29.07.2025 · IWW-Abrufnummer 249382
Oberlandesgericht Zweibrücken: Beschluss vom 09.07.2025 – 8 W 56/24
Die Formulierung in einem Testament, die Geltendmachung des Pflichtteils müsse "entgegen dem Willen des überlebenden Ehegatten" erfolgen, soll eine einverständliche Geltendmachung der Pflichtteilsansprüche, insbesondere zur Steuerersparnis möglich machen. Würde die Pflichtteilsstrafklausel auch bei der Pflichtteilsgeltendmachung mit dem einvernehmlichen Ziel der Erbschaftsteuerreduzierung eingreifen, wären damit für den Pflichtteilsberechtigten besondere Nachteile verbunden. Muss die Geltendmachung zur Steuerersparnis aber gegen den Willen erfolgen, so wird die Möglichkeit erhalten, dass die Strafklausel nicht ausgelöst wird.
Oberlandesgericht Zweibrücken, Beschluss vom 09.07.2025, Az. 8 W 56/24
1. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Amtsgerichts Kaiserslautern vom 17.04.2024, Az. 2 VI 1070/23, wird zurückgewiesen.
2. Die Beschwerdeführerin trägt die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
3. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 95.407,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beteiligten zu 1) und 2) sind Geschwister und die gemeinsamen Kinder der Erblasserin und ihres vorverstorbenen Ehemannes J.W..
Die Eheleute W. haben am 23. Juli 2012 ein gemeinschaftliches, handgeschriebenes und von beiden Eheleuten unterzeichnetes Testament errichtet (Bl. 7 d. A.), in dem sie sich gegenseitig zu alleinigen Vollerben und die Beteiligten zu 1) und 2) als Schlusserben eingesetzt haben.
In dem Testament haben sie auf Seite 2 folgende - von ihnen so bezeichnete - "Pflichtklausel" aufgenommen:
"Für den Fall, dass eines der Kinder nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten entgegen dem Willen des überlebenden Ehegatten einen Pflichtteilsanspruch oder Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend macht und diesen auch erhält, bestimmen wir, dass er nicht Erbe des Längstlebenden wird. Er ist dann sowohl für den ersten als auch für den zweiten Todesfall einschließlich aller angeordneten Vermächtnisse mit seinem ganzen Stamm von der Erbfolge ausgeschlossen."
Die Erblasserin hat ihren Ehemann nach dessen Tod im Jahr 2017 aufgrund des gemeinschaftlichen Testaments beerbt. Nach dem Tod ihres Vaters verlangte die Beteiligte zu 1) mit anwaltlichem Schreiben vom 6. April 2017 (Bl. 32 d. A.) "zur vorläufigen Durchsetzung ihres Pflichtteilsrechts" Auskunft über den Umfang des Nachlasses. Mit Schreiben ihres Rechtsanwalts vom 3. Mai 2017 (Bl. 25 d. A.) ließ die Erblasserin den Auskunftsanspruch anerkennen und erteilte die begehrten Auskünfte. Im Anschluss einigten sich die Erblasserin und die Beteiligte zu 1), jeweils vertreten durch ihre Rechtsanwälte, auf die Zahlung eines Pflichtteils. Dieser wurde von der Erblasserin auch bezahlt.
Der Beteiligte zu 2) hat am 19. Januar 2024 (Bl. 15 d. A.) die Erteilung eines Alleinerbscheins beantragt und zur Begründung ausgeführt, dass die Beteiligte zu 1) aufgrund der Forderung ihres Pflichtteils im ersten Erbfall von der Erbfolge nach der Erblasserin ausgeschlossen sei.
Die Beteiligte zu 1) ist dem Antrag entgegengetreten. Sie vertritt die Ansicht, dass die Erblasserin zu keinem Zeitpunkt zum Ausdruck gebracht habe, dass die Geltendmachung des Pflichtteils entgegen ihres Willens erfolgt sei.
Das Amtsgericht - Nachlassgericht - Kaiserslautern hat mit dem angefochtenen Beschluss vom 17. April 2024 (Bl. 39 d. A.) die für die Erteilung des beantragten Erbscheins erforderlichen Tatsachen festgestellt. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass die Beteiligte zu 1) von der Erbfolge ausgeschlossen sei. Der Umstand, dass die Erblasserin den Auskunftsanspruch anerkannt habe, führe nicht dazu, dass sie mit der Geltendmachung des Pflichtteils einverstanden gewesen sei.
