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  • · Fachbeitrag · Grundbucheinsicht

    Interesse eines Miterben an Grundbucheinsicht ist nicht abstrakt, sondern konkret darzulegen

    von RA Uwe Gottwald, VorsRiLG a. D., Vallendar

    | Beschränkt sich der Vortrag eines Miterben auf den rechtlichen Hinweis, dass zur Klärung von Ausgleichspflichten nach § 2055 ff. BGB ein umfassendes Einsichtsrecht in das Grundbuch auch von früheren Immobilien des Erblassers bestehe, reicht dies zur Darlegung eines berechtigten Interesses an der begehrten Einsicht nicht aus. So lautet der Kern einer Entscheidung des OLG Saarbrücken 3.11.21, 5 W 58/21, Abruf-Nr. 228065 ). |

    Sachverhalt

    Eine Miterbin begehrte Grundbucheinsicht und Einsicht in die Grundakten. Sie vertrat die Ansicht, ihr stünden dieselben Einsichtsrechte zu wie sie der Erblasserin zu Lebzeiten zugestanden hätten. Außerdem trug sie vor, zur Klärung von Ausgleichspflichten (§§ 2055 ff. BGB) stehe einem Miterben ein umfassendes Einsichtsrecht in die Grundakten auch an früheren Immobilien des Erblassers zu. Ein erbrechtlicher Nachweis bedürfe nicht der Form des § 35 GBO. Die Rechtspflegerin des Grundbuchamts hat den Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, dass ein berechtigtes Interesse an der Einsicht nicht bestehe. Die gegen diesen Beschluss eingelegte Beschwerde derMiterbin hat das OLG Saarbrücken zurückgewiesen.

    Entscheidungsgründe

    Gemäß § 12 Abs. 1 S. 1 GBO und § 12 Abs. 3 GBO i. V. m. § 46 Abs. 1 GBV sei die Einsicht des Grundbuchs und der Grundakten jedem gestattet, der ein „berechtigtes Interesse“ darlege. Ausreichend, aber auch erforderlich seidafür, dass der Antragsteller ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes ‒ also nicht unbedingt rechtliches, sondern auch tatsächliches, insbesondere wirtschaftliches ‒ Interesse verfolgt (OLG Saarbrücken 13.1.20, 5 W 84/19, NJW-RR 20, 713; OLG Düsseldorf 17.11.17, I-3 Wx 213/17; OLG München 14.6.18, 34 Wx 188/18).

     

    Das setze voraus, dass bei verständiger Würdigung des Einzelfalls und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge mit der Einsichtnahme Erkenntnisse gesammelt werden, die für den Antragsteller aus sachlichen Gründen für sein künftiges Handeln erheblich erscheinen; das Interesse des Eigentümers oder sonstigen Berechtigten am Schutz persönlicher und wirtschaftlicher Geheimnisse ist dabei in jedem Einzelfall gegen das Interesse des Antragstellers an der Kenntnisgewinnung abzuwägen. Die das Einsichtsverlangen stützenden Sachgründe seien hierzu von dem Antragsteller darzulegen und zu erläutern. Dieser müsse durch nachvollziehbares Tatsachenvorbringen einen Sachverhalt glaubhaft beschreiben, aus dem sich für das Grundbuchamt ‒ und in der Beschwerdeinstanz für das Beschwerdegericht ‒ die Verfolgung eines berechtigten Interesses erschließe und unberechtigte Zwecke oder bloße Neugier bzw. nur irgendein bloß beliebiges Interesse ausgeschlossen erscheinen lasse.

     

    Diesen Anforderungen hätte das Vorbringen der Miterbin nicht genügt. Zwar könne ein Miterbe nach verbreiteter Ansicht ein Recht auf Einsicht in das Grundbuch bzw. ‒ wie hier ‒ in den Grundakten enthaltene Veräußerungsverträge haben, wenn sein Gesuch der Klärung von Ausgleichspflichten nach §§ 2050 ff. BGB diene (OLG Braunschweig 12.6.19, 1 W 41/19, FamRZ 20, 639; OLG München 11.1.18, 34 Wx 408/17, NJW-RR 18, 335; OLG Frankfurt 21.7.20, 20 W 80/20, ErbR 21, 138). Besondere Anforderungen an die Substanziierung würden hier im Allgemeinen nicht gestellt; Voraussetzung sei aber, dass aufgrund einer nachvollziehbaren Darlegung solche Ansprüche zumindest „möglich“ erscheinen (OLG Braunschweig, a. a. O.; OLG München a. a. O.).

     

    Daran fehle es hier, denn die Miterbin hätte sich lediglich auf eine abstrakte Wiedergabe des in der Rechtsprechung anerkannten Grundsatzes, wonach „zur Klärung von Ausgleichspflichten nach § 2055 ff. BGB einem Miterben ein umfassendes Einsichtsrecht (alle Abteilungen des Grundbuches) auch an früheren Immobilien des Erblassers“ zustehe, beschränkt. Dies aber sei kein hinreichender Tatsachenvortrag, der solche Ansprüche der Antragstellerin zumindest möglich erscheinen lasse und ausreiche, um im Rahmen dergebotenen Interessenabwägung mit den schützenswerten Belangen des Grundstückseigentümers ein Einsichtsrecht der Antragstellerin in die Grundakten ‒ und das Überlassen von Abschriften daraus, vgl. § 12 Abs. 2 GBO, § 46 Abs. 3 GBV ‒ zu begründen.

    Relevanz für die Praxis

    Das OLG Saarbrücken stellt mit der überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur zu Recht darauf ab, dass das „berechtigte Interesse“ genau zu prüfen ist, um Einsichtnahmen zu verhindern, durch die das schutzwürdige Interesse Eingetragener verletzt werden könnte. Unbefugten soll kein Einblick in die Rechts- und Vermögensverhältnisse von Grundeigentümern gewährt werden, insbesondere dann, wenn es auch um Einsicht in die Grundakten geht. Für den Berater eines Miterben gilt es deshalb, bei Begehren auf Einsicht in das Grundbuch und die Grundakten diejenigen Tatsachen substanziiert vorzutragen, die das rechtliche Interesse erfüllen. Dabei sind mögliche Ausgleichspflichten nach den §§ 2050 ff. BGB derart nachvollziehbar darzulegen, dass solche Ansprüche zumindest möglich erscheinen.

     

    PRAXISTIPP | Ähnlich hohe Ansprüche stellt die Rechtsprechung an dieBegründung des Einsichtsgesuchs von Pflichtteilsberechtigten (vgl. hierzu u. a. OLG Frankfurt 21.7.20, 20 W 80/20, ErbR 21, 138; OLG Düsseldorf 9.9.15, I-3 Wx 149/15, NJW-RR 16, 338 und OLG München 23.2.11, 34 Wx 61/11, FamRZ 12, 147).

     

    Weiterführender Hinweis

    • Zu den Anforderungen an das Einsichtsgesuch von möglichen Erben vgl. OLG München 11.1.18, 34 Wx 408/17, ZEV 18, 209
    Quelle: Ausgabe 04 / 2022 | Seite 59 | ID 48060447