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  • · Fachbeitrag · Testament

    Erbschaftsbesitz bei rückwirkendem Wegfall der Erbeinsetzung

    von RiOLG Dr. Andreas Möller, Hamm

    • 1. Wenn die Erbeinsetzung des Beklagten rückwirkend unwirksam wird, ist er von Anfang an als Erbschaftsbesitzer anzusehen.
    • 2. Eine Versicherungsleistung aus einer Lebensversicherung kann eine Leistung nach dem Todesfall i.S. von § 331 BGB sein. Dem Dritten kann durch Vertrag zugunsten Dritter ohne Einhaltung erbrechtlicher Formvorschriften mit dem Tod des Versprechungsempfängers (= Erblasser) ein schuldrechtlicher Anspruch zugewendet werden, auch dann, wenn im Valutaverhältnis eine Schenkung auf den Todesfall vorliegt (BGHZ 157, 79 ff.; BGH NJW 08, 2702). Im Verhältnis zu den Erben des Versprechungsempfängers ist der Rechtserwerb nur gesichert, wenn das Valutaverhältnis wirksam ist. Ob das Valutaverhältnis einen rechtlichen Grund dafür gibt, dass der Begünstigte die Versicherungsleistung behalten darf oder an die Erben herauszugeben hat, richtet sich nicht nach dem Erbrecht, sondern nach dem Schuldrecht.
     

    Sachverhalt

    Die Kläger nahmen den Beklagten im Wege der Stufenklage auf Auskunft und Zahlung sowie Herausgabe an die Erbengemeinschaft in Anspruch. Die Kläger sind die leiblichen Söhne des Erblassers E. Der Beklagte ist dessen Adoptivsohn. Die gemeinsame Mutter (M) der Parteien ist vorverstorben. Die Eltern der Kläger hatten ein gemeinschaftliches Testament errichtet, in dem sie sich zu gegenseitigen Alleinerben und nach dem Tod des Längstlebenden den Beklagten als Vorerben eingesetzt haben. Die Kläger haben das Testament erfolgreich angefochten. Der Beklagte hat die Erbschaft ausgeschlagen. Die Erbengemeinschaft besteht aus den beiden Klägern zu je 1/3 und den drei Kindern des Beklagten zu je 1/9.

     

    Nach Auskunft des Beklagten beantragten die Kläger, diesen zu verurteilen, an die Miterbengemeinschaft den von ihm aus dem Nachlass vereinnahmten Betrag nebst Zinsen zu zahlen. Ferner beantragen sie, den Beklagten zu verurteilen, an sie persönlich je 1/3 des Sterbegeldes zu zahlen. Der Beklagte meint, von dem vereinnahmten Geld stünde ihm aus einer Lebensversicherung ein Betrag zu. Diese Forderung falle nicht in den Nachlass. Er rechnet mit Forderung aus GoA auf. Der Restbetrag stehe der Erbengemeinschaft bei einer Auseinandersetzung anteilsmäßig zu. Er habe an seine Kinder im Wege der Teilauseinandersetzung bereits Geld gezahlt. Seine Kinder hätten ihren Miterbenanteil inzwischen an ihn zur Sicherung und Geltendmachung der Auseinandersetzung abgetreten. Das LG hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Hiergegen wendet sich der Beklagte erfolglos mit seiner Berufung.

     

     

    Entscheidungsgründe

    Die Kläger haben gegen den Beklagten einen Anspruch gemäß §§ 2018, 2019 BGB auf Herausgabe der Nachlassgegenstände bzw. ihrer Surrogate und damit auf Zahlung an die Erbengemeinschaft.

     

    Beklagter ist nach Anfechtung des Testaments Erbschaftsbesitzer

    Haben sich Ehegatten im gemeinschaftlichen Testament gegenseitig zu Erben und den Beklagten zum Vorerben eingesetzt und wird die Erbenstellung des Beklagten rückwirkend unwirksam, ist er von Anfang an als Erbschaftsbesitzer anzusehen (BGH NJW 85, 3068 ff. = FamRZ 85, 1246). Der Beklagte muss den vereinnahmten Betrag an die Erbengemeinschaft zahlen.

