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  • · Fachbeitrag · Höferecht

    Hofübertragung im Wege vorweggenommener Erbfolge: Pflichtteilsanspruch der Ehefrau

    von RiOLG Dr. Andreas Möller, Hamm

    | Das OLG Hamm hat in einer aktuellen Entscheidung erläutert, wie sich der Pflichtteilsanspruch der Ehefrau nach lebzeitiger Übertragung des Hofes auf den Sohn im Wege vorweggenommener Erbfolge berechnet. |

     

    Sachverhalt

    Die vom Erblasser getrennt lebende Ehefrau (F) macht gegen den Sohn (S), auf den der Erblasser (E) den Hof im Wege vorweggenommener Erbfolge übertragen hatte, Pflichtteilsansprüche geltend. Aus der Ehe der im gesetzlichen Güterstand verheirateten Eheleute stammten der S und seine Schwester (T). Ein Scheidungsverfahren war nicht anhängig. Der E war Eigentümer eines eingetragenen Hofes i. S. d. Höfeordnung (HöfeO). Der E setzte den S 2002 testamentarisch zum Hoferben und zum alleinigen Erben seines hoffreien Vermögens ein. Erbansprüche der T sowie der F schloss er in dem Testament ausdrücklich aus. Anschließend übertrug der E noch in 2002 den Hof im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf den S. Die F genehmigte mit notariell beurkundeter Erklärung die Veräußerung. Der S wurde im Grundbuch eingetragen. Unmittelbar anschließend veräußerte der S den Hof und schaffte Ersatzflächen in den neuen Bundesländern an.

     

    Nach dem Tod des E 2015 hat die F den S vor dem Landwirtschaftsgericht auf Zahlung eines (Mindest-)Pflichtteils in Anspruch genommen, den sie beziffert hat. Der S hat u. a. die Einrede der Verjährung erhoben. Das Landwirtschaftsgericht hat den Zahlungsantrag zurückgewiesen. Mit ihrer Beschwerde verfolgt die F erfolglos ihren Zahlungsanspruch weiter.

     

     

    Der Pflichtteilsanspruch der Ehefrau nach lebzeitiger Übertragung des Hofes auf den Sohn im Wege vorweggenommener Erbfolge richtet sich nach den §§ 2303, 2311 BGB. Für die Berechnung wird der tatsächliche Nachlass im Zeitpunkt des Erbfalls zugrunde gelegt, wozu der Hof nicht mehr gehört. § 12 Abs. 10 HöfeO enthält keine eigene Anspruchsgrundlage, sondern setzt einen bestehenden Anspruch voraus und verweist für die Berechnung auf die Absätze 2 bis 5 (Abruf-Nr. 205151).

     

    Entscheidungsgründe

    Die F hat unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt den geltend gemachten Anspruch. Die F hat keinen Anspruch gem. § 12 Abs. 1 HöfeO. Sie war nicht Miterbin, sondern wirksam enterbt.

     

    Ihr steht auch kein Pflichtteilsanspruch gem. § 2303 BGB zu. Beim Tod des E gehörte der Hof aufgrund der lebzeitigen Übertragung auf den S nicht mehr zum Nachlass. Der Hofeswert ist daher bei der Berechnung des Pflichtteils nicht zu berücksichtigen.

     

    Etwas anderes folgt auch nicht aus der Ausnahmeregelung in § 17 Abs. 2  HöfeO. Denn der Anwendungsbereich dieser Vorschrift ist nicht eröffnet. Nach § 17 Abs. 2 HöfeO gilt, wenn der Eigentümer den Hof im Wege der vorweggenommenen Erbfolge an einen hoferbenberechtigten Abkömmling übergibt, zugunsten der anderen Abkömmlinge der Erbfall hinsichtlich des Hofes als eingetreten. Die anderen Abkömmlinge können daher bereits zu diesem Zeitpunkt unter der Voraussetzung des § 12 Abs. 1 HöfeO die ihnen als Miterben zustehende Abfindung oder ‒ soweit sie aufgrund testamentarischer Enterbung nicht Miterben sind ‒ ihren Pflichtteilsanspruch gem. § 2303 Abs. 1 BGB geltend machen. Diese Regelung gilt nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Vorschrift jedoch nur zugunsten der anderen Abkömmlinge des Erblassers und eben nicht auch zugunsten des überlebenden Ehegatten. § 17 Abs. 2 HöfeO kann auch nicht analog angewendet werden, da es sowohl an einer Gesetzeslücke fehlt als auch an einem Bedürfnis für eine analoge Anwendung (vgl. OLG Celle RdL 09, 49; BGH RdL 09, 75).

     

    Für die Ansicht der F fehlt eine Grundlage im Gesetz. Sie meint, ihr Pflichtteilsanspruch sei zwar gem. § 2317 Abs. 1 BGB i. V. m. § 1922 Abs. 1 BGB erst mit dem Tod des E entstanden. Gleichwohl sei der Anspruch unter Berücksichtigung des Hofeswerts zum Zeitpunkt der Hofübertragung nach Maßgabe des § 12 Abs. 10, Abs. 2 und Abs. 3 S. 2 HöfeO zu berechnen.

