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  • 24.02.2011 · IWW-Abrufnummer 110735

    Oberlandesgericht Frankfurt/Main: Beschluss vom 18.05.2010 – 20 W 138/10

    1. Das Grundbuchamt ist grundsätzlich zur Überprüfung der materiell-rechtlichen Richtigkeit eines Erbscheins nicht berechtigt.


    2. Eine Eintragung der Erbfolge kann nicht mittels Zwischenverfügung von der Vorlage eines berichtigten Erbscheins abhängig gemacht werden, weil das Grundbuchamt das dem Erbschein zu Grunde liegende Testament so auslegt, dass wirksam eine Nacherbfolge angeordnet sei, während der Erbschein keine Beschränkung der Erben durch Anordnung einer Nacherbschaft enthält.


    Tenor
    Die angefochtene Zwischenverfügung wird aufgehoben.

    Gründe
    Der derzeitig noch als Eigentümer des betroffenen Grundstücks eingetragene A ist am --.--.2008 ledig und kinderlos verstorben. Er hatte am 15.07.2001 ein privatschriftliches Testament errichtet, in dem er einzelne Vermögensgegenstände seiner Lebensgefährtin und seinen vier Geschwistern, den Antragstellern zu 2)- 5) zugewendet hatte, so den Antragstellern zu 4) und 5) das betroffene Hausgrundgrundstück zu gleichen Teilen, und dem Antragsteller zu 3) gestattet hatte, eine Wohnung anzubauen. Die Antragstellerin zu 1) - seine minderjährige Nichte- hatte er zur Nacherbin "des gesamten Anwesens" bestimmt. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 5 der Nachlassakte 6 IV 340/08/ 6 VI 368/09 des Amtsgericht Fürth/Odenwald Bezug genommen. Dieses erteilte am 15.12.2009 den Antragstellern zu 2)- 5) einen gemeinschaftlichen Erbschein, wonach sie Erben zu je ¼ Anteil nach A geworden sind (Bl. 74 der Nachlassakte).

    Die Antragsteller und die Lebensgefährtin des Erblassers schlossen am 28.08.2009 zu UR-Nr. .../2009 des Verfahrensbevollmächtigten eine Auslegungsvereinbarung, für deren Inhalt auf Bl. 47 ff der Nachlassakten Bezug genommen wird. Darin wird unter IV bewilligt und beantragt, das betroffene Grundbuch durch Eintragung der Antragsteller zu 2) – 5) in Erbengemeinschaft zu berichtigen und die vereinbarte Auseinandersetzung hinsichtlich des betroffenen Grundstücks dahingehend, dass die Antragsteller zu 4) und 5) Miteigentümer zu je ½ werden, im Grundbuch zu vollziehen. Ferner wurde unter IV d) der Urkunde die Eintragung einer Auflassungsvormerkung zu Gunsten der Antragstellerin zu 1) bewilligt und beantragt. Mit Schriftsatz des Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller vom 14.01.2010 (Bl 5/6 ff der Grundakten) sind die Grundbuchberichtigung - soweit erforderlich -, die Eigentumsumschreibung und die Eintragung der Auflassungsvormerkung zu Gunsten der Antragstellerin zu 1) sowie die Löschung von Rechten in Abt. II beantragt worden.

    Durch Zwischenverfügung vom 06.04.2010 hat die Grundbuchrechtspflegerin die Vorlage eines hinsichtlich der Anordnung einer Nacherbschaft zu Gunsten der Antragstellerin zu 1) berichtigten Erbscheins verlangt und ausgeführt, es fehle ein Verzicht der für die Antragstellerin zu 1) handelnden Ergänzungspflegerin auf die Eintragung des Nacherbenvermerks, ebenso eine entsprechende familiengerichtliche Genehmigung. Nach Vorlage des berichtigten Erbscheins könne die Grundbuchberichtigung mit Eintragung des Nacherbenvermerks erfolgen und danach die Eigentumsumschreibung sowie die Auflassungsvormerkung zu Gunsten der Antragstellerin zu 1) eingetragen werden. Falls dann die Löschung des Nacherbenvermerks gewünscht werde, sei noch die Löschungsbewilligung der Ergänzungspflegerin nebst rechtskräftiger familienrechtlicher Genehmigung einzureichen.