     

    Auch die Zahlung der Lebensversicherung fällt in den Nachlass

    Die Versicherungsleistung aus einer Lebensversicherung ist eine Leistung nach dem Todesfall, § 331 BGB. Dem Dritten kann durch Vertrag zugunsten Dritter ohne Einhaltung erbrechtlicher Formvorschriften mit dem Tod des Versprechungsempfängers ein schuldrechtlicher Anspruch zugewendet werden, auch wenn im Valutaverhältnis eine Schenkung auf den Todesfall vorliegt (BGH NJW 08, 2702). Der Dritte erwirbt den Leistungsanspruch gegenüber dem Versprechenden (= Versicherer). Im Verhältnis zu den Erben des Versprechungsempfängers ist der Rechtserwerb aber nur gesichert, wenn das Valutaverhältnis wirksam ist (BGH NJW 08, 2702). Für den Lebensversicherungsvertrag auf den Todesfall gilt § 159 Abs. 2 und 3 VVG (Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 331 Rn. 2).

     

    • Ein widerruflich als bezugsberechtigt bezeichneter Dritter erwirbt das Recht auf die Leistung des Versicherers erst mit dem Eintritt des Versicherungsfalls.

     

    • Ein unwiderruflich als bezugsberechtigt bezeichneter Dritter erwirbt das Recht auf die Leistung des Versicherers bereits mit der Bezeichnung als Bezugsberechtigter dem Versicherer gegenüber.

     

    Überträgt der Erblasser Vermögen durch eine unter Lebenden vollzogene Verfügung zugunsten Dritter auf den Todesfall (§ 518 Abs. 2, § 2301 Abs. 2 BGB), unterliegen die so begründeten Rechtsbeziehungen nicht nur im Deckungs-, sondern auch im Valutaverhältnis den allgemeinen Regeln für Rechtsgeschäfte unter Lebenden, nicht aber dem Erbrecht. Die Frage, ob der Begünstigte den erlangten Anspruch behalten darf oder an die Erben herausgeben muss - also die Frage nach dem rechtlichen Grund im Valutaverhältnis - ist nicht nach dem Erbrecht, sondern nach dem Schuldrecht zu beurteilen (BGHZ 157, 79 ff.).

     

    Der Beklagte hat seine Bezugsberechtigung entgegen einer Auflage des Senats nicht dargelegt. An ihn wurde die Lebensversicherungsleistung nicht aufgrund einer in der Police durch Vertrag zugunsten Dritter erlangten Rechtsstellung ausgezahlt. Vielmehr erhielt der die Summe, weil er sich gegenüber der Lebensversicherung als vermeintlicher Erbe ausgewiesen hat. Die Lebensversicherung ist daher betragsmäßig dem Nachlass zuzuordnen, der der noch nicht aufgelösten Erbengemeinschaft zusteht.

     

    Anspruch ist nicht durch Aufrechnung erloschen

    Der Anspruch der Kläger ist nicht durch Aufrechnung gemäß §§ 387, 389 BGB erloschen. Ein Anspruch des Beklagten ergibt sich nicht aus § 2022 BGB. Danach ist der Erbschaftsbesitzer gemäß § 2022 BGB nur zur Herausgabe gegen Ersatz aller Verwendungen verpflichtet. Verwendungen sind freiwillige Aufwendungen des Erbschaftsbesitzers aus eigenen Mitteln, die einer einzelnen Nachlasssache oder dem Nachlass als Ganzem zugutekommen. Hierzu gehören die vom Beklagten geltend gemachten Gerichts-, Anwalts- und Notarkosten nicht. Auch im Hinblick auf die weiteren geltend gemachten Positionen hat der Beklagte zumindest nicht den Nachweis erbracht, dass er diese Verwendungen aus eigenen Mitteln erbracht hat. Damit scheiden auch Ansprüche aus § 1959 BGB i.V. mit GoA aus, soweit der Beklagte vor Ausschlagung der Erbschaft erbschaftliche Geschäfte vorgenommen haben will.

