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  • · Fachbeitrag · Bindungswirkung

    Tod des Schlusserben vor dem Schlusserbfall

    von RiOLG Dr. Andreas Möller, Hamm

    • 1. Ein gemeinschaftliches Testament, in dem sich die Ehegatten gegenseitig zu Alleinerben und die gemeinsamen Kinder als Schlusserben einsetzen, erlangt mit dem Tod des Erstversterbenden regelmäßig Bindungswirkung, weil die Verfügungen wechselbezüglich i.S. des § 2270 Abs. 1 BGB sind. Denn ein Ehegatte wird die durch die Einsetzung des anderen Ehegatten zum Alleinerben verbundene Enterbung der gemeinsamen Kinder regelmäßig nur deshalb in Kauf nehmen, weil der andere Ehegatte sie zugleich als Schlusserben einsetzt und so sichergestellt ist, dass die Kinder zumindest im zweiten Erbgang am Familienvermögen teilhaben können.
    • 2. Durch das Versterben eines als Schlusserben eingesetzten Kindes nach dem Tod des Erstversterbenden, aber vor Eintritt des Schlusserbfalls, entfällt die Bindungswirkung zugunsten eines Ersatzerben, wenn sich dessen Berufung nicht aufgrund einer individuellen Auslegung des Testaments ermitteln lässt, sondern nur auf der Zweifelsregelung des § 2069 BGB beruht (Anschluss BGH FamRZ 02, 747).
     

    Sachverhalt

    Der Erblasser (E) und seine verstorbene Ehefrau (F) hatten sich mit gemeinschaftlichem Testament aus 2002 gegenseitig zu Alleinerben und die Tochter (T) und deren 2008 verstorbenen Bruder (B) als Schlusserben eingesetzt. 2013 hat der E ein Testament erstellt. Damit hat er die T und deren Sohn (TS) sowie den Sohn (BS) des B enterbt. Die T hat erfolglos die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der sie als Alleinerbin ausweist. Mit ihrer erfolglosen Beschwerde verfolgt sie ihren Antrag weiter und beantragt hilfsweise, ihr einen gemeinschaftlichen Erbschein zu erteilen, der sie und B je zu 1/2 als Erben ausweist.

     

     

    Entscheidungsgründe

    Der E war aufgrund des gemeinschaftlichen Testaments mit der F i.V. mit § 2271 Abs. 2 BGB daran gehindert, T zu enterben. Denn der Einsatz der T als Schlusserbin ist eine wechselbezügliche Verfügung, § 2270 Abs. 1 BGB. Der E und die F hatten ein Testament errichtet, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben und T und B zu Schlusserben des Letztversterbenden bestimmt haben, § 2269 Abs. 1 BGB. Die Wechselbezüglichkeit ergibt sich aus Folgendem: Ein Ehegatte nimmt die mit der Einsetzung des anderen zum Alleinerben verbundene Enterbung der Kinder i.d.R. nur in Kauf, weil der andere die Kinder zugleich als Schlusserben einsetzt und sie so im zweiten Erbgang am Familienvermögen teilhaben können. Solche Verfügungen sind wechselbezüglich i.S. des § 2270 Abs. 1 BGB (OLG Köln ZErb 14, 118; BGH FamRZ 02, 747).