    Dagegen richtet sich die als Erinnerung bezeichnete Beschwerde der Antragsteller, mit der geltend gemacht wird, es bedürfe nicht der Vorlage eines berichtigten Erbscheins, da der vorliegende Erbschein unter Berücksichtigung der Auslegungsvereinbarung der Beteiligten nicht zu beanstanden sei. Da eine Einsetzung eines Erben, auch eines Nacherben, hinsichtlich einzelner Vermögensgegenstände nicht möglich sei, sei die Nacherbfolge nicht in den Erbschein aufzunehmen gewesen und kein Raum für die Eintragung eines Nacherbenvermerks im Grundbuch. Gerade im Hinblick auf die fehlende Grundlage für die Eintragung eines Nacherbenvermerks sei die Sicherung der Antragstellerin zu 1) durch die Eintragung eines Auflassungsvermerks vereinbart worden.

    Die Grundbuchrechtspflegerin hat mit Beschluss vom 20.04.2010 der Erinnerung nicht abgeholfen unter Hinweis darauf, dass die Immobilie den wesentlichen Teil des Nachlassvermögens darstelle und über § 2120 Abs. 2 BGB die Nacherbfolge Inhalt des Erbscheins sein könne.

    Auch gegen den Nichtabhilfebeschluss haben die Antragsteller Rechtsmittel eingelegt und u. a. vorgetragen, dass Grundbuchamt dürfe sich nicht über den zu Recht erteilten Erbschein und die familiengerichtlichen Genehmigung hinwegsetzen.

    Die Beschwerde - nach Abschaffung der Durchgriffserinnerung durch Gesetz vom 06.08.1998 (BGBl I 2030) gilt § 75 GBO auch für die Beschwerde gegen eine Entscheidung des Rechtspflegers (§ 11 Abs. 1 RpflegerG) -, über die gemäß §§ 72, 75 GBO nach erfolgter Nichtabhilfeentscheidung der Rechtspflegerin das Oberlandesgericht zu entscheiden hat, ist zulässig und führt in der Sache auch zum Erfolg. Dagegen ist eine selbständige Anfechtung der Nichtabhilfeentscheidung nicht zulässig und nicht gesondert zu bescheiden (BayObLG FGPrax 2003, 199; Demharter: GBO, 27. Aufl., § 75, Rdnr. 13).

    Die angefochtene Zwischenverfügung, durch die die beantragten Eintragungen von der Vorlage eines im Hinblick auf eine Nacherbschaft der Antragstellerin zu 1) berichtigten Erbscheins abhängig gemacht worden sind, kann keinen Bestand haben.

    Die Rechtspflegerin hat nicht berücksichtigt, dass die Vermutung der Richtigkeit des vorliegenden Erbscheins gemäß § 2365 GBO auch für das Grundbuchverfahren gilt. Ist im Erbschein keine Beschränkung aufgeführt, gilt der Erbe als in seinen Verfügungen nicht durch Anordnungen des Erblassers - wobei nur Testamentsvollstreckung, Nacherbfolge und Ersatznacherbfolge in Frage kommen - beschränkt (Palandt/Edenhofer: BGB, 69. Aufl., § 2365, Rdnr. 1 und 2).