Hiergegen richtet sich die von der Beteiligten zu 1) eingelegte Beschwerde (Bl. 57 d. A.) in der sei darauf abstellt, dass ein entgegenstehender Wille der Erblasserin nicht erkennbar gewesen sei. Die Pflichtteilstrafklausel greife somit nicht.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde durch eine handschriftliche Notiz (Bl. 60 RS d. A.) und nicht durch einen mit Gründen versehenden Beschluss (vgl. dazu etwa BeckOK FamFG/Obermann, 54. Ed. 1.6.2025, FamFG § 68 Rn. 8) nicht abgeholfen und durch Akte dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde, über die zu entscheiden der Senat trotz des verfahrensfehlerhaften Abhilfeverfahrens (s.o.) nicht gehindert ist (vgl. dazu Sternal/Sternal, FamFG 21. Aufl. § 68 Rn. 43 mwN), ist nicht begründet. Das Amtsgericht hat zu Recht gemäß § 352e FamFG die zur Erteilung des Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet.
1. Die Beteiligte zu 1) ist aufgrund III. 2 des gemeinschaftlichen Testaments von der Erbfolge nach der Erblasserin ausgeschlossen, da die Voraussetzungen der Pflichtklausel vorliegen. Die Testierenden haben angeordnet:
"Für den Fall, dass eines der Kinder nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten entgegen dem Willen des überlebenden Ehegatten einen Pflichtteilsanspruch oder Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend macht und diesen auch erhält, bestimmen wir, dass er nicht Erbe des Längstlebenden wird. Er ist dann sowohl für den ersten als auch für den zweiten Todesfall einschließlich aller angeordneten Vermächtnisse mit seinem ganzen Stamm von der Erbfolge ausgeschlossen."
Zwischen den Parteien steht nicht im Streit, dass die Beteiligte zu 1) ihren Pflichtteil erhalten hat, so dass vorliegend nicht zu klären ist, ob die Geltendmachung von Auskünften bereits als Pflichtteilsverlangen zu verstehen ist, wofür freilich einiges spricht, da die Klausel in der Regel nicht nur das ungeschmälerte Erhalten und Behalten des Nachlasses durch den als Alleinerben des Erstversterbenden eingesetzten überlebenden Ehegatten sichern soll, sondern auch das ungestörte Erhalten und Behalten, weil die Auseinandersetzung mit dem Pflichtteilsberechtigten regelmäßig mit erheblichen Belastungen für den überlebenden Ehegatten verbunden ist (vgl. Senat, Beschluss vom 05.03.2024 - 8 W 70/23 mwN).
Entscheidungserheblich ist hier mithin lediglich die Frage, ob die Geltendmachung und der Erhalt des Pflichtteils "entgegen dem Willen" der Erblasserin erfolgt sind und die auflösende Bedingung greift. Die im gemeinschaftlichen Testament aufgenommene Pflichtteilsstrafklausel ist daher auszulegen.
Eine in einer letztwilligen Verfügung aufgenommene Pflichtteilsstrafklausel hat das Ziel, die Geltendmachung des Anspruchs unattraktiv zu machen und den Nachlass "zusammenzuhalten", das heißt den längerlebenden Ehepartner von Zahlungsverpflichtungen zu befreien und diejenigen Kinder zu belohnen, die den Erben nicht mit der Auseinandersetzung mit einem Pflichtteilsberechtigten belasten (anschaulich etwa Krätzschel/Falkner/Döbereiner/Krätzschel, NachlassR 12. Aufl. § 11 Rn. 49). So soll den Kindern die Motivation genommen werden, den überlebenden Ehegatten nach dem ersten Erbfall mit dem Pflichtteilsanspruch zu konfrontieren und/oder sich diesen auszahlen zu lassen.