     

    Einer Aufrechnung mit den ihm von seinen Kindern abgetretenen Gegenforderungen aus einem Anspruch auf Teilauseinandersetzung der Erbengemeinschaft gegen die Kläger gemäß § 2041 BGB steht die fehlende Teilungsreife entgegen. Die vormundschaftliche Genehmigung fehlt (§§ 1643, 1822, 1829 BGB). Der vom Beklagten zur Aufrechnung gestellte Gegenanspruch steht zu dem von den Klägern verfolgten erbrechtlichen Herausgabeanspruch nach §§ 2018, 2019 BGB nicht in einer gleichartigen Beziehung gemäß § 387 BGB. Die Kläger verfolgen die Zahlung der geforderten Beträge an die ungeteilte Erbengemeinschaft. Die Zahlung an die Erbengemeinschaft dient der Sicherung des Nachlasses (Palandt/Weidlich, a.a.O.,§ 2018 Rn. 2). Die Erbauseinandersetzung muss zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen.

     

    Dem Beklagten steht kein Zurückbehaltungsrecht zu

    Dem Beklagten steht gegenüber dem Anspruch der Kläger auch kein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 Abs. 1 BGB zu. Da ein Anspruch auf Teilauseinandersetzung des Nachlasses derzeit nicht möglich ist, kann der Beklagte auch aus abgetretenem Recht, ungeachtet der Frage der fehlenden vormundschaftlichen Genehmigung, dem Anspruch der Kläger kein Zurückbehaltungsrecht entgegenhalten. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass gemäß § 274 BGB eine Zug-um-Zug-Verurteilung die Rechtsfolge hat, dass gegenüber der Klage des Gläubigers die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts nur die Wirkung entfaltet, dass der Schuldner zur Leistung gegen Empfang der ihm gebührenden Leistung zu verurteilen ist. Hier stellt sich die Situation aber so dar, dass die Ansprüche der Kläger erst verwirklicht werden müssen, um den Nachlass zu sichern, damit er anschließend einer Auseinandersetzung zur Verfügung steht. Erst dann erfolgt die Auseinandersetzung zwischen den Erben.

     

    Kläger haben Anspruch auf anteiliges Sterbegeld

    Den Klägern steht auch ein Anspruch auf anteilige Auszahlung des Sterbegeldes zu. Dieses fällt nicht in den Nachlass der Erbengemeinschaft. Denn der aus § 43 Abs. 1 Soldatenversorgungsgesetz (SVG) i.V. mit § 18 Abs. 1 BeamtVG abgeleitete Anspruch auf Sterbegeld steht jedem Abkömmling gesondert zu.

     

    Da es sich bei dem persönlichen Anspruch der Kläger und dem Anspruch zugunsten der Erbengemeinschaft um Ansprüche aus demselben Erbfall handelt, liegen die Voraussetzungen für eine objektive Klagehäufung nach § 60 ZPO vor (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., § 60 Rn. 4).

    Praxishinweis

    Der Erbschaftsanspruch gegen den ursprünglich berechtigten, nur rückwirkend nicht berechtigten Erbschaftsbesitzer entfällt nicht schon dadurch, dass er sich des ihm nicht zustehenden Erbrechts nicht mehr berühmt. Auch der Erbe eines Erbschaftsbesitzers rückt in dessen Pflicht aus § 2018 BGB ein. Einer zusätzlichen Erbrechts-“Anmaßung“ auch des Erben des Erbschaftsbesitzers bedarf es nicht. Auf den Erben des Erbschaftsbesitzers geht auch die Auskunftspflicht aus § 2027 BGB über. Dagegen spricht nicht, dass der Erbe des Erbschaftsbesitzers geringere Kenntnisse über den Umfang und den Verbleib der Erbschaft haben wird als sein Rechtsvorgänger. Der Erbe muss sich anhand der für ihn erreichbaren Erkenntnismittel eigenes Wissen verschaffen oder solches vervollständigen.

     

    Hat der zur Auskunft Verpflichtete allerdings keine eigenen Kenntnisse und kann er sich solche auch nicht auf zumutbare Weise verschaffen, genügt er seiner Auskunftspflicht bereits mit der Darlegung dieses Sachverhalts. Den Erben des Erbschaftsbesitzers kann daneben auch eine originär eigene Auskunftspflicht aus § 2027 BGB treffen.

     

    Weiterführender Hinweis

    • BGH NJW 85, 3068 ff., zum Erbschaftsbesitz, das OLG Koblenz knüpft an diese BGH-Rechtsprechung an
    Quelle: Ausgabe 08 / 2014 | Seite 131 | ID 42775299