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  • 19.04.2012 · IWW-Abrufnummer 121527

    Landesarbeitsgericht Hamm: Beschluss vom 04.01.2012 – 2 Ta 337/11

    Die Erbengemeinschaft als solche kann mangels eigener Rechtsfähigkeit nicht Arbeitsvertragspartei sein. Die Grundsätze, die von der Rechtsprechung zur Rechtsfähigkeit der BGB-Gesellschaft entwickelt wurden, sind auf Erbengemeinschaft nicht übertragbar (BGH, Beschl. v. 17.10.2006 - VII ZB 94/05, NJW 2006, 3715). Mit dem Tod des Einzelfirmeninhabers werden die Miterben zur gesamten Hand Träger der Arbeitgeberrechte und -pflichten.

    2. Für die Klagen eines Miterben, der bisher Arbeitnehmer in der Einzelfirma des Erblasser war, wegen Ansprüche, die nach dem Erbfall entstanden sind, ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nicht eröffnet, da der Miterbe mit dem Erbfall, der kraft Gesetzes den Erwerb der Arbeitgeberrechte und - pflichten zur Folge hat, die Arbeitnehmereigenschaft verliert.


    Tenor:

    Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hamm vom 08.03.2011 - 1 Ca 252/10 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

    Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2.321,70 € festgesetzt.

    Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

    Gründe

    I

    Die Parteien streiten im Beschwerderechtszug über die Zulässigkeit des Rechtsweges für die vom Kläger geltend gemachten Vergütungsansprüche.

    Der Kläger war seit dem 01.03.1972 als angestellter Betriebsleiter bei der Firma B1- und T1 A1 W2, dem Einzelgeschäft seines verstorbenen Vaters, beschäftigt. In dem Unternehmen waren neben dem Kläger dessen Ehefrau sowie zwei weitere Mitarbeiter beschäftigt.

    Mit dem Tod des Vaters des Klägers ging der Betrieb am 07.01.2009 - neben geringem Barvermögen und zwei Immobilien - in den Nachlass über. Erben sind neben dem Kläger und dem Beklagten zu 3) die Geschwister des Klägers, die Beklagten zu 1) und 2). Eine Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft fand noch nicht statt.

    Am 11.03.2009 schlossen die Parteien unter Mitwirkung ihrer Bevollmächtigten u.a. folgende Vereinbarung:

    "3. Firma

    Grundsätzlich besteht zwischen den Beteiligten Einigkeit darüber, dass Herr W1 W2 berechtigt sein soll, die Firma zu den bisherigen Konditionen fortzuführen, und zwar zu den bisherigen finanziellen Konditionen (3.000,00 € brutto monatlich).

    Das soll zunächst bis auf weiteres geschehen, wobei die Parteien sich noch darüber einigen müssen, ob diese vorläufige Fortführung der Firma zeitlich befristet werden soll. [...] Weiterhin soll abgewartet werden, bis die von Frau M2-H1 angeforderte Bewertung der Firma vorliegt, die bis Ende dieses Monats zugesagt worden ist.".

    Nachdem die Beklagten zu 1) und 2) mit anwaltlichen Schreiben vom 04.05.2009 (Bl. 46 d.A.) bzw. 11.05.2009 (Bl. 44 d.A.) die dem Kläger erteilte Vollmacht zur alleinigen Vertretung der Firma widerriefen, verweigerten sie ab September 2009 die Unterschrift für die Überweisung der Vergütung des Klägers, der unter dem 20.12.2009 "sein Arbeitsverhältnis" fristlos wegen Unzumutbarkeit kündigte. Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger von den Beklagten als Gesamtschuldner den abgerechneten, jedoch noch nicht gezahlten Nettolohn für die Monate September bis Dezember 2009 in Höhe von insgesamt 5.916,76 €, den Beitrag zur Direktversicherung in Höhe von 1.742,48 € und vermögenswirksame Leistungen in Höhe von insgesamt 79,76 €.

    Das Arbeitsgericht hat die Klage gegen die Beklagte zu 1) mit Versäumnisurteil vom 11.05.2010 abgewiesen, gegen das die Beklagte zu 1) form- und fristgerecht unter dem 20.05.2010 Einspruch eingelegt und im Termin am 31.08.2010 die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts gerügt hat.

    Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dass der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet sei, weil er auch nach Tod seines Vaters Arbeitnehmer geblieben sei. Dies folge zum einen daraus, dass für die streitgegenständliche Monate die Sozialabgaben und Steuern mit Zustimmung der Beklagten zu 1) und 2) abgerechnet und abgeführt worden seien. Außerdem folge aus der Vereinbarung vom 11.03.2009, dass sich die Parteien auf den Erhalt des Arbeitnehmerstatus geeinigt hätten, da er nach dieser Vereinbarung zu den "bisherigen Konditionen" tätig werde. Sein Mitspracherecht als Erbe stehe seiner Arbeitnehmereigenschaft nicht entgegen, da er von den Beklagten als Miterben wie ein Geschäftsführer, der zu weniger als 50 % an einer GmbH beteiligt sei, überstimmt werden könne. Im Übrigen sei die Zuständigkeitsrüge zu spät erhoben worden.

    Die Beklagten zu 1) und 2) haben die Ansicht vertreten, dass die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts nicht gegeben sei, weil der Kläger jedenfalls nach Tod des Vaters dessen Rolle als Geschäftsinhaber übernommen habe. Als Miterbe sei er zwar verpflichtet, sie, d.h. die Beklagten zu 1) und 2), über sämtliche wesentliche Entscheidungen zu informieren und vieles gemeinsam mit ihnen zu entscheiden. Dies begründe jedoch keine Weisungsabhängigkeit, der ein Arbeitnehmer unterliege, da der Kläger - was unstreitig ist - die Arbeitszeit und Aufgabenerledigung frei habe einteilen können.

    Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 08.03.2011 den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Arnsberg verwiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nicht eröffnet sei, weil der Kläger, der bisher Arbeitnehmer gewesen sei, als Miterbe seines verstorbenen Vaters kraft Gesetzes die Rechtstellung des Arbeitgebers erworben habe und während des streitgegenständlichen Zeitraumes nicht in persönliche Abhängigkeit tätig gewesen sei. Die Tatsache, dass gegen die Beklagte zu 1) bereits ein Versäumnisurteil ergangen sei, stehe der Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht schon deswegen nicht entgegen, weil das Versäumnisurteil keine konkludente Entscheidung zur Zulässigkeit des Rechtsweges enthalte. Gegen den am 21.03.2011 zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts hat der Kläger

    sofortige Beschwerde

    eingelegt und begründet. Das Arbeitsgericht hat mit Kammerbeschluss vom 17.05.2011 der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen, da die Beschwerdebegründung keinen weiteren Vortrag enthalte, der die Annahme der Zuständigkeit des Arbeitsgerichts rechtfertigen könnte.

    Der Kläger ist der Ansicht, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass er als Miterbe mit den Tod seines Vaters die Arbeitnehmerstellung verloren habe. Denn insoweit hätten die Parteien am 11.03.2009 ausdrücklich vereinbart, dass er bis auf weiteres Betriebsleiter bleiben solle. Damit hätten die Parteien vereinbart, dass er weiterhin als Arbeitnehmer tätig sein solle, da insoweit zwischen den Parteien nie streitig gewesen sei, dass er vor dem Tod seines Vaters als Arbeitnehmer tätig gewesen sei. Die Tatsache, dass er Miterbe und am Ergebnis der Firma direkt beteiligt sei, stehe der Annahme der Arbeitnehmereigenschaft nicht entgegen. Denn dieser Fall sei ohne Weiteres mit den Fällen vergleichbar, in denen ein Minderheitsgesellschafter für die Gesellschaft in persönlicher Abhängigkeit tätig werde.

    Der Kläger beantragt,

    den Rechtsweg zum Arbeitsgericht Hamm für zulässig zu erklären und die Fortführung des Prozesses einer anderen Kammer zu übertragen.

    Die Beklagten zu 1) und 2) beantragen,

    die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hamm vom 08.03.2011 zurückzuweisen.

    Die Beklagten sind der Ansicht, dass das Arbeitsgericht zu Recht den Rechtsstreit an das Landgericht Arnsberg verwiesen hat.