Hier haben die Eheleute - wohl offensichtlich nach rechtlicher Beratung und unter Verwendung einer Formulierungshilfe - verfügt, dass die Geltendmachung des Pflichtteils "entgegen dem Willen des überlebenden Ehegatten" erfolgen muss. Eine solche Formulierung ist in der Testamentsgestaltung üblich (vgl. etwa BeckFormB BHW/Najdecki, 14. Aufl. VI.9. für ein Berliner Testament). Hintergrund einer solchen Klausel ist folgender: Um eine einverständliche Geltendmachung der Pflichtteilsansprüche, insbesondere zur Steuerersparnis, nicht unmöglich zu machen, muss sie "gegen den Willen des Letztversterbenden" erfolgen (BeckFormB BHW/Najdecki, aaO Anm. 6). Würde die Pflichtteilsstrafklausel auch bei der Pflichtteilsgeltendmachung mit dem einvernehmlichen Ziel der Erbschaftsteuerreduzierung eingreifen, wären damit für den Pflichtteilsberechtigten besondere Nachteile verbunden. Als in diesem Sinne "gefährlich" werden in der erbrechtlichen Literatur dabei besonders die sog. automatisch wirkenden Ausschlussklauseln eingestuft. Diese bestimmen, dass der Abkömmling, der nach dem Tod des erstversterbenden Elternteils seinen Pflichtteil geltend macht, dann sofort und ohne weitere Entschließungsmöglichkeit des länger lebenden Ehegatten seine Stellung als Schlusserbe am Nachlass des länger lebenden Elternteils verliert und sein so frei werdender Erbteil den anderen Schlusserben zufällt (hierzu ausführlich Mayer, DStR 2004, 1541, 1545). Muss die Geltendmachung zur Steuerersparnis aber gegen den Willen erfolgen, so wird die Möglichkeit erhalten, dass die Strafklausel nicht ausgelöst wird (BeckFormB BHW/Najdecki, aaO Anm. 14).
Vor diesem Hintergrund geht der Senat davon aus, dass die Eheleute der Formulierung "gegen den Willen" nicht in dem Sinne verwendet haben, dass zunächst eine ausdrückliche Verweigerung des Pflichtteilsanspruchs bzw. eine gerichtliche oder sonst streitige Auseinandersetzung erforderlich sein sollte, damit die Klausel greift. Eine andere Auslegung würde demgegenüber zu großer Unsicherheit führen, etwa dahin, mit welcher Intensität gegen den Willen des Längerlebenden vorgegangen werden muss. Zudem müsste das subjektive Empfinden der Beteiligten und deren persönlicher Umgang mit Konflikten berücksichtigt werden. Denn während manche Menschen Konflikten eher aus dem Weg gehen, ihren entgegenstehenden Willen nicht äußern und sich dem rechtlich begründeten Verlangen fügen, tendieren andere dazu, ihrem Unmut deutlich Luft verschaffen und versuchen, etwaige Ansprüche abzuwehren. Hiervon kann das Eingreifen der Pflichtteilsstrafklausel jedoch nicht abhängen. Indem die Beteiligte zu 1) entgegen der Anordnungen im gemeinschaftlichen Testament zunächst Auskunft über den Nachlassbestand und anschließend die Auszahlung des Pflichtteils verlangt hat, hat sie den Willen ihrer Eltern erkennbar missachtet, den Längerlebenden nicht mit Pflichtteilsansprüchen zu konfrontieren. Die Geltendmachung des Auskunftsanspruchs durch ein Anwaltsschreiben "zur vorläufgen Durchsetzung des Pflichtteilsrechts" zeigt überdies, dass der Pflichtteil nicht einvernehmlich - z.B. aus steuerlichen Gründen (s.o.) - verlangt wurde, sondern die Vorgehensweise ein konfrontatives Element enthält, weshalb die Geltendmachung hier letztlich "gegen den Willen" der Erblasserin erfolgt ist, ohne dass es dazu einer Äußerung des entgegenstehenden Willens gegenüber der Beschwerdeführerin bedurfte. Unerheblich ist es daher, dass die Erblasserin - rechtlich zutreffend beraten - die Auskunft erteilt und auch die sich daraus ergebenden Pflichtteilsansprüche erfüllt hat, ohne sich auf einen (Rechts-)Streit mit ihrer Tochter einzulassen oder gar eine Verurteilung zu riskieren.
