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  • · Fachbeitrag · Erbvertrag

    Änderungsvorbehalt unter einer Bedingung in einem Erbvertrag

    von RA Uwe Gottwald, VorsRiLG a.D., Vallendar

    | Das OLG Düsseldorf musste über einen Erbvertrag zwischen Ehegatten befinden, nach dessen Inhalt eine Bindungswirkung im Falle des Überlebens der Ehefrau entfallen soll, wenn der eingesetzte Alleinerbe oder einer seiner Nachkommen den Pflichtteil verlangen. Diese Regelung stellt sich als eine Bedingung für einen zugunsten der Erblasserin bestehenden Änderungsvorbehalt dar (OLG Düsseldorf 2.6.20, 3 Wx 79/20, Abruf-Nr. 221804 ). |

     

    Sachverhalt

    Die Erblasserin und ihr vorverstorbener Ehemann schlossen einen notariell beurkundeten Erbvertrag, mit dem sie sich wechselseitig zu Alleinerben bestimmten. Weiter verfügten sie die Einsetzung des aus erster Ehe stammenden Sohnes des vorverstorbenen Ehemannes zum Alleinerben des Zuletztversterbenden. Darüber hinaus hielten die Eheleute in dem Erbvertrag fest, dass sämtliche Bestimmungen des Erbvertrages bindend seien; im Fall des Überlebens der Ehefrau (Erblasserin) solle die Bindungswirkung jedoch dann entfallen, wenn der zum Alleinerben des Zuletztversterbenden Bestimmte oder einer seiner Nachkommen von ihr seinen Pflichtteil verlange.

     

    Mit handschriftlich errichtetem Testament setzte die Erblasserin nach dem Tode ihres Ehemanns ihre Nichte als ihre Alleinerbin ein. Dazu hielt sie in ihrem Testament fest, der Erbvertrag sei nicht mehr bindend, da der Sohn des vorverstorbenen Ehemannes nach dessen Tod seinen Pflichtteilsanspruch geltend gemacht habe.

     

    Unter Berufung auf das vorgenannte Testament hat die Nichte der Erblasserin nach deren Tod die Erteilung eines Alleinerbscheins mit der Begründung beantragt, der Sohn des vorverstorbenen Ehemannes habe von der Erblasserin nach dessen Tod einen Betrag von 30.000 EUR erhalten. Dieser habe seinem Pflichtteil entsprochen.

     

    Der Sohn des Ehemanns der Erblasserin hat nach deren Tod (ebenfalls) die Erteilung eines Alleinerbscheins beantragt mit der Begründung, bei der Zahlung des Betrages von 30.000 EUR habe es sich nicht um den Pflichtteilgehandelt, sondern um die zweite Rate einer Schenkung der Erblasserin an ihn. Dies habe die Erblasserin in einer schriftlichen Erklärung niedergelegt.

     

    Das Nachlassgericht hat durch Beschluss die Tatsachen für festgestellterachtet, die zur Begründung des vom Sohn des Ehemanns der Erblasserin beantragten (Allein-)Erbschein erforderlich sind. Gegen diesen Beschluss wendet sich die Nichte der Erblasserin, die sie u. a. damit begründet hat, dass die Echtheit der Unterschrift der Erblasserin auf der Schenkungsurkunde bestritten werde. Das Nachlassgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem OLG Düsseldorf zur Entscheidung vorgelegt.

     

    Entscheidungsgründe

    Das OLG Düsseldorf (2.6.20, 3 Wx 79/20, Abruf-Nr. 221804) hat die Beschwerde der Nichte des Erblassers zurückgewiesen und diese Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

     

    D

    as Nachlassgericht sei zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass sich die Erbfolge nach der Erblasserin nach dem Erbvertrag bestimme. Das handschriftliche Einzeltestament der Erblasserin sei unwirksam, da die Bindungswirkung des früheren Erbvertrages nicht weggefallen sei und somit nachträgliche Verfügungen zulasten des Vertragserben (Sohnes des Ehemanns) als vertragsmäßig Bedachten unwirksam seien, § 2289 Abs. 1 S. 2 BGB.

     

    Die im Erbvertrag getroffene Regelung, wonach die Bindungswirkung entfalle, sollte der Ehemann der Erblasserin zuerst versterben und dessen Sohngegenüber der Erblasserin sein Pflichtteilsrecht geltend machen, erweise sich in rechtlicher Hinsicht als Bedingung für einen zugunsten der Erblasserin bestehenden Änderungsvorbehalt (vgl. hierzu Palandt/Weidlich, BGB, 80. Aufl. 2020, § 2289 Rn. 8 ff., 11). Bedenken an der Zulässigkeit der Vereinbarung eines entsprechenden Änderungsvorbehalts hätten sich nicht ergeben.

     

    Dass die vereinbarte Bedingung für den Änderungsvorbehalt ‒ eine Geltendmachung des Pflichtteils ‒ eingetreten sei, könne nach dem Akteninhalt aber nicht festgestellt werden. Es sei auch nicht erforderlich, ein grafologisches Gutachten zur Frage der Echtheit der Unterschrift der Erblasserin in der Schenkungsurkunde einzuholen. Dies komme unter Beachtung des Grundsatzes zur Beweiserhebung nach pflichtgemäßem Ermessen nur in Betracht, wenn das Gericht selbst Auffälligkeiten in Bezug auf die Echtheit einer Unterschrift (z. B. Abweichungen von Vergleichsunterschriften) feststelle.

     

    Lägen auch keine Ansatzpunkte für weitere Aufklärungsmaßnahmen vor,gehe dies im Ergebnis zulasten der Nichte der Erblasserin. Denn im Verfahren über die Erteilung eines Erbscheins gelte der Grundsatz, dass derjenige, der ein Erbrecht für sich in Anspruch nimmt, die Feststellungslast für die sein Recht begründenden Tatsachen trägt, während derjenige, der ihm dieses Erbrecht streitig macht, die Feststellungslast für die rechtshindernden oder rechtsvernichtenden Einwendungen treffe.

     

    Relevanz für die Praxis

    Änderungsvorbehalte sind ‒ insbesondere in Ehegattenerbverträgen ‒ ein praktisches Gestaltungsmittel (vgl. Keim, NJW 09, 818 ff.). Häufig wollen die Ehegatten dem Längerlebenden von ihnen zwar nicht die völlige Testierfreiheit geben, ihm aber dennoch die Möglichkeit einräumen, entgegen § 2289 Abs. 1 S. 2 BGB gewisse Korrekturen hinsichtlich der Schlusserbfolge vornehmen zu können. Dabei können sich die Vorgaben für die Änderungsbefugnis sowohl auf die Tatbestandsseite (wie in dem entschiedenen Fall eine Bedingung oder Befristung) als auch auf die Rechtsfolgenseite (z. B. Änderungen nur innerhalb eines bestimmten Personenkreises oder bezüglich eines bestimmten Vermögensgegenstands) beziehen (Palandt/Weidlich, BGB, 80. Aufl., § 2289 Rn. 11).

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    Quelle: Ausgabe 05 / 2021 | Seite 77 | ID 46710387