    Das Grundbuchamt hat bei Eintragungen auf Grund Erbscheins diesen lediglich darauf zu überprüfen, ob er von der sachlich zuständigen Stelle ausgestellt worden ist und das Erbrecht formell unzweideutig bezeugt. Weitere Prüfungen stehen dem Grundbuchamt grundsätzlich nicht zu, gleichgültig, ob es um die Formgültigkeit der Verfügung von Todes wegen, deren Auslegung oder die Beurteilung sonstiger Tatsachen geht. Nach absolut h. M. (vgl. Schöner/Stöber: Grundbuchrecht, 14. Aufl., Rdnr. 784 und Fußnote 12) liegt die Verantwortung für die Feststellung des Erbrechts und die Richtigkeit des Erbscheins ausschließlich beim Nachlassgericht.

    Auf formelle Mängel des Erbscheins vom 15.12. 2009 ist die angefochtene Zwischenverfügung nicht gestützt worden, sondern die Rechtspflegerin geht offenbar, ohne dies im Einzelnen zu begründen, von einer wirksamen Nacherbeneinsetzung der Antragstellerin zu 1) in dem Testament vom 15.07.2001 aus. Nach bereits vom Kammergericht begründeter ständiger Rechtsprechung ist das Grundbuchamt wegen der durch das Gesetz festgelegten funktionellen Aufgabenverteilung zwischen Nachlassgericht und Grundbuchamt aber auch nicht berechtigt, kraft eigener, dem Inhalt des Erbscheins widersprechender Auslegung des zu Grunde liegenden Testaments den Erbschein zum Nachweis der Erbfolge für ungenügend zu erklären (Meikel/Roth: Grundbuchrecht, 10. Aufl., § 35, Rdnr. 77 und Hinweise in Fußn. 135, 136).

    Auf eine Fallgestaltung, für die die Richtigkeitsvermutung des § 2365 BGB möglicherweise nicht gelten würde, so bei positiver Kenntnis des Grundbuchamts von der Einziehung oder Kraftloserklärung, offenbaren inhaltlichen Unrichtigkeiten des Erbscheins oder Verstößen gegen eine gefestigte Rechtsauffassung ist die Zwischenverfügung nicht gestützt worden. Davon abgesehen wird für diese Fälle, wie auch bei Bekanntwerden neuer, bei Erbscheinserteilung vom Nachlassgericht nicht berücksichtigter Tatsachen, welche die materielle Unrichtigkeit des Erbscheins erweisen könnten, die Auffassung vertreten, dass das Grundbuchamt eine Überprüfung durch das Nachlassgericht anzuregen hat und nicht mittels Zwischenverfügung die Bindungsproblematik auf die Beteiligten abwälzen darf (vgl. Meikel/Roth, aaO., Rdnr. 90, 91; Kuntze/Ertl/Herrmann/Eickmann: Grundbuchrecht, 6. Aufl., § 35, Rdnr. 49- 56).

    Auf Grund der Bindung des Grundbuchamts an den Erbschein vom 15.12.2009, die keine Beschränkung der Antragsteller zu 2) -5) durch Anordnung einer Nacherbschaft enthält, fehlt auch die Grundlage für die in der angefochtenen Zwischenverfügung an das Bestehen einer Nacherbschaft geknüpften weiteren Eintragungshindernisse. Die Zwischenverfügung war deshalb in vollem Umfang aufzuheben.

    Da Gegenstand der Beschwerde gegen eine Zwischenverfügung aber lediglich das darin aufgeführte Eintragungshindernis, nicht jedoch die Entscheidung über den Eintragungsantrag selbst ist (OLG Hamm Rpfleger 2002, 353; Demharter: GBO, 27. Aufl., § 71, Rdnr. 34), kann über die Aufhebung der Zwischenverfügung hinaus keine Anweisung zur Eintragung ergehen.

    Das Grundbuchamt hat vielmehr über die Anträge vom 14.01.2010 erneut unter Bindung an die Rechtsauffassung des Senats zu entscheiden.

    RechtsgebieteGBO, BGBVorschriften§ 18 GBO, § 35 GBO, § 2100 BGB, § 2365 BGB