Damit ist die auflösende Bedingung eingetreten und die Beteiligte zu 1) scheidet mit ihrem ganzen Stamm als Erbin nach der längerlebenden Erblasserin aus. Der Beteiligte zu 2) als Antragssteller ist daher testamentarischer Alleinerbe geworden.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG. Für den Senat ist kein Grund ersichtlich, von der dort genannten Soll-Vorschrift abzuweichen. Hinsichtlich der Frage einer Kostenerstattung beruht die Entscheidung auf § 81 Abs. 1 FamFG. Insoweit entspricht es billigem Ermessen, dass die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen haben.
3. Bei der Berechnung des Gegenstandswerts hat sich der Senat am Nachlasswert von 190.814,00 € und dem Abänderungsinteresse der Beteiligte zu 1) in Höhe von 50 % orientiert.
Tenor:
2. Die Beschwerdeführerin trägt die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
3. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 95.407,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beteiligten zu 1) und 2) sind Geschwister und die gemeinsamen Kinder der Erblasserin und ihres vorverstorbenen Ehemannes J.W..
Die Eheleute W. haben am 23. Juli 2012 ein gemeinschaftliches, handgeschriebenes und von beiden Eheleuten unterzeichnetes Testament errichtet (Bl. 7 d. A.), in dem sie sich gegenseitig zu alleinigen Vollerben und die Beteiligten zu 1) und 2) als Schlusserben eingesetzt haben.
In dem Testament haben sie auf Seite 2 folgende - von ihnen so bezeichnete - "Pflichtklausel" aufgenommen:
"Für den Fall, dass eines der Kinder nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten entgegen dem Willen des überlebenden Ehegatten einen Pflichtteilsanspruch oder Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend macht und diesen auch erhält, bestimmen wir, dass er nicht Erbe des Längstlebenden wird. Er ist dann sowohl für den ersten als auch für den zweiten Todesfall einschließlich aller angeordneten Vermächtnisse mit seinem ganzen Stamm von der Erbfolge ausgeschlossen."
Die Erblasserin hat ihren Ehemann nach dessen Tod im Jahr 2017 aufgrund des gemeinschaftlichen Testaments beerbt. Nach dem Tod ihres Vaters verlangte die Beteiligte zu 1) mit anwaltlichem Schreiben vom 6. April 2017 (Bl. 32 d. A.) "zur vorläufigen Durchsetzung ihres Pflichtteilsrechts" Auskunft über den Umfang des Nachlasses. Mit Schreiben ihres Rechtsanwalts vom 3. Mai 2017 (Bl. 25 d. A.) ließ die Erblasserin den Auskunftsanspruch anerkennen und erteilte die begehrten Auskünfte. Im Anschluss einigten sich die Erblasserin und die Beteiligte zu 1), jeweils vertreten durch ihre Rechtsanwälte, auf die Zahlung eines Pflichtteils. Dieser wurde von der Erblasserin auch bezahlt.
Der Beteiligte zu 2) hat am 19. Januar 2024 (Bl. 15 d. A.) die Erteilung eines Alleinerbscheins beantragt und zur Begründung ausgeführt, dass die Beteiligte zu 1) aufgrund der Forderung ihres Pflichtteils im ersten Erbfall von der Erbfolge nach der Erblasserin ausgeschlossen sei.
Die Beteiligte zu 1) ist dem Antrag entgegengetreten. Sie vertritt die Ansicht, dass die Erblasserin zu keinem Zeitpunkt zum Ausdruck gebracht habe, dass die Geltendmachung des Pflichtteils entgegen ihres Willens erfolgt sei.
Das Amtsgericht - Nachlassgericht - Kaiserslautern hat mit dem angefochtenen Beschluss vom 17. April 2024 (Bl. 39 d. A.) die für die Erteilung des beantragten Erbscheins erforderlichen Tatsachen festgestellt. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass die Beteiligte zu 1) von der Erbfolge ausgeschlossen sei. Der Umstand, dass die Erblasserin den Auskunftsanspruch anerkannt habe, führe nicht dazu, dass sie mit der Geltendmachung des Pflichtteils einverstanden gewesen sei.
