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  • · Fachbeitrag · Kontovollmacht

    Vertrauen kann Auskunftsanspruch ausschließen

    von RA Ernst Sarres, FA Familienrecht und Erbrecht, Düsseldorf

    • 1. Hat sich eine Tochter vorrangig um ihre Mutter, die Erblasserin, gekümmert und wohnte sie in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft, ist von einem besonderen Vertrauensverhältnis auszugehen.
    • 2. Bestand ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen einer kontobevollmächtigten Miterbin und der Erblasserin und liegen keine Tatsachen vor, die zu Zweifeln an der Zuverlässigkeit der Bevollmächtigten und ihrer Geschäftsführung Anlass geben, liegt kein rechtsgeschäftlicher Auftrag vor, der die Beauftragte zu Auskunft und Rechenschaft über die Kontobewegungen verpflichtet.

    (OLG Köln 19.9.12, 16 U 196/11, ZEV 13, 339, Abruf-Nr. 132323)

     

    Sachverhalt

    Die Parteien sind Miterben nach der Erblasserin E. E hatte ihrer Tochter, der Beklagten B, eine Kontovollmacht erteilt. Der klagende Miterbe K verlangt von B Auskunft und Rechnungslegung mit der Begründung, zwischen E und B habe ein Auftragsverhältnis bestanden. Ansprüche hieraus seien auf die Erbengemeinschaft übergegangen. B hatte sich um E gekümmert. Sie hatte in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft gewohnt und war unstreitig neben den Pflegekräften für die Versorgung der E zuständig gewesen. Das LG verurteilte B zur Erteilung von Auskünften. Hiergegen hat B sich erfolgreich mit der Berufung gewandt.

     

    Entscheidungsgründe

    Es bestehen keine Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche. Weder aus § 666 BGB noch aus §§ 259, 242 BGB ergibt sich ein Anspruch. Ein auf die Erbengemeinschaft übergegangener Anspruch aus § 666 BGB scheitert daran, dass kein Auftragsverhältnis zwischen B und E bestand. Die Kontovollmacht der B begründet kein Auftragsverhältnis. Entscheidend sind objektive Kriterien, wonach sich die Parteien rechtsgeschäftlich binden wollten.

     

    Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Erteilung einer Vollmacht vielmehr aufgrund eines besonderen Vertrauens erfolgt ist. In einem besonderen Vertrauensverhältnis wird keine Auskunft oder Rechenschaft verlangt. Ein Anspruch setzt objektive Kriterien voraus, die den Rückschluss auf einen rechtsgeschäftlichen Bindungswillen zulassen. Ein Vertrauensverhältnis kann vorliegen bei einer Bevollmächtigung eines Ehegatten oder nichtehelichen Lebenspartners des Erblassers. B hatte die E gepflegt und in unmittelbarer Nachbarschaft gewohnt. K hat keine Anhaltspunkte für Zweifel an ihrer Zuverlässigkeit vorgetragen. Ein besonderes Vertrauensverhältnis bestand.

     

    Die Überlassung von 50.000 EUR an B im Jahr 2003 und ein sich 2006 anschließender Rechtsstreit, der durch ein Anerkenntnisurteil gegen B endete, rechtfertigen keine Zweifel an der Zuverlässigkeit der B. E hat trotz der bekannten Umstände daran festgehalten, dass sich B um sie kümmerte.

     

    K habe auch nicht vorgetragen, dass E misstrauisch geworden sei oder seitdem eine Rechenschaft verlangt habe. E hat der B vielmehr 2009 eine umfassende Vorsorgevollmacht erteilt und hiermit ihr weiterhin bestehendes Vertrauen zum Ausdruck gebracht. Gleiches gilt für die Zahlung der durch den seinerzeitigen Rechtsstreit angefallenen Kosten, die B am 13.9.07 vom Konto der E beglichen hat, was ein Kontoauszug transparent machte.

     

    Bedenken bestehen insoweit, als das LG das Auftragsverhältnis für die Zeit ab dem 17.6.09 darin gesehen hat, dass E eine Notarurkunde unterschrieben hat. Die in der Notarurkunde geregelte Generalvollmacht war erkennbar als Vorsorgevollmacht gedacht. Das ergibt sich aus der Überschrift und dem Vertragsinhalt. Im Innenverhältnis bestand die Regelung, dass erst im Vorsorgefall der umfassende Auftrag erteilt wird. Dass dieser Vorsorgefall bis zum Tod der E eingetreten ist, haben die Parteien nicht vorgetragen.

     

    Selbst wenn man von einer Auskunfts- oder Rechnungslegungspflicht der B ausginge, wäre diese erfüllt. Das abgehobene Bargeld wurde weitgehend zur Deckung des täglichen Lebensbedarfs ausgegeben, ebenso für zwei Pflegekräfte, die nicht durch die Pflegekasse bezahlt worden waren. Ferner hat B eine Aufstellung der „ungefähren“ Ausgaben vorgelegt. Es handelte sich um wiederkehrende Ausgaben der Haushaltsführung. Es kann kaum erwartet werden, über jede kleine Ausgabe Buch zu führen. Insofern ist es auch nicht zumutbar, B aufzuerlegen, Belege einzureichen.

     

    Auch ein Anspruch des K gegen B aus §§ 259, 242 BGB besteht nicht. Aus Treu und Glauben kann sich zwar immer eine Auskunftspflicht ergeben, wenn die Rechtsbeziehungen der Parteien Folgendes mit sich bringen: Der Berechtigte ist in entschuldbarer Weise über Bestehen oder Umfang eines Rechts im Ungewissen, und der Verpflichtete kann die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft leicht geben. In diesem Zusammenhang ist aber erforderlich, dass zwischen den Parteien eine Sonderverbindung besteht. Es reicht nicht aus, dass der eine über Informationen verfügt, die der andere benötigt. Zwischen den Miterben, um die es sich bei den Parteien handelt, bestand keine solche Sonderverbindung, die einen allgemeinen Auskunftsanspruch begründen konnte. Auch hier wären überdies etwaige Auskunftsansprüche erfüllt.

     

    Praxishinweis

    Die Entscheidung zeigt deutlich, dass sich eine informationsausschließende oder -begrenzende Vereinbarung zwischen Erblasser und bevollmächtigtem Abkömmling vorsorgend aufdrängt, um postmortale Auseinandersetzungen über Auskunftsfragen mit anderen erbberechtigten Personen auszuschließen. Hierdurch hätten sich im entschiedenen Fall langwierige Streitigkeiten zwischen späteren Miterben vermeiden lassen. Die Regel des § 666 BGB ist abdingbar. Es wäre alternativ sicher zu riskant, auf die Annahme eines Vertrauensverhältnisses zu bauen, das Informationspflichten innerhalb eines bestimmten Personenkreises nicht auslösen soll.

     

    Weiterführender Hinweis

    • EE 07, 137: Widersprüchliche Rechtsprechung zu Kontovollmacht und Auskunft
    Quelle: Ausgabe 08 / 2013 | Seite 128 | ID 40226290