    II

    Die sofortige Beschwerde des Klägers ist unbegründet. Denn das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nicht eröffnet ist und den Rechtsstreit an das Landgericht Arnsberg verwiesen.

    Der Kläger geht zu Unrecht davon aus, dass der Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Arnsberg schon das Versäumnisurteil gegen die Beklagte zu 1) vom 11.05.2010 entgegensteht. Denn insoweit übersieht der Kläger zum einen die Bestimmung des § 342 ZPO, nach der der Prozess nach einem zulässigen Einspruch "in die Lage zurückversetzt wird, in der er sich vor dem Eintritt der Säumnis befand". Dies hat zur Folge, dass die Wirkung des Versäumnisurteils für das erkennende Gericht entfällt und alle vor dem Versäumnisurteil ergangenen Prozessergebnisse wie etwa Geständnisse und eine bereits durchgeführte Beweisaufnahme wieder erheblich werden. Da bei einem zulässigen Einspruch gegen ein Versäumnisurteil keine die Instanz abschließende Sachentscheidung vorliegt und das Arbeitsgericht in jeder Lage des Verfahrens die Zulässigkeit des Rechtsweges schon von Amts wegen zu prüfen hat, steht der Erlass eines Versäumnisurteils der Verweisung des Rechtsstreits an das zuständige Gericht nicht entgegen (vgl. BAG, Beschluss v. 04.05.1992 - 5 AS 2/92, juris; OLG Köln, Beschluss v. 10.01.1992 - 13 W 63/91, VersR 1992, 901; LAG München, Beschluss v. 22.10.1993 - 4 Ta 209/93, MDR 1994, 834). Zum anderen zeigt § 65 ArbGG, dass lediglich das Berufungsgericht nicht prüft, ob der beschrittene Rechtsweg und die Verfahrensart zulässig sind. Demgegenüber ist dem Arbeitsgericht nicht verwehrt, die wegen der funktionellen Zuständigkeit durch den Vorsitzenden allein erlassene Versäumnisentscheidung durch eine Kammerentscheidung nachträglich anders zu bewerten und die Zulässigkeit des Rechtsweges zu verneinen (vgl. dazu LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss v. 22.07.2005 - 4 Ta 178/05, NZA-RR 2005 656).

    Der Kläger geht auch zu Unrecht davon aus, dass die Tatsache, dass er Miterbe ist, jedenfalls wegen der ausdrücklichen Vereinbarung vom 11.03.2009 der Annahme der Arbeitnehmereigenschaft nicht entgegenstehe, da dieser Fall nicht anders zu beurteilen sei, als der eines Minderheitsgesellschafters, der in persönlicher Abhängigkeit tätig sei. Insoweit übersieht der Kläger, dass er nicht zugleich Arbeitnehmer und Arbeitgeber sein kann, da Arbeitnehmer nur derjenige sein kann, der Dienstleistung für einen anderen verbringt.