Hiergegen richtet sich die von der Beteiligten zu 1) eingelegte Beschwerde (Bl. 57 d. A.) in der sei darauf abstellt, dass ein entgegenstehender Wille der Erblasserin nicht erkennbar gewesen sei. Die Pflichtteilstrafklausel greife somit nicht.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde durch eine handschriftliche Notiz (Bl. 60 RS d. A.) und nicht durch einen mit Gründen versehenden Beschluss (vgl. dazu etwa BeckOK FamFG/Obermann, 54. Ed. 1.6.2025, FamFG § 68 Rn. 8) nicht abgeholfen und durch Akte dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde, über die zu entscheiden der Senat trotz des verfahrensfehlerhaften Abhilfeverfahrens (s.o.) nicht gehindert ist (vgl. dazu Sternal/Sternal, FamFG 21. Aufl. § 68 Rn. 43 mwN), ist nicht begründet. Das Amtsgericht hat zu Recht gemäß § 352e FamFG die zur Erteilung des Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet.
1. Die Beteiligte zu 1) ist aufgrund III. 2 des gemeinschaftlichen Testaments von der Erbfolge nach der Erblasserin ausgeschlossen, da die Voraussetzungen der Pflichtklausel vorliegen. Die Testierenden haben angeordnet:
"Für den Fall, dass eines der Kinder nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten entgegen dem Willen des überlebenden Ehegatten einen Pflichtteilsanspruch oder Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend macht und diesen auch erhält, bestimmen wir, dass er nicht Erbe des Längstlebenden wird. Er ist dann sowohl für den ersten als auch für den zweiten Todesfall einschließlich aller angeordneten Vermächtnisse mit seinem ganzen Stamm von der Erbfolge ausgeschlossen."
Zwischen den Parteien steht nicht im Streit, dass die Beteiligte zu 1) ihren Pflichtteil erhalten hat, so dass vorliegend nicht zu klären ist, ob die Geltendmachung von Auskünften bereits als Pflichtteilsverlangen zu verstehen ist, wofür freilich einiges spricht, da die Klausel in der Regel nicht nur das ungeschmälerte Erhalten und Behalten des Nachlasses durch den als Alleinerben des Erstversterbenden eingesetzten überlebenden Ehegatten sichern soll, sondern auch das ungestörte Erhalten und Behalten, weil die Auseinandersetzung mit dem Pflichtteilsberechtigten regelmäßig mit erheblichen Belastungen für den überlebenden Ehegatten verbunden ist (vgl. Senat, Beschluss vom 05.03.2024 - 8 W 70/23 mwN).
Entscheidungserheblich ist hier mithin lediglich die Frage, ob die Geltendmachung und der Erhalt des Pflichtteils "entgegen dem Willen" der Erblasserin erfolgt sind und die auflösende Bedingung greift. Die im gemeinschaftlichen Testament aufgenommene Pflichtteilsstrafklausel ist daher auszulegen.
Eine in einer letztwilligen Verfügung aufgenommene Pflichtteilsstrafklausel hat das Ziel, die Geltendmachung des Anspruchs unattraktiv zu machen und den Nachlass "zusammenzuhalten", das heißt den längerlebenden Ehepartner von Zahlungsverpflichtungen zu befreien und diejenigen Kinder zu belohnen, die den Erben nicht mit der Auseinandersetzung mit einem Pflichtteilsberechtigten belasten (anschaulich etwa Krätzschel/Falkner/Döbereiner/Krätzschel, NachlassR 12. Aufl. § 11 Rn. 49). So soll den Kindern die Motivation genommen werden, den überlebenden Ehegatten nach dem ersten Erbfall mit dem Pflichtteilsanspruch zu konfrontieren und/oder sich diesen auszahlen zu lassen.
