Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Ausschlagung

    Besonderheiten bei der Erbausschlagung minderjähriger Kinder

    von RA Wolfgang Krüger, LL.M., FA Familienrecht und Erbrecht, Köln

    | Die Entscheidung eines Erben für oder gegen die Annahme einer Erbschaft kann vermögensrechtlich enorme Wirkung entfalten. Dies gilt vor allem für die Ausschlagung eines minderjährigen Kindes beziehungsweise seiner gesetzlichen Vertreter. Allein 2012 wurden etliche obergerichtliche Entscheidungen hierzu veröffentlicht. EE fasst die wesentlichen Aspekte für Sie zusammen und hilft, Haftungsrisiken zu minimieren. |

    1. Formerfordernisse einer Ausschlagung und Fristbeginn

    Zunächst erfolgt die Ausschlagung der Erbschaft auch bei Minderjährigen durch eine formgebundene Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht, § 1945 Abs. 1 BGB, § 343 und § 344 Abs. 7 FamFG. Sie kann binnen sechs Wochen ab zuverlässiger Kenntnis vom Anfall und vom Grund der Berufung zum Erben beziehungsweise ab Bekanntgabe der Verfügung von Todes wegen erklärt werden, § 1944 Abs. 2 S. 1 und 2 BGB. In Fällen mit Auslandsberührung läuft eine Frist von insgesamt sechs Monaten, § 1944 Abs. 3 BGB.

     

    Entscheidend für den Fristbeginn ist nicht die Kenntnis des minderjährigen Erben selbst, sondern die des gesetzlichen Vertreters (OLG Koblenz FamRZ 08, 1031; OLG Brandenburg ZEV 02, 283). Bei gemeinsamer elterlicher Sorge ist umstritten, ob die zuverlässige Kenntnis eines Elternteils für den Fristbeginn ausreicht (bejahend: MüKo/Leipold, BGB, 5. Aufl., § 1944 Rn. 14; auf die Kenntnis aller Berechtigten stellen ab: OLG Frankfurt, Abruf-Nr. 122595; Damrau, Der Minderjährige im Erbrecht, 2. Aufl., § 5 Rn. 31, 33). Mangels höchstrichterlicher Klärung dieser Frage muss der anwaltliche Berater den im Einzelfall sichersten Weg wählen.

    2. Genehmigungspflicht und Form der Ausschlagung

    Die Ausschlagung ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung. Sie ist nicht lediglich rechtlich vorteilhaft. Wegen § 111 S. 1 BGB kann der Minderjährige selbst sie nur mit schriftlicher Einwilligung seiner gesetzlichen Vertreter erklären. Nicht wirksam ist die Ausschlagung mit bloß nachträglicher Genehmigung. Die gesetzlichen Vertreter können die Ausschlagung aber auch selbst für das minderjährige Kind erklären.

     

    Musterformulierung /mb Ausschlagung für ein minderjähriges Kind

    Wir schlagen die Erbschaft nach … im Namen unseres minderjährigen Kindes …, geboren am …, aus allen in Betracht kommenden Berufungsgründen aus.

    PRAXISHINWEIS | Die Form der Ausschlagung muss den Anforderungen des § 1945 Abs. 1 BGB (zur Niederschrift des Nachlassgerichts oder öffentlich beglaubigt) genügen. Eine Begründung der Entscheidung ist nicht notwendig.

    a) Grundsätzlich muss auch das Familiengericht genehmigen

    Die gesetzlichen Vertreter brauchen für die Ausschlagung/die Einwilligung eine familiengerichtliche Genehmigung, § 1643 Abs. 2 S. 1, § 1822 Nr. 2 BGB.

     

    Musterformulierung / Antrag auf Genehmigung der Ausschlagung

    Namens und in Vollmacht der Antragsteller beantragen wir, den Antragstellern die Ausschlagung der Erbschaft nach … für das als Erben berufene Kind …, geboren am …, aus allen in Betracht kommenden Berufungsgründen zu genehmigen.

     

    PRAXISHINWEIS | In der Begründung müssen dem Familiengericht die maßgebliche erbrechtliche Situation, die Sorgerechtsverhältnisse und die Ausschlagungsgründe unter Beweis gestellt werden. Neben der Bezugnahme auf die Nachlassakten bedarf es einer eidesstattlichen Versicherung der Antragsteller.