    Dem Kläger ist zwar zuzugeben, dass jedenfalls ein Minderheitsgesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft bzw. einer BGB-Gesellschaft in persönlicher Abhängigkeit und damit als Arbeitnehmer für die Gesellschaft tätig sein kann. Dies beruht aber darauf, dass die Personenhandelsgesellschaften nach § 124 HGB und die BGB-Gesellschaften nach inzwischen ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ebenfalls vergleichbare Rechtsfähigkeit besitzen und deshalb als solcher als Arbeitgeber Partei eines Arbeitsvertrages sein können. Dementsprechend können auch die Gesellschafter beim Vorliegen der persönlichen Abhängigkeit für einen anderen, nämlich die Gesellschaft, die eigene Rechtspersönlichkeit besitzt, als Arbeitnehmer tätig sein (vgl. dazu BAG, Urteil v. 01.03.2007 - 2 AZR 525/05, NJW 2007, 2877; Urteil v. 01.12.2004 - 5 AZR 557/03, NZA 2005, 318; BGH, Beschluss v. 18.02.2002 - II ZR 331/00, NJW 2002, 1207). Diese Fälle sind jedoch entgegen der Ansicht des Klägers mit der vorliegenden Fallkonstellation nicht vergleichbar. Denn die Erbengemeinschaft, deren Mitglied der Kläger nach dem Tod seines Vaters neben den Beklagten zu 1) und 2) geworden ist, kann als solche nicht Partei eines Arbeitsvertrages sein. Die Erbengemeinschaft als solche ist nämlich mangels einer dem § 124 HGB entsprechenden Bestimmung weder rechts- noch parteifähig. Da die Grundsätze zur Rechtsfähigkeit der BGB-Gesellschaft und zur Rechtsfähigkeit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auf die Erbengemeinschaft nicht übertragbar sind, kann die Erbengemeinschaft als solche mangels eigener Rechtsfähigkeit nicht Partei eines Arbeitsvertrages und damit auch nicht Arbeitgeber sein. Vielmehr sind die einzelnen Mitglieder der Erbengemeinschaft - allerdings nur zur gesamten Hand - Träger von Rechten und Pflichten, die bisher dem Erblasser zustanden bzw. oblagen (vgl. dazu BGH, Beschluss v. 17.10.2006 - VIII ZB 94/05, NJW 2006, 3715; Beschluss v. 11.09.2002 - XII ZR 187/00, NJW 2002, 3389; BSG, Urteil v. 25.02.2010 - B 10 LW 2/09 R, NZS 2011, 98; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 23.02.2010 - L 22 R 963/09 B, juris). Da der Kläger mit dem Tod seines Vaters als Mitglied der Erbengemeinschaft neben den Beklagten zu 1) und 2) zur gesamten Hand Träger der Rechte und Pflichten geworden ist, die bisher sein verstorbener Vater als Arbeitgeber hatte, ist er als Mitglied der Erbengemeinschaft Arbeitgeber geworden mit der Folge, dass er - anders als vor dem Erbfall - nicht mehr für einen anderen tätig sein kann. Die Vereinbarung vom 11.03.2009 ändert daran nichts, da sie sich nur auf die Fortführung der bisherigen Tätigkeit zu den bisherigen Konditionen bezieht und keinen Einfluss darauf hat, dass der Kläger mit dem Erbfall auch Arbeitgeber geworden ist.

    Dass der Kläger als Mitglied der Erbengemeinschaft kein Arbeitnehmer, sondern Arbeitgeber ist, entspricht auch der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vor Anerkennung der eigenen Rechtspersönlichkeit der BGB-Gesellschaft. Denn nach der früheren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts war die BGB-Gesellschaft mangels eigener Rechtspersönlichkeit nicht rechtsfähig und damit auch nicht der Arbeitgeber. Vielmehr fiel die Arbeitgeberstellung den Gesellschaftern der BGB-Gesellschaft gemeinschaftlich zu (vgl. BAG, Urteil v. 06.07.1989 - 6 AZR 771/87, NJW 1989, 1973; Urteil v. 16.10.1974 - 4 AZR 29/74, BB 1975, 183; LAG Köln, Urteil v. 23.12.1997 - 2 Sa 781/97, LAGE § 705 BGB Nr. 2). Da der Kläger mangels eigener Rechtsfähigkeit der Erbengemeinschaft nicht für einen anderen tätig sein kann, sondern neben den Beklagten zu 1) und 2) zur gesamten Hand Träger von Arbeitgeberrechten und -pflichten geworden ist, hat das Arbeitsgericht im Ergebnis zu Recht entschieden, dass der Rechtsstreit mangels Arbeitnehmerstellung des Klägers an das Landgericht Arnsberg zu verweisen war.

    III

    Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat entsprechend § 97 Abs. a ZPO der Kläger zu tragen.

    Die Voraussetzungen für die Zulassung einer Rechtsbeschwerde gemäß § 17 a Abs. 4 GVG liegen nicht vor, da die Beschwerdekammer der Beschwerdeentscheidung die Grundsätze zugrunde gelegt hat, die der höchstrichterlichen Rechtsprechung entsprechen.

    Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens richtet sich nach dem Wert der Hauptsache. Wegen der eingeschränkten Rechtskraft im Rechtswegbestimmungsverfahren sind davon 3/10 in Ansatz gebracht worden.

    RechtsgebieteBGB, HGBVorschriften§ 2032 BGB § 124 HGB