter übertragen.

     

    • Das Verfahren richtet sich nach dem FamFG, § 130 Abs. 3 GNotKG.

     

    • Gegen die Entscheidung des LG ist ohne Rücksicht auf den Wert des Beschwerdegegenstandes die Beschwerde zum OLG gegeben, § 129 Abs. 1 GNotKG.

     

    • Gegen die Entscheidung des OLG findet die Rechtsbeschwerde statt.

     

    • Für alle drei Rechtsbehelfe gilt:
      • Der Antrag auf Entscheidung des LG, die Beschwerde und die Rechtsbeschwerde haben keine aufschiebende Wirkung, § 130 Abs. 1 S. 1 GNotKG.

     

      • Das Gericht oder das Beschwerdegericht kann auf Antrag oder von Amts wegen die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen; ist nicht der Einzelrichter zur Entscheidung berufen, entscheidet der Vorsitzende des Gerichts, § 130 Abs. 1 S. 2 GNotKG.

     

      • Die dem Notar vorgesetzte Dienstbehörde (Präsident desjenigen LG, in dessen Bezirk der Notar seinen Amtssitz hat) kann diesen in jedem der drei Fälle anweisen, die Entscheidung des LG herbeizuführen, Beschwerde oder Rechtsbeschwerde zu erheben, § 130 Abs. 2 S. 1 GNotKG.
    Quelle: Ausgabe 01 / 2024 | Seite 2 | ID 49827598