     

    b) Ausnahme: Kind rückt als Folge der Ausschlagung eines Elternteils nach

    Ausnahmsweise ist die Ausschlagung genehmigungsfrei, wenn das Kind erst infolge der Ausschlagung eines Elternteils als Erbe nachrückt, § 1643 Abs. 2 S. 2 BGB. Ratio der Vorschrift ist die Vermutung, dass bei der Ausschlagung eines Elternteils ebenfalls ein guter Grund für die Ausschlagung des nachrückenden Kindes vorliegt. Ob der Nachlass werthaltig ist, soll ohne Bedeutung sein. Der Kreis der genehmigungspflichtigen Geschäfte wird aus Gründen der Rechtssicherheit formal bestimmt.

     

    Als widerlegt gilt diese Vermutung nach § 1643 Abs. 2 S. 2 BGB aber, wenn

    • das Kind neben einem Elternteil berufen war, § 1643 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 BGB,
    • ein Elternteil nach Ausschlagung des durch letztwillige Verfügung berufenen Kindes gesetzlicher Erbe wird (OLG Frankfurt NJW 55, 466),
    • die Ausschlagung nicht einheitlich für mehrere als Erben berufene Kinder erfolgt (selektive Ausschlagung, KG-NJW-RR 12, 976).

     

    Regelmäßig muss in diesen Fällen davon ausgegangen werden, dass die Eltern die Erbschaft in bestimmte Bahnen lenken wollen (Ivo, ZEV 02, 309). Eltern und Kind verfolgen nicht mehr die gleichen Interessen. Ob es hierfür sachgerechte Gründe gibt, muss das Familiengericht prüfen.

     

    c) Antragsberechtigt sind die gesetzlichen Vertreter

    Antragsberechtigt sind die gesetzlichen Vertreter des minderjährigen Erben. Können mehrere Sorgeberechtigte sich nicht über die Ausschlagung einigen, muss der Ausschlagungswillige wegen Übertragung der Befugnis hierzu auf sich allein vorab das Familiengericht anrufen, § 1628 S. 1 BGB.

    Die funktionale Zuständigkeit liegt beim Richter, § 14 Abs. 1 Nr. 5 RPflG. Bei einer zusprechenden Entscheidung ist die Ausschlagungsfrist wegen höherer Gewalt nach § 1944 Abs. 2 S. 3, § 206 BGB gehemmt.

     

    Musterformulierung /  Entscheidungsbefugnis nach § 1628 BGB

    Namens und in Vollmacht des Antragstellers beantragen wir, dem Antragsteller die Entscheidungsbefugnis über eine Ausschlagung der Erbschaft nach … für das Kind …, geboren am …, zu übertragen.

     

    PRAXISHINWEIS | In der Begründung ist dem Familiengericht vor allem darzustellen, warum die Übertragung der Entscheidungsbefugnis in der konkreten Streitfrage erforderlich ist und dem Kindeswohl am besten entspricht. Weiter sollte aufgezeigt werden, dass es einer weitergehenden Übertragung der elterlichen Sorge derzeit nicht bedarf.

    3. Genehmigungsbeschluss des Familiengerichts

    Auch für den Genehmigungsbeschluss ist das Familiengericht, §§ 111 Nr. 2, 151 Nr. 1 FamFG, § 23 b Abs. 1 GVG, jedoch in Person des Rechtspflegers, § 3 Nr. 2a RPflG, in dem Bezirk, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, § 152 Abs. 2 FamFG, zuständig. Die nötigen Ermittlungen werden von Amts wegen durchgeführt, § 26 FamFG.

     

    Die Genehmigung ist eine Ermessensentscheidung des Gerichts (BayObLG FamRZ 90, 208; OLG Frankfurt FamRZ 69, 658). Maßstab sind das Wohl und die Interessen des Kindes (OLG Brandenburg FamRZ 04, 1049; OLG Naumburg FamRZ 03, 57). Es spielen primär wirtschaftliche Interessen, aber auch immaterielle Aspekte wie etwaige Auswirkungen der Annahme der Erbschaft auf das soziale Umfeld des Kindes eine Rolle (OLG Karlsruhe FamRZ 73, 378). Gegen den Willen der sorgeberechtigten Eltern darf die Genehmigung allerdings nicht erteilt werden (BGH DNotZ 67, 320; BayObLG FamRZ 77, 141, 144).