     

    Teilweise wird dies zwar vertreten. Das OLG Celle (a.a.O.) hat in einem Obiter Dictum ausgeführt, dem Hoferbfall, der die Abfindungsansprüche der weichenden Erben auslöse, sei die Übergabe des Hofes an den Hoferben im Wege der vorweggenommenen Erbfolge gleichgestellt. Miterben könnten also auch außerhalb des Anwendungsbereichs des § 17 Abs. 2 HöfeO bei der Hofübergabe nach § 17 Abs. 1 HöfeO Ansprüche gegenüber dem Hoferben geltend machen, wenn auch entsprechend den allgemein erbrechtlichen Regelungen erst mit dem Tod des Hofübergebers.

     

    Dagegen spricht aber Folgendes: Pflichtteilsansprüche berechnen sich gem. § 2311 Abs. 1 BGB grundsätzlich nach dem realen Bestand des Nachlasses zum Zeitpunkt des Erbfalls. Eine Berücksichtigung von Gegenständen, über die der Erblasser noch zu seinen Lebzeiten verfügt hat (fiktiver Nachlass), ist nach dem Gesetz nur unter den Voraussetzungen des § 2325 BGB beim Pflichtteilsergänzungsanspruch vorgesehen. Allein der Umstand, dass eine Zuwendung im Wege vorweggenommener Erbfolge erfolgt ist, führt nicht dazu, dass der geschenkte Gegenstand noch dem realen Nachlass zugerechnet wird und beim Pflichtteilsanspruch berücksichtigt werden kann.

     

    Aus der in § 12 Abs. 10 HöfeO getroffenen Regelung folgt nichts anderes. Denn § 12 Abs. 10 HöfeO begründet für den Pflichtteilsberechtigten sowie für den Vermächtnisnehmer und den Ehegatten, der Ausgleich des Zugewinns nach § 1371 Abs. 2 und 3 BGB verlangt, keinen eigenständigen Anspruch. Er setzt vielmehr einen nach den allgemeinen Vorschriften bestehenden Anspruch voraus. Hier liegt der Unterschied zu dem für die Miterben geltenden § 12 Abs. 1 HöfeO, der einen eigenständigen Abfindungsanspruch begründet. Auf § 12 Abs. 1 HöfeO nimmt § 12 Abs. 10 HöfeO aber gerade keinen Bezug. Die Verweisung bezieht sich lediglich auf die Berechnungsvorschriften in den Absätzen 2 bis 5. Die Vorschrift setzt daher einen bestehenden Pflichtteilsanspruch voraus. Insofern besteht im Gesetz kein Anhaltspunkt dafür, den Pflichtteilsanspruch des enterbten Ehegatten, der erst mit dem Tod des Erblassers entsteht, unter Berücksichtigung des Wertes des zu Lebzeiten des Erblassers übertragenen Hofes zu berechnen.

     

    Dafür besteht auch kein Bedürfnis, da die Hofübertragung mit Rücksicht auf das Zustimmungserfordernis des Ehegatten gem. § 1365 BGB regelmäßig nicht ohne Mitwirkung des Ehegatten erfolgen kann. Zudem bleibt dem enterbten Ehegatten, so wie jedem enterbten Pflichtteilsberechtigten, der Pflichtteilsergänzungsanspruch. Die Annahme eines eigenständigen Abfindungsanspruchs ist daher auch nicht im Wege verfassungskonformer Auslegung geboten, um die Rechte des pflichtteilsberechtigten Ehegatten zu wahren.

     

    Ein Pflichtteilsergänzungsanspruch der F wegen der lebzeitigen Übertragung des Hofes gem. § 2325 Abs. 1 BGB scheidet aus, weil die Übertragung mehr als zehn Jahre vor dem Erbfall erfolgt ist, § 2325 Abs. 3 S. 2 BGB. Ein Grund für eine Privilegierung der Pflichtteilsberechtigten im Hinblick auf den Hof ist nach dem Gesagten nicht ersichtlich.

     

    Relevanz für die Praxis

    Ist § 17 Abs. 2 HöfeO anwendbar, gilt: Der Abfindungsanspruch gem. § 12 Abs. 1 HöfeO berechnet sich nach Maßgabe des § 12 Abs. 2 und 3 HöfeO unter Berücksichtigung des Hofeswertes zum Zeitpunkt der Übergabe des Hofes.

     

    Nach § 12 Abs. 10 HöfeO gilt dies auch sinngemäß für die Berechnung des Pflichtteilsanspruchs der anderen Abkömmlinge aus § 2303 Abs. 1 BGB.

     

    Weiterführender Hinweis

    • EE 18, 181 dazu, dass das Nachlassgericht für die Erteilung eines Hoffolgezeugnisses die Hofvoraussetzungen feststellen muss
    Quelle: Ausgabe 12 / 2018 | Seite 201 | ID 45570530