Hier haben die Eheleute - wohl offensichtlich nach rechtlicher Beratung und unter Verwendung einer Formulierungshilfe - verfügt, dass die Geltendmachung des Pflichtteils "entgegen dem Willen des überlebenden Ehegatten" erfolgen muss. Eine solche Formulierung ist in der Testamentsgestaltung üblich (vgl. etwa BeckFormB BHW/Najdecki, 14. Aufl. VI.9. für ein Berliner Testament). Hintergrund einer solchen Klausel ist folgender: Um eine einverständliche Geltendmachung der Pflichtteilsansprüche, insbesondere zur Steuerersparnis, nicht unmöglich zu machen, muss sie "gegen den Willen des Letztversterbenden" erfolgen (BeckFormB BHW/Najdecki, aaO Anm. 6). Würde die Pflichtteilsstrafklausel auch bei der Pflichtteilsgeltendmachung mit dem einvernehmlichen Ziel der Erbschaftsteuerreduzierung eingreifen, wären damit für den Pflichtteilsberechtigten besondere Nachteile verbunden. Als in diesem Sinne "gefährlich" werden in der erbrechtlichen Literatur dabei besonders die sog. automatisch wirkenden Ausschlussklauseln eingestuft. Diese bestimmen, dass der Abkömmling, der nach dem Tod des erstversterbenden Elternteils seinen Pflichtteil geltend macht, dann sofort und ohne weitere Entschließungsmöglichkeit des länger lebenden Ehegatten seine Stellung als Schlusserbe am Nachlass des länger lebenden Elternteils verliert und sein so frei werdender Erbteil den anderen Schlusserben zufällt (hierzu ausführlich Mayer, DStR 2004, 1541, 1545). Muss die Geltendmachung zur Steuerersparnis aber gegen den Willen erfolgen, so wird die Möglichkeit erhalten, dass die Strafklausel nicht ausgelöst wird (BeckFormB BHW/Najdecki, aaO Anm. 14).
Vor diesem Hintergrund geht der Senat davon aus, dass die Eheleute der Formulierung "gegen den Willen" nicht in dem Sinne verwendet haben, dass zunächst eine ausdrückliche Verweigerung des Pflichtteilsanspruchs bzw. eine gerichtliche oder sonst streitige Auseinandersetzung erforderlich sein sollte, damit die Klausel greift. Eine andere Auslegung würde demgegenüber zu großer Unsicherheit führen, etwa dahin, mit welcher Intensität gegen den Willen des Längerlebenden vorgegangen werden muss. Zudem müsste das subjektive Empfinden der Beteiligten und deren persönlicher Umgang mit Konflikten berücksichtigt werden. Denn während manche Menschen Konflikten eher aus dem Weg gehen, ihren entgegenstehenden Willen nicht äußern und sich dem rechtlich begründeten Verlangen fügen, tendieren andere dazu, ihrem Unmut deutlich Luft verschaffen und versuchen, etwaige Ansprüche abzuwehren. Hiervon kann das Eingreifen der Pflichtteilsstrafklausel jedoch nicht abhängen. Indem die Beteiligte zu 1) entgegen der Anordnungen im gemeinschaftlichen Testament zunächst Auskunft über den Nachlassbestand und anschließend die Auszahlung des Pflichtteils verlangt hat, hat sie den Willen ihrer Eltern erkennbar missachtet, den Längerlebenden nicht mit Pflichtteilsansprüchen zu konfrontieren. Die Geltendmachung des Auskunftsanspruchs durch ein Anwaltsschreiben "zur vorläufgen Durchsetzung des Pflichtteilsrechts" zeigt überdies, dass der Pflichtteil nicht einvernehmlich - z.B. aus steuerlichen Gründen (s.o.) - verlangt wurde, sondern die Vorgehensweise ein konfrontatives Element enthält, weshalb die Geltendmachung hier letztlich "gegen den Willen" der Erblasserin erfolgt ist, ohne dass es dazu einer Äußerung des entgegenstehenden Willens gegenüber der Beschwerdeführerin bedurfte. Unerheblich ist es daher, dass die Erblasserin - rechtlich zutreffend beraten - die Auskunft erteilt und auch die sich daraus ergebenden Pflichtteilsansprüche erfüllt hat, ohne sich auf einen (Rechts-)Streit mit ihrer Tochter einzulassen oder gar eine Verurteilung zu riskieren.
Damit ist die auflösende Bedingung eingetreten und die Beteiligte zu 1) scheidet mit ihrem ganzen Stamm als Erbin nach der längerlebenden Erblasserin aus. Der Beteiligte zu 2) als Antragssteller ist daher testamentarischer Alleinerbe geworden.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG. Für den Senat ist kein Grund ersichtlich, von der dort genannten Soll-Vorschrift abzuweichen. Hinsichtlich der Frage einer Kostenerstattung beruht die Entscheidung auf § 81 Abs. 1 FamFG. Insoweit entspricht es billigem Ermessen, dass die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen haben.
3. Bei der Berechnung des Gegenstandswerts hat sich der Senat am Nachlasswert von 190.814,00 € und dem Abänderungsinteresse der Beteiligte zu 1) in Höhe von 50 % orientiert.
Vorschriften§ 58 FamFG