    4. Erfordernis einer Ergänzungspflegschaft

    Die Entscheidung ist beiden Elternteilen und dem betroffenen Kind bekannt zu geben, § 41 Abs. 1 und Abs. 3 FamFG. Ist der Erbe noch nicht 14 Jahre alt, kommt die unmittelbare Bekanntgabe nicht in Betracht. Erst mit Vollendung des 14. Lebensjahrs ist ein Kind verfahrensfähig, § 9 Abs. 1 Nr. 3 FamFG.

     

    Für die Entgegennahme der Entscheidung des Familiengerichts bedarf es in diesen Fällen der Anordnung einer Ergänzungspflegschaft und der Bestellung eines Ergänzungspflegers (OLG Köln FamRZ 12, 579; OLG Celle BeckRS 12, 19646; a.A. OLG Brandenburg ZEV 11, 594). Nicht ausreichend ist die Bestellung eines Verfahrensbeistands nach § 158 FamFG (OLG Köln RNotZ 12, 46).

     

    Musterformulierung / Anordnung einer Ergänzungspflegschaft

    Namens und in Vollmacht des Antragstellers beantragen wir, für das Kind …, geboren am …, für die Entgegennahme der Zustellung einer möglichen familiengerichtlichen Genehmigung betreffend der Ausschlagung des Erbes nach … sowie die Ausübung der diesbezüglichen Beschwerderechte Ergänzungspflegschaft anzuordnen und einen Ergänzungspfleger mit diesem Aufgabenkreis zu bestellen.

     

    PRAXISHINWEIS | Nach § 1779 Abs. 2 S. 1 BGB soll das Familiengericht als Pfleger auswählen, wer nach seinen persönlichen Verhältnissen, seiner Vermögenslage und nach den sonstigen Umständen zur Führung der Pflegschaft geeignet ist. Auch, wenn dem Gericht insoweit ein gewisses Auswahlermessen zusteht, können bereits in dem Antrag eigene Vorschläge zur Person des Ergänzungspflegers gemacht werden.

    Als Ergänzungspfleger sind vorrangig ehrenamtliche Einzel- und Vereinspfleger, hilfsweise ein berufsmäßiger Pfleger zu bestellen. Das Jugendamt ist erst als Pfleger zu bestellen, wenn sich kein geeigneter anderer Pfleger findet (OLG Köln FamRZ 12, 42). Das Bedürfnis für die Bestellung eines Ergänzungspflegers besteht sogar, wenn kein Interessengegensatz im Sinne der § 1629 Abs. 2 S. 3, § 1796 Abs. 2 BGB vorliegt. Die gesetzlichen Vertreter sind stets insoweit verhindert, für das Kind zu handeln, § 41 Abs. 3 FamFG (OLG Köln FamRZ 12, 42; OLG Brandenburg BeckRS 12, 04302). Dies gilt auch, wenn das Jugendamt das Kind vertritt (OLG Celle BeckRS 12, 19646).

    5. Hemmung der Ausschlagungsfrist wegen höherer Gewalt

    Wegen der kurzen Ausschlagungsfrist kommt es in der Praxis oftmals zu zeitlichen Nöten. Häufig ist ungewiss, ob binnen der Ausschlagungsfrist die nach § 1643 Abs. 2 BGB erforderliche Genehmigung des Familiengerichts vorliegt. Auch in diesen Fällen gilt aber, dass dem gesetzlichen Vertreter die volle Ausschlagungsfrist erhalten bleibt. Auch insoweit wird der Ablauf der Frist zwischen Antragstellung und Mitteilung der Entscheidung wegen höherer Gewalt nach § 1944 Abs. 2 S. 3, § 206 BGB gehemmt (OLG Frankfurt FamRZ 66, 259).

     

    PRAXISHINWEIS | Binnen der Ausschlagungsfrist muss die Ausschlagung erklärt und die Genehmigung eingeholt werden. Es empfiehlt sich, beide Erklärungen zu verbinden. Kommt der (später) berechtigte gesetzliche Vertreter doch noch zu dem Schluss, dass eine Ausschlagung nicht erfolgen soll, kann er von der Weiterleitung der vorgeschalteten gerichtlichen Entscheidung absehen. Diese wird vom Familiengericht an den oder die gesetzlichen Vertreter und nicht unmittelbar an das Nachlassgericht übersandt.

    Weiterführender Hinweis

    • EE 11, 46, zu der Bestellung eines Ergänzungspflegers
    Quelle: Ausgabe 02 / 2013 | Seite 33 